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Europas Antiimmigrationsparteien akzeptieren

Daniel Pipes, 30.11.2017, The Washington Times
Aus dem Englischen von H. Eiteneier, auf Deutsch bei de.danielpipes.org

In einer typischen Bewertung der jüngsten Wahlen in Europa schreibt Katy O’Donnell in Politico: „Nationalistische Parteien haben jetzt überall von Italien bis Finnland einen Fuß in der Tür, wecken Ängste, dass der Kontinent in die Art von Politik zurückmarschiert, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Katastrophe führte.“ Viele Juden, so auch Menachem Margolin, Leiter der European Jewish Association, drücken auch diese Angst aus; er sieht „eine sehr reale Bedrohung, die von populistischen Bewegungen quer durch Europa ausgeht.“

Von allen Ländern wecken Österreich und Deutschland als Heimatländer der Nazis natürlich die meisten Sorgen. Der steigende Erfolg der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Alternative für Deutschland (AfD) mit 26 bzw. 13 Prozent Stimmenanteil hat sie beide zu wichtigen politischen Akteuren gemacht und Beobachter erschreckt. So bezeichnet Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel die AfD als „echte Nazis“. „Ein wahr gewordener Albtraum“, sagte Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Haben sie recht damit, dass wir in die 1930-er Jahre zurückfallen? Oder könnte dieser Aufstand im Gegenteil ein gesundes Mittel für die Europäer andeuten, um ihre Lebensweise und Kultur zu schützen? Ich vertrete Letztes.

Zum Ersten sind diese Parteien keine Nationalisten alter Schule; sie rühmen sich weder britischer imperialer Macht noch deutscher Stammbäume. Stattdessen haben sie eine europäische und westliche Einstellung; um einen Begriff dafür zu prägen: Sie sind Zivilisationisten. Zweitens sind sie defensiv, darauf konzentriert die westliche Zivilisation zu verteidigen statt sie zu zerstören, wie es die Kommunisten und Nazis sich erträumten oder sie auszudehnen, wie es die französische Regierung lange versuchte. Sie streben nicht nach Eroberungen, sondern sichern das Europa von Athen, Florenz und Amsterdam. Drittens können diese Parteien nicht rechtsextrem genannt werden, weil sie eine komplexe Mischung aus Rechts (Kultur) und Links (Wirtschaft) anbieten. Marine le Pens Front National zum Beispiel fordert, dass französische Banken verstaatlicht werden und sind damit für Unterstützung von links attraktiv.

Ein zivilisationistisches AfD-Wahlplakat

Diese Parteien sind vielmehr gegen Immigration. Eine massive und manchmal unkontrollierte Zuwanderung von Nichtwestlern, die dafür sorgen, dass man sich wie ein Fremder im eigenen Heim fühlt, nähren ihre Anziehungskraft. Mitleid erregende Geschichten von Rentnern, die von Fremden umgeben sind und Angst haben ihre Wohnungen zu verlassen, machten in ganz Europa die Runde, genauso wie Erzählungen von einem einzelnen indigenen Schüler in einer Schule, die ansonsten nur Migrantenkinder unterrichtet. Die Parteien streben alle danach diese Zuwanderung der letzten Jahrzehnte, besonders die von Muslimen, zu kontrollieren, zu vermindern und sogar rückgängig zu machen.

Beachten Sie, dass Europa von mehrheitlich muslimischen Ländern fast umzingelt ist.

Muslime stechen nicht wegen Vorurteilen („Islamophobie“) heraus, sondern infolge einer stattlichen Anzahl an Problemen, die besonders mit dem Islam verknüpft sind: Polygamie, Niqabs und Burkas, weibliche Genitalverstümmelung, Ehrenmorde, taharrusch (sexuelle Übergriffe), Judeophobie und Christenphobie, Scharia-Gerichte, Islamismus und Jihad-Gewalt. Muslime integrieren sich in Europa nicht nur weniger gut als Lateinamerikaner, afrikanische Christen, Hindus oder Chinesen, sie betreiben auch eine einzigartige kulturelle Aggression und versuchen ihre Zivilisation aufzudrängen. Darüber hinaus bilden Muslime vom Senegal über Marokko, Ägypten und die Türkei bis nach Tschetschenien eine Membran um Europa mit riesigen Zahlen potenzieller Migranten, die relativ leicht in der Lage sind illegal auf dem Landweg oder dem Seeweg auf den Kontinent zu kommen.

Zwei weitere Faktoren komplettieren das zivilisatorische Angstgefühl: die katastrophal niedrige Geburtenrate der Europäer (durchschnittliche Kinderzahl pro Frau: 1,6) und eine Elite (was ich die Sechs P nenne: Polizei, Politiker, Presse, Priester, Professoren und Staatanwälte [prosecutor]), die diese Sorgen ignorieren und sogar verunglimpfen. Als eine Wählerin im September 2015 Angela Merkel gegenüber ