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Mit solchen ‚Zionisten‘, wer braucht da noch Feinde?

Kommentar: Wenn Gift regelmässig in die Adern injiziert wird – dass Israel das Deutschland der 1930er Jahre sei, dass Israel ein Apartheidstaat sei, dass Israel einen Boykott verdient habe, dass die Menschen für die arabische Listenverbindung stimmen sollten, die den Zionismus verweigert – dann ist das Ergebnis, dass der Terror gerechtfertigt ist, und es gibt ihn nur wegen Israel.

Ben-Dror Yemini, 1.5.2017, Y-Net-News

Szene des ISIS-Terrorangriffs in Istanbul. Die Türkei unterstützt die Hamas, doch ist sie von Terror betroffen. Laut Schocken ist Erdoğan anscheinend auch ein Zionist (Foto: Reuters)

Vor ein paar Tagen hat der Ha’aretz-Verleger Amos Schocken getweetet, dass es eine Verbindung gebe zwischen „islamischem Terror in Europa und europäischer Unterstützung für den Zionismus seit mehr als 100 Jahren“. Er erklärte weiter, dass es für Terroristen „wichtig“ sei, Europas angeblich pro-zionistischen Ansatz „auszugleichen“ und dass die Terroristen „dazu beitragen, dies zu tun“.

Wie nett von ihnen. Alles was sie wollen, ist eine gerechtere Politik, die nur ein wenig weniger zionistisch ist. Und während es stimmt, dass die Europäer unzählige anti-zionistische NGOs finanzieren und während diese schreckliche Propaganda und diese „Ausgleichsaktivitäten“ zahlreiche unschuldige Opfer das Leben kostet, ergeht sich Schocken in Rechtfertigungen.

Wir könnten diese Kommentare einfach verwerfen. Wir könnten argumentieren, dass der Ha’aretz-Verlag entgleist ist. Die Sache ist jedoch die, dass verrückte Meinungen das Produkt eines konstanten und regelmäßigen Konsums von selbst gemachtem ideologischem Junk-Food ist. Wenn das Gift regelmässig in die Adern injiziert wird, routinemässig, gewohnheitsmässig -, dass Israel dem Deutschland der 1930er Jahren ähnelt, dass Israel ein Apartheidstaat sei, dass Israel es verdiene, boykottiert zu werden, dass die Menschen die anti-zionistische Listenverbindung wählen sollten – dann ist das Ergebnis, dass Terrorismus gerechtfertigt wird, und dass alles wegen Israel ist.

Das ist kein Ausrutscher; es ist eine gut organisierte Doktrin. In der Vergangenheit tweetete Schocken, dass „der Kolonialismus gezeigt hat, dass es keine Freiheit gibt für die Besetzten und die Enteigneten außer dem Weg des Terrors.“ Freiheit? Die Palästinenser haben jeden einzelnen Friedensvorschlag abgelehnt, der ihnen einen Staat gegeben hätte und stattdessen Terrorismus gewählt. Die Täter des Terrors sind keine Friedensaktivisten. Sie suchen kein Ende der Besetzung. Sie suchen die Zerstörung Israels. Aber sorge dich nicht: Sie haben immer die Schockens, um Rechtfertigungen zu finden.

Die Zeitung und ihr Verleger haben ein tiefes Problem mit dem Zionismus. Erst letzte Woche prangte auf der Frontseite desselben Papieres ein Bericht über die „Auswanderung der Juden nach Israel“. Auswanderung – nicht Einwanderung oder Aliyah.

Das ist kein offener Brief an Schocken. Das wäre Zeitverschwendung. Ich schreibe das an diejenigen, die ihren Verstand noch nicht verloren haben wie Schocken, sondern die sich sagen, dass vielleicht, nur vielleicht, etwas dran ist an dem, was er sagt. Dieser Dschihad, der auf Stockholm und Nizza, Brüssel und Paris zielt, ist vielleicht das Ergebnis der europäischen Unterstützung des Zionismus. Vielleicht ist es wirklich ein unbesiegbarer Drang, den jeder aufgeklärte Mensch verstehen und vielleicht sogar rechtfertigen muss. Schließlich ist Schocken nicht allein. Er hat Tausende an seiner Seite, Mitglieder der „Kräfte des Fortschritts“, die ähnliche Ideen verbreiten.

Nun, um der anderen willen, die noch offen sind für Tatsachen, sollten wir darauf hinweisen, dass der Dschihad – in seiner neuen Form – das Ergebnis einer jahrelangen Investition in die islamistische Erziehung ist. Pakistan und Afghanistan waren in den sechziger und siebziger Jahren keine aufgeklärten und liberalen Länder, doch Fotografien aus jenen Jahren präsentierten Frauen in westlicher Kleidung, ohne Burka und sogar ohne Hijab, die an öffentlichen Orten promenierten. Das ist nicht mehr der Fall. Alles hat sich geändert. Es geschah, weil in den 1970er und 1980er Jahren eine riesige Menge saudischen Kapitals floss, um ein Netzwerk islamischer Schulen oder Madrasas zu schaffen. 1971 gab es in Pakistan 900 Madrasas. Einige Jahre später gab es bereits 8.000 offizielle Madrasas und 25.000 unregistrierte, wie Prof. Vali Nasr von der Johns Hopkins School of Advanced International Studies in seiner Forschung erarbeitet hat.

