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Mittendrin: Die wahre Kluft hinter dem Regev Aufruhr

Martin Sherman, 18.6.2015, Jerusalem Post

Likud-Knesset-Mitglied Miri Regev (photo credit: MARC ISRAEL SELLEM)

Stellen Sie sich unsere Welt, Frau Regev, Ihre Welt, vor – ohne Bücher, ohne Musik, ohne Poesie, eine Welt, in der niemand verhindert, dass die Nation die 30 [Likud Knesset] Sitze feiert, in deren Gefolge eine Herde von Stroh und Futterkugel-fressendem Vieh marschiert. – Schauspieler Oded Kotler an Miri Regev, Jaffa, am 14. Juni.

Der Aufruhr, der in der vergangenen Woche aufgrund der Ankündigung der neu ernannten Kulturministerin Miri Regev ausgebrochen war, dass sie die staatliche Finanzierung für kulturelle Einrichtungen, Aktivitäten, oder Künstler, die zur Delegitimierung Israels aufrufen, nicht mehr beibehalten würde, dreht sich nicht wirklich um das, was vordergründig gesagt wird.

Nichts als eine Nebelwand

Es ging nicht um das Bewahren der Qualität von kultureller Aktivität, sondern um Kontrolle über die Gesellschaft, dünn verschleiert in kultureller Tarnung.

In der Tat war es zu einem grossen Teil eine Nebelwand für eine langjährige politische Auseinandersetzung, die seit Jahrzehnten eine bittere Spaltung in der israelischen Gesellschaft geschaffen hat – deren Ursprünge in die Zeit vor dem Staat zurückverfolgt werden können.

Weil heute, wie in der Vergangenheit, die wahre Spaltung der israelischen Gesellschaft nicht zwischen der religiösen und weltlichen, nicht zwischen der sephardischen und aschkenasischen, nicht einmal zwischen den Reichen und den Armen ist.

Das soll nicht heissen, dass jene Spaltungen nicht existieren, aber sie werden alle abgelöst von einer weitaus bleibenderen, weit emotionaleren und weit schwieriger zu überbrückenden, die alle überdeckt.

Es ist dies die Kluft zwischen dem, was frei bezeichnet werden kann als die Tauben der politischen Linken und der Falken der politischen Rechten, die im Laufe der Jahre unterschiedlichen Formen in Bezug auf Stil, Substanz und Schwerpunkt angenommen hat.

Heute äussert sich das als Kampf zwischen denen, die mit ideologischem Eifer die Einrichtung einer frauenfeindlichen, homophoben, mehrheitlich muslimischen Gewaltherrschaft (auch bekannt als palästinensischer Staat) am östlichen Rand des Großraums Tel Aviv befürworten, als das Allheilmittel für fast alle Übel des Landes, auf der einen Seite, und diejenigen, die dies bestreiten, auf der anderen. Es ist zwischen denen, die eine tiefe Abscheu hegen gegenüber der Anwesenheit von Juden hinter der vor-1967-grünen-Linie, egal wie produktiv und nützlich sie für andere ist, und denen, die dies nicht tun.

Für diejenigen unter Ihnen, die diese nicht überzeugend finden – bitte warten Sie mit ihrem Urteil und lesen Sie weiter.

Echos aus der Vergangenheit

In vielerlei Hinsicht ist die pseudo-kulturelle Fassade der aktuellen Aufregung ein Echo der Bitterkeit aus der Vergangenheit, die die ideologisch-politische Rivalität wiederspiegelt, die zwischen der einst vorherrschenden Labor Party (von David Ben-Gurions historischen Mapai) und der revisionistischen Herut-Partei von Menachem Begin wütete. Der aktuelle Aufruhr ist nur eine Fortsetzung durch aktuelle Stellvertreter – den modernen Mutationen, assoziierten Unternehmen und Ableger dieser alten Antagonisten, gebündelt um die heutige zionistischen Union (Labor) und Likud (Herut).

Für die skeptischen (und vielleicht auch weniger informierten) Laien kann es schwierig sein, die Tiefe der Feindseligkeit zu begreifen – in der Tat zu glauben – die in den ersten Jahrzehnten des Staates geherrscht hat, und den Umfang der Ächtung, die das Labor-dominierte Establishment verwendete, um seine revisionistischen Rivalen zu delegitimieren.

