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Der neue Nahe Osten

Caroline Glick, 29.9.2016, JPost

Obama lässt also Syrien brennen. Er ließ zu, dass der Iran und die Hisbollah das Land in ihre Kolonie verwandeln. Und er ließ zu, dass Putin das Mittelmeer in einen russischen See verwandelt.

Ein Mitarbeiter des ROTEN HALBMONDS inspiziert verstreute medizinische Hilfsgüter nach einem Luftangriff auf ein medizinisches Depot in Aleppo am Samstag. (Foto: REUTERS)

Ein neues Syrien ist im Entstehen. Und mit ihm präsentiert sich ein neuer Naher Osten und eine neue Welt. Unsere neue Welt ist keine friedliche oder stabile. Sie ist ein rauher Ort.

Das neue Syrien wird in den Trümmern von Aleppo geboren.

Die Ostseite der Stadt, die seit 2012 unter der Kontrolle der US-unterstützten Rebellengruppen gewesen ist, wird von russischen und syrischen Flugzeugen in die Steinzeit bombardiert.

Alle Fluchtwege wurden gesperrt. Ein UNO-Hilfskonvoi wurde unter Verletzung eines Fantasie-Waffenstillstands bombardiert.

Medizinische Einrichtungen und Personal werden von russischen und syrischen Raketen und Fassbomben gezielt anvisiert, um das Überleben zu verunmöglichen.

Es ist schwierig zu beurteilen, wie lange die Belagerung des östlichen Aleppo durch Russland, seinen Iran- und Hisbollah-Partnern und ihrer syrischen Regimepuppe dauern wird. Aber was bereits jetzt ausgemachte Sache ist, dass das östliche Aleppo fallen wird. Und mit seinem Fall festigt die russisch-iranisch-hisbollah-Assad-Achse die Kontrolle über das ganze westliche Syrien.

Vier Jahre lang spielten die Iraner, die Hisbollah und Bashar Assad ein Katz- und Maus-Spiel mit den Rebellenmilizen.

In einem Guerillakrieg mit Hilfe der sunnitischen Bevölkerung konnten die Anti-Regime-Milizen aus der Zivilbevölkerung heraus kämpfen und sich darin verstecken. Folglich waren sie unmöglich zu besiegen.

Als der russische Präsident Wladimir Putin in den Kampf eintrat, erkannten er und seine Generäle bald, dass diese Art zu kämpfen einen ewigen Krieg gewährleistet. Deshalb änderten sie die Taktik. Die neue Strategie beinhaltet die Beschleunigung der Entvölkerung und ethnischen Säuberung der von den Rebellen kontrollierten Gebiete. Die massiven Flüchtlingsströme aus Syrien im vergangenen Jahr sind ein Beweis für den Erfolg des barbarischen Kriegsplans. Die Idee ist es, die Rebellen zu besiegen, indem die schützende Zivilbevölkerung besiegt wird.

Seit der syrische Krieg vor fünf Jahren begann, ist die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung von 23 Millionen vertrieben worden.

Sunniten, die vor dem Krieg 75% der Bevölkerung ausmachten, werden gezielt für Tod und Exil ausgewählt. Mehr als 4 Millionen überwiegend sunnitische Syrer leben in der Türkei, im Libanon und in Jordanien. Mehr als eine Million haben Europa betreten. Weitere Millionen wurden innerhalb des Landes Vertriebene. Assad hat deutlich gemacht, dass sie nie mehr nach Hause kommen werden.

Gleichzeitig haben das Regime und seine Iran- und Hisbollah-Meister Schiiten aus dem Iran und dem Irak und darüber hinaus importiert. Der Prozess begann eigentlich schon vor dem Beginn des Krieges. Im Vorfeld des Krieges sind angeblich etwa eine halbe Million Schiiten aus den umliegenden Ländern nach Syrien umgezogen.

Dies bedeutet, dass zumindest so weit es das westliche Syrien betrifft, wenn Aleppo einmal zerstört ist, und die 250.000 im östlichen Teil der einstigen Handelskapitale Syriens gefangenen Zivilisten aus ihren Häusern und Eigentum gezwungen sind, die Russen, die Iraner, die Hisbollah und ihr syrisches Feigenblatt Assad relativen Frieden in ihren Kontrollbereichen genießen werden.

Mit der Aufnahme einer Strategie des totalen Krieges sorgte Putin dafür, dass weit entfernt davon, zu dem Morast, den Syrien werden würde, wie ihn Präsident Barack Obama gewarnt hatte, der Krieg in Syrien stattdessen ein Mittel geworden ist, Russland zur dominierenden Weltmacht im Mittelmeer zu verwandeln, auf Kosten der USA.