Das enorme Projekt war ein Erfolg. Die Madrasa-Absolventen wurden die Soldaten des Dschihad. Sie waren nicht die Mehrheit. Immerhin geht es nie um die Mehrheit. Aber sie setzen den Massstab. In einem frühen Stadium halfen sogar die Vereinigten Staaten ihrer ersten Reinkarnation, den Mudschaheddin, die gegen die russische Besetzung agierten. Es gab auch riesige saudische Investitionen in Afrika und in Moscheen in ganz Europa. Aber die Situation geriet ausser Kontrolle. Saudi-Arabien hat heute mehr Angst vor dieser Situation als vor seinem größten Feind, dem Iran.

Die Muslimbruderschaft, die Ägypten das antat, was Saudi-Arabien mit Afghanistan und Pakistan anstellte, war auch im Hintergrund. Ihr Hauptideologe Sayyid Qutb war bekannt für seinen tiefen Hass gegen den Westen, den er als „das absolut Böse“ betrachtete, zusammen mit den Juden (er schrieb einen antisemitischen Aufsatz mit dem Titel „Unser Kampf gegen die Juden“). Die Ideen von Qutb wurden in die Gründung der Hamas und dem von Osama bin Laden gegründeten Dschihad eingebunden.

Diese Ideen wurden auch im Westen verbreitet. Großbritannien schuf aus Goodwill ein Netzwerk von „Zentren für islamische Studien“ in einem Versuch, die muslimischen Studenten zu mäßigen. Prof. Anthony Glees von der Universität Buckingham entdeckte, dass die Saudis diesen Zentren 233 Millionen Dollar eingeflößt hatten. Das Ergebnis, schrieb Glees, ist die Radikalisierung der jungen Muslime in Großbritannien. Milliardär Waleed bin Talal spendete £ 8 Millionen an ein islamisches Zentrum an der Universität Oxford, 20 Millionen Dollar an Harvard, 20 Millionen Dollar an die Georgetown Universität und an andere akademische Zentren – für ähnliche Zwecke. Die Ergebnisse sind beängstigend. Verschiedene Umfragen haben gezeigt, dass die Studentengeneration immer radikaler wird.

Ich kann die Liste verlängern. Ich bezweifle, dass es eine einzige Dschihad-Bewegung in der Welt gibt, die sich nicht vor dem Hintergrund saudischen Kapitals und Bildung entwickelt hat. Schocken aber wird mit dem Finger auf den Zionismus zeigen.

Die Terroristen – unabhängig davon, ob es sich um Menschen handelt, die in Moscheen erzogen wurden oder um Kleinkriminelle, die Islamisten wurden, vor allem im Brutkasten der französischen Gefängnisse – streben nicht nach Freiheit oder Gleichheit. Sie sind nicht gegen den Westen wegen dem, was er tut, sondern wegen dem, was er ist: demokratisch, frei, liberal. Sie wollen nicht, dass Europa „ausgeglichener“ wird. Sie wollen ihr unaufgeklärtes Regime an jedem Ort errichten, auf den sie Fuss setzen. Ihre Massaker richten sich hauptsächlich gegen Muslime. Es ist eine „Industrie des Todes“, wie der Titel eines Artikels von Muslimbruderschafts-Gründer Hassan al-Banna sagt. Jeder Ort, der von Zellen des radikalen islamischen Krebses erreicht wird – von Libyen bis Nigeria, vom Irak bis Syrien und Somalia und Gaza – ist ein Ort, an dem Zerstörung, Tod und Ruinen sind. Das gilt auch für die Türkei, die immer muslimischer wird. Sie unterstützt die Hamas, doch sie ist von Terror betroffen. Laut Schocken ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan anscheinend auch ein Zionist. Wieso haben wir das nicht gewusst?

Unter den Muslimen selbst gibt es eine heftige Diskussion zwischen den Moderaten und den Radikalen. Die Moderaten sind gegen jegliches Verständnis oder Rechtfertigung von Gewalt und Terror. Sie sind diejenigen, die einen bedeutenden Teil von dem enthüllt haben, was ich hier geschrieben habe. Die Schockens stellen sich zu den Radikalen. Die Moderaten sind für die Annahme von universellen Werten. Die Radikalen bestehen auf einer nicht aufgeklärten Welt. Die Schockens liefern ihnen Rechtfertigungen.

Die Idealisierung des Dschihad ist eine Immunschwäche der freien Welt. Der Führer der britischen Arbeiterpartei hat die Hamas und die Hisbollah zu seinen Freunden gemacht, die feministische Frauenbewegung Code Pink traf sich mit hochrangigen Mitgliedern der Hamas und den Taliban (eine Bewegung, die muslimische Frauen, die eine Ausbildung suchen, ermordet) und der jüdisch-amerikanische Linguist Noam Chomsky besuchte das Hauptquartier der Hisbollah und traf sich mit Hassan Nasrallah. Das interessante daran ist, dass der rechtsgerichtete rassistische David Duke, ein ehemaliger Führer des Ku Klux Klans, Worte schrieb, die fast identisch sind mit jenen der Unaufgeklärten auf der linken Seite: „ISIS-Horror, der von der zionistischen Hegemonie geschaffen wurde.“ Diese beiden einander scheinbar entgegengesetzten Ideologien treffen am Ende immer wieder aufeinander.

Wir waren schon früher in dieser Situation. Die Unaufgeklärten der Vergangenheit – ja, die Nazis – gaben den Juden die Schuld für die Schwierigkeiten Europas. Das war der alte Antisemitismus. Die heutigen Unaufgeklärten, meist auf der linken Seite, argumentieren, dass der jüdische Staat ebenfalls für die Schwierigkeiten Europas verantwortlich ist. Das ist der neue Antisemitismus. Schocken, so könnte ich hinzufügen, definiert sich selbst als Gegner des Terrorismus und als „Zionist“. Und mit „Zionisten“ wie ihm, wer braucht da noch Feinde?

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