Doch dieses Verständnis ist wichtig, wenn man ergründen will, wie die Tradition der Verwendung von Zeremonie und Kultur heute eingesetzt wird, um politische Gegner klein zu machen.

Es gibt kaum ein aufschlussreicheres Zitat, als das von Prof. Udi Lebel, dem Autor von Werken wie „Jenseits der Verlassenheit des Pantheon, und die Strategie der Delegitimierung gegen Herut.“

Er schreibt: „Ben Gurion war ein Genie in Kulturtechnik und er verstand sehr gut die Bedeutung der Erinnerungskultur in der Schaffung von politischem Status … Es war ihm klar, dass, wenn das Recht nicht Teil des nationalen Gedächtnisses ist, dass dann seine politische Position ebenfalls betroffen sein würde.“

‘Der Mann, der neben Dr. Bader sitzt…’

Und so weigerte sich Ben Gurion, Menachem Begins Namen in Knessetdebatten auszusprechen und bezeichnete ihn hartnäckig als „der Mann neben Dr. Bader [einem anderen, weniger prominenten, Knessetmitglied der Herut].“ Seine Feindschaft zu seinen ideologischen revisionistischen Gegnern war ihm so im Blut, dass er sich weigerte, die Überreste von Ze’ev Jabotinsky, Gründer der revisionistischen Bewegung und einem hervorragenden Zionistenführer und Intellektuellen, der im Jahre 1940 starb, aus New York herbringen zu lassen für ein Begräbnis in Israel. Erst nachdem Ben-Gurion im Jahre 1963 aus dem Amt gegangen war, gab die Regierung nach und Jabotinsky und seine Frau Hanna Markowna Halpern, wurden am Berg Herzl in Jerusalem erneut beigesetzt.

Ausserdem, wie Prof. Jonathan Mendilow in seiner Schrift Ideologie, Parteiänderung, und Wahlkampagnen in Israel ausführt, „um Herut zu stigmatisieren könnte Mapai seine Kontrolle über den Staatsapparat nutzen … Herut-Mitgliedern wurde der Zugang zu den höchsten bürokratischen und militärischen Positionen verweigert.“

Wohl die ärgerlichste Form der Marginalisierung war die Entscheidung Ben-Gurions, die gefallenen Soldaten der vorstaatlichen Untergrundorganisationen mit den Revisionisten, die Irgun und Lehi (Sterngruppe), die für die Unabhängigkeit Israels gekämpft hatten, von offiziellen Gedenkfeiern auszuschliessen, und ihren Familien Leistungen zu verweigern, die für Familien der Mitglieder der Mapai-dominierten Hagana vorgesehen waren.

Ausserdem, wie Prof. Lebel herausstreicht, sind nationale Denkmäler ein wichtiger Faktor bei der Schaffung von nationalem Gedächtnis.

Für Irgun und Lehi-Mitglieder waren solche Denkmäler von grosser Bedeutung, aber, so sagt uns Lebel, vereitelte der Staat private Bemühungen, sie zu bauen. „Nur in den Städten, die nicht von Labor Mitgliedern kontrolliert wurden, konnten solche Denkmäler vor Ort gebaut werden.“

Erst im Jahre 1977, mit dem Aufstieg des Likud an die Macht, wurden die Unterschiede zwischen den gefallenen Krieger vor der Unabhängigkeit beseitigt, und Irgun und Lehi-Mitglieder wurden in das nationale Pantheon aufgenommen.

Stalinistische Wurzeln & totalitäre Strenge

Journalist Amnon Lord, ehemals linker Unterstützer von Peace Now, hat auf der Grundlage seiner persönlichen Erfahrung und Enttäuschung umfangreich über die stalinistischen Wurzeln und totalitäre Steifigkeit des Grossteils der israelischen Linken geschrieben.

In einem Kommentar von vor einigen Jahren („Über das Verräter-Sein“, Jerusalem Post, 11. März 2004) schreibt er über die Kontrolle des Diskurses der linksdominierten Eliten – trotz des Volkswillens: „Wir haben den Punkt erreicht, wo jemand, der in irgendeiner Weise mit der „Rechten“ gleichgesetzt wird, sich nicht an einer öffentlichen Debatte beteiligen kann.