Im Gegenzug dafür, Assads Hals zu retten und zu erlauben, dass Iran und Hisbollah Syrien kontrollieren, hat Russland erfolgreich die Fähigkeit erhalten, die Macht der USA herauszufordern. Im vergangenen Monat hat Putin eine Vereinbarung mit Assad vor die Duma gebracht zur Ratifizierung. Die Vereinbarung erlaubt – in der Tat lädt dazu ein – Russland eine ständige Luftwaffenbasis in Khmeimim aufzubauen, außerhalb des zivilen Flughafens in Latakia.

Russische Politiker, Medien und Sicherheitsexperten haben damit geprahlt, dass die Basis in der Lage sein wird, die Macht der Sechsten Flotte der US-Navy zu kontrollieren und die Südflanke der NATO im Mittelmeerraum zum ersten Mal herauszufordern. Die Russen haben auch beschlossen, ihre Marinestation in Tartus zu etwas zu machen, das einem vollwertigen Marinestützpunkt näher kommt.

Mit Russlands jüngster Annäherung an den türkischen Präsidenten Recep Erdogan ist die Zukunft der Fähigkeit der NATO, die russische Macht durch die Luftwaffenbasis Incirlik zu kontrollieren, in Frage gestellt.

Selbst Israels Fähigkeit, den USA Zugang zu seinen Luftbasen zu erlauben, ist nicht mehr gewährleistet. Russland hat Luftstreitkräfte nach Syrien verlegt, die Israels regionale Luftüberlegenheit kompensiert haben.

Unter diesen Umständen, in einer hypothetischen russisch-amerikanischen Konfrontation, kann es sein, dass Israel nicht bereit ist, russische Vergeltung zu riskieren für eine Entscheidung, den USA zu ermöglichen, ihre Luftstützpunkte gegen Russland zu nutzen.

Amerikas Verlust der Kontrolle über das östliche Mittelmeer ist eine selbst verursachte Katastrophe.

Seit vier Jahren, während Putin an der Seitenlinie stand und seine Wetten absicherte, tat Obama nichts. Da der Iran und die Hisbollah massive finanzielle und militärische Mittel einsetzten, um die Puppe Assad an der Macht zu halten, verschleuderte die Obama-Regierung Chance um Chance, das Regime zu Fall zu bringen und Irans regionalen imperialen Vormarsch einzudämmen.

Für seine Weigerung, Maßnahmen zu ergreifen, als solche Maßnahmen leicht hätten ergriffen werden können, teilt Obama die Verantwortung für das, was aus Syrien geworden ist. Dieser Sachverhalt ist umso ärgerlicher, weil die harte Wahrheit ist, dass es nicht schwer gewesen wäre für die USA, die Iran-Hisbollah-Achse zu besiegen. Die Tatsache, dass es den Anti-Regime-Kräften selbst ohne US-Hilfe gelang, sich vier Jahre lang zu halten, zeigt, wie schwach die Herausforderung durch Iran und Hisbollah tatsächlich war.

Russland ging erst nach Syrien, als Putin absolut überzeugt war, dass Obama nichts tun würde, ihn daran zu hindern, Amerika als die weltweit führende Macht in der Region zu verdrängen.

Wie Michael Ledeen Anfang diese Woche erinnerte, entschied sich Obama dafür, in Syrien am Rand zu stehen, weil er sich mit dem Iran anfreunden wollte. Obama begann seine geheime Balz um die Mullahs, noch bevor er offiziell sein Amt antrat vor acht Jahren.

Als der Krieg in Syrien ausbrach, in der Mitte seiner ersten Amtszeit und in den folgenden Jahren, sagten die Russen und die Iraner dem besessenen amerikanischen Präsidenten, wenn er Maßnahmen gegen Assad ergreife, wie es die strategische Rationalität diktierte, dann würde er kein Atomabkommen bekommen und keine Annäherung an Teheran.

Also ließ Obama Syrien brennen. Er ließ zu, dass der Iran und die Hisbollah das Land in ihre Kolonie verwandelten. Und er ließ Putin das Mittelmeer in einen russischen See verwandeln. Obama ermöglichte die ethnische Säuberung der sunnitischen Mehrheit Syriens, und daher erleichterte die Flüchtlingskrise, die das Gesicht nicht nur des Nahen Ostens, sondern auch von Europa verändert.

Und wie sich herausstellt hat das Abkommen mit dem Iran, das zu erreichen Obama bereitwillig die US-Kontrolle über das Mittelmeer opferte, nicht zu einer neuen Ära der regionalen Mäßigung und Stabilität durch Beschwichtigung geführte, wie Obama wünschte. Es hat vielmehr die Glaubwürdigkeit der USA für seine verschmähten sunnitischen Verbündeten ramponiert. Es hat die strategische Position von Israel, dem einzigen stabilen und zuverlässigen regionalen Verbündeten der USA untergraben. Es hat finanziell und strategisch Irans hegemonialen Aufstieg in der gesamten Region geschürt. Und es hat die Entwicklung eines nuklearen Arsenals des Irans erleichtert.

Weit davon entfernt, die Iraner moderater zu machen, hat das Atomabkommen das Regime noch weiter radikalisiert.