Die Definition von einer Person oder Position als „rechtsgerichtet“ verschiebt ihre Argumente automatisch ausserhalb der Grenzen des öffentlichen Diskurses. Eine seltsame Situation in einem Land, in dem nur eineinhalb Jahre zuvor die Rechtsparteien eine überwältigende Mehrheit errangen … “

Er charakterisiert die Pathologie, die seit der traumatischen Wahlniederlage der Linken im Jahre 1977 zu einem grossen Teil, die kollektive Psyche eingenommen hat, ihre verstockte Feindschaft nach rechts, und ihre geringe Rücksicht auf demokratische Ergebnisse: „Die Rechte ist der Feind und wenn die Rechte das israelische Volk ist, dann zu schade.“

Dies wurde krass vorgeführt in der Nacht von jener schicksalhaften Wahl durch den damals ikonischen, durchs Feuer gegangenen, sieben Mal Knessetmitglied der Labor und Gewerkschaftsführer Yitzhak Ben-Aharon, der Teil eines Fernsehspanels war, das die Abstimmungsresultate kommentierte. Als er die Abschlussergebnisse hörte, die die Niederlage seiner Partei voraussagten, reagierte er instinktiv und rief: „Wenn das der Wille des Volkes ist, dann akzeptiere ich ihn nicht.“ (Er wird auch weithin zitiert mit: „Wenn das der Wille des Volkes ist, dann müssen wir das Volk ersetzen. „)

Die Geringschätzung selbsternannter Eliten für die ‘Plebejer’

Es ist dieses Gefühl der selbstzugeschriebenen Überlegenheit und des Elite-Anspruchs, das eine verächtliche Missachtung der vox populi produziert, in der kaum Wert auf die kollektive Meinung der plebejischen Öffentlichkeit gegeben wird. In der Tat, solange die Öffentlichkeit die politischen Rivalen der Linken unterstützt, dient das dazu, die Wahrnehmung der Linken zu bekräftigen, dass die kollektive Meinung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen verdient.

Doch ein anderer heimtückischer Prozess begann ebenfalls.

Als Labor und seine linken Verbündeten vehement die Begin-geführte Likud verteufelten, mussten sie sich deutlich von der Politik ihrer verachteten Gegner distanzieren. Doch wie sich herausstellte, war diese nicht so verschieden von derjenigen der vorherigen Labour-Regierung. Schliesslich war es Labor, die die Siedlungstätigkeit in Judäa-Samaria und Gaza ins Leben gerufen hatte, die vehement gegen Verhandlungen mit Arafats PLO gewesen war; sich hartnäckig geweigert hatte, eine palästinensische Nation anzuerkennen oder die Gründung eines palästinensischen Staates zu unterstützen.

Entsprechend, um sich von der politischen Rechten abzusetzen, fand sich die politische Linke dazu gezwungen, zunehmend radikale Positionen einzunehmen, die sie zuvor abgelehnt hatte.

Und so, gefangen im Netz der eigenen Rhetorik, trieb Labor mehr und mehr nach links und gab den robusten, sich durchsetzenden „Aktivismus“ auf, der die Politik vor 1977 charakterisiert hatte, die sie während beinahe vier Jahrzehnten zur dominierenden politischen Kraft gemacht hatte.

Während ihre Attraktivität für die Wählerschaft schrumpfte und ihre politische Wirkung erodierte, fiel die Linke zurück auf ihre Zentren der sozialen Kontrolle – ausgewählten Gruppen der zivilen sozialen Elite, deren Macht ihren representativen Bevölkerungsanteil weit überstieg.

Letzte Überreste der Macht

Als Resultat der jahrzehntelangen hegemonialen Kontrolle über einen grossen Teil des Apparates der Zivilgesellschaft des Landes (zu keinem kleinen Teil bedingt durch „Ben Gurions Genius in der Kulturtechnik“ einerseits, und der Unfähigkeit der Rechten andererseits), fuhr die Linke weiter, diese kleinen, aber äusserst einflussreichen Eliten zu dominieren.

Jedes Mal, wenn die Rechte versuchte, neue Massnahmen einzuführen – egal wie sensibel und demokratisch auch immer – um irgend einen Teil des zivilen Gesellschaftsestablishments zu reformieren, das die Linke als ihren letzten Rückzugsort der Macht betrachtete, so traf sie auf verbissenen Widerstand und wurde massiv verunglimpft als schwerer Schaden für die Demokratie, sie würde die zivilen Rechte gefährden und die Meinungsäusserungsfreiheit bedrohen.