Am Mittwoch schrieb Ray Takeyh in der Washington Post, dass der Oberste Führer Ali Khamenei jetzt Ibrahim Raisi fördert, ein Fanatiker, der Khamenei moderat aussehen lässt, um ihn an der Macht zu beerben.

Am Montagabend sind zum ersten Mal über Syrien fliegende Jets der Israel Air Force von syrischer Flak-Artillerie beschossen worden.

Luftwaffensprecher sagten den Medien, dass die Flugzeuge nie in Gefahr gewesen seien und dass die Munition erst abgeschossen worden war, nachdem die Flugzeuge nach Israel zurückgekehrt und am landen waren.

Die Tatsache, dass niemand verletzt wurde, ist natürlich beruhigend.

Aber die Tatsache, dass Russland die Flugzeuge anvisierte macht deutlich, dass sich Putin dafür entschieden hat, eine sehr klare und bedrohliche Nachricht an Israel zu senden.

Er ist jetzt der Beschützer der Iran-Hisbollah-Kolonie an unserer nördlichen Grenze. Wenn Israel präventiv entscheidet, Ziele in dieser Kolonie anzugreifen, wird Russland nicht tatenlos zusehen. Und da die USA nicht mehr gut positioniert sind, um die russische Macht in der Region herauszufordern, wird Israel mit Russland selber umgehen müssen.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, muss Israel über seine traditionelle Abhängigkeit von der Lufthoheit hinausblicken.

Diese Herausforderung ist zweigeteilt. Der erste Teil ist der Iran.

Soweit es Israel betrifft, so ist das Problem mit der russisch- iranischen Übernahme von Syrien nicht Putin.

Putin ist nicht von Natur aus feindlich eingestellt gegenüber Israel, wie es seine sowjetischen Vorgänger waren. Er ist ein Opportunist. Obama gab ihm die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit dem Iran, um die russische Dominanz im Nahen Osten zu behaupten und er ergriff sie. Israel wird von der Allianz bedroht, weil es durch den Iran bedroht wird, nicht von Putin. Um die Bedrohung der Allianz für ihre eigene Sicherheit zu neutralisieren, muss Israel Irans Macht dämpfen, und es muss seine eigene herausstreichen.

Um diese Ziele zu erreichen, muss Israel in zwei völlig getrennten Arenen auftreten. Um den Iran zu schwächen, sollte Israel sein Wissen über die iranischen Revolutionsgarden und den erfolgreichen militärischen Beziehungen zu den Kurden im Irak in den 1960er und 1970er Jahren aus seiner eigenen Vergangenheit hervornehmen.

Israel muss militärische Trainer über seine Grenzen hinaus verlegen, um mit anderen anti-iranischen Kräfte zusammenzuarbeiten. Das Ziel dieser Zusammenarbeit muss es sein, das Regime zu destabilisieren, mit dem Ziel, es zu stürzen. Dies kann einige Zeit dauern. Aber es muss getan werden. Der einzige Weg, um die Gefahr zu neutralisieren, die vom neuen Syrien ausgeht, ist die Natur des iranischen Regimes zu ändern, die es kontrolliert.

Was Russland betrifft, muss Israel zeigen, dass es eine Macht ist, die Putin aus sich heraus respektiert, und nicht nur eine kleine Fingerpuppe Washingtons ist.

Zu diesem Zweck sollte Israel einen raschen Ausbau seiner zivilen Präsenz entlang der östlichen Grenze mit Syrien und Jordanien beginnen. Obwohl die russische Luftwaffenpräsenz in Syrien Israels Lufthoheit und die Abhängigkeit von der Luftstreitmacht gefährdet, muss Israel zeigen, dass es nicht zurückweicht oder zulässt, dass sein eigenes Gebiet in irgendeiner Weise bedroht wird. Durch die Verdoppelung der israelischen Bevölkerung auf den Golanhöhen innerhalb von fünf Jahren und einer beträchtlichen Ausweitung ihrer Bevölkerung im Jordantal wird Israel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es wird seine Unabhängigkeit von den USA demonstrieren, ohne strategischen Interessen der USA zu schaden. Und es wird seine Ostgrenze gegen erweiterte strategische Bedrohungen sowohl von den Golanhöhen als auch aus dem neuen Jordanien mit seiner überquellenden neuen Bevölkerung von syrischen und irakischen Flüchtlingen verstärken.

Welche Ironie, dass der neue Nahe Osten in den Fokus gerät, als Shimon Peres, der gescheiterte Visionär eines auf Fantasie basierten neuen Nahen Ostens, zur Ruhe gebettet wird. Aber um im realen neuen Nahen Osten zu überleben, muss Israel mit ihm zusammen Peres‘ Glauben begraben, dass Frieden durch Beschwichtigung der Feinde gebaut wird. Die Welt, in der wir leben, hat einen Platz für Träumer.

Doch Träume, entkoppelt von der Realität, führen nach Aleppo, nicht zum Frieden.

www.CarolineGlick.com

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