Das war der Fall, als, angesichts erodierender öffentlicher Glaubwürdigkeit der Gerichte, die Rechte versuchte, Massnahmen einzuführen, um eine bessere Auswahl der Richter zu gewährleisten. Das war der Fall, als angesichts wachsender öffentlicher Sorge betreffs der Finanzierung öffentlicher partisanen-NGOs (lies „radikal links“) durch ausländische Regierungen, deren nationale Interessen ganz klar verschieden sind von denjenigen Israels, die Rechte darauf hinarbeite, Massnahmen zur Schaffung grösserer Transparenz über deren Finanzierung zu ergreifen.

Die Qatarische Alternative?

Genauso wie es absurd war, Initiativen, die grössere Offenheit und grössere Transparenz forderten, als Bedrohung für die Demokratie und der individuellen Freiheit zu brandmarken, genauso ist es der Lärm über die Forderung, dass Israel Organisationen, Aktivitäten und Individuen finanzieren müssen, die seine Delegitimierung und Strafmassnahmen gegen sich selbst und seine Bürger fördern – wer würde denn erwarten, dass er seinen eigenen ökonomischen Untergang mit seinen hartverdienten Steuern bezahlen soll! Echt jetzt? Schliesslich ist die Verpflichtung zu den Prinzipien der Demokratie keine Selbstmordaufgabe.

Die Absurdität vertieft sich, wenn man realisiert, dass Regevs Vorschlag nicht darum geht, die Ansichten, die sich von ihren unterscheiden oder ihnen widersprechen, zum Schweigen zu bringen. Sie erklärt ganz einfach, dass die gewählte Regierung, die Auswählen muss, wie sie die ihr zur Verfügung stehenden begrenzten finanziellen Mittel einsetzt, keine Aktivitäten finanzieren wird, die ihrer Meinung nach – und nach der ihrer Wähler – bewusst dem Land schaden wollen. Nirgendwo schlägt sie vor, dass die Organisationen/Individuen, die nun unter Geldmangel leiden, keine alternativen Geldquellen suchen sollen – von denen einige bereits gedroht haben, auf Qatar zuzugehen, einem der wichtigsten Geldgeber der Hamas.

Hmm. Könnte es sein, dass Regev einen Punkt hat?

Regev als Poster-Girl für die Linke?

Um die Wahrheit zu sagen, Regev ist nicht wirklich nach meinem Geschmack. Ich fand ihre abwertenden Bemerkungen oft etwas krass, ihre Rhetorik etwas rau, und ihr Verhalten etwas gar brüsk. Aber auf mannigfaltige Weise könnte sie von der liberalen Linken umarmt werden als Verfechterin der sozio-kulturellen Werte, die sie doch so sehr propagieren: Kulturelle Diversität; Gleichheit der Geschlechter; Stärkung der Frauen – besonders in männer-dominierten Umgebungen; Entwicklung der Peripherie und so weiter.

Schliesslich stammt Regev aus einer peripheren Stadt im Süden – Kiryat Gat – ist von östlichem (marokkanischem) Ursprung, hat einen Masterabschluss, hat sich durch die Reihen der männer-dominierten IDF gearbeitet und den Rang eines Brigadegenerals erreicht und war IDF-Sprecherin.

Doch nichts von alledem kann sie davor bewahren, von vielen der in der Nation bestbekannten kulturellen Ikonen attackiert zu werden. Ihre falkenhaften politischen Ansichten, die sich von jenen der taubenhaften Linken unterscheiden, versetzen sie in das bleiche, üble Spiel, mit den unanständigsten, unkultiviertesten Begriffen lächerlich gemacht zu werden.

Um jeden Zweifel darüber, dass der Disput um Politik geht und nicht um Kultur, zu zerstreuen, biete ich Ihnen die Worte der Theaterdirektorin Ofira Henig an. Nach der Aussage, dass sie nicht mit Minister Regev im selben Zimmer sein möchte, deklarierte Henig: „Im künstlerischen Schaffen gibt es keine roten Linien, nur eine grüne Linie [die vor-1967-Waffenstillstandslinie], die wir nicht überschreiten dürfen.“

In anderen Worten, kulturelle Diversität kann und soll alles umfassen, ausser der Idee jüdischer Präsenz in der Wiege der jüdischen Zivilisation.

Ich lasse meinen Fall ruhen.


Martin Sherman (www.martinsherman.net) ist der Gründer und leitender Direktor des Israel Institute für strategische Studien. (www.strategicisrael.org)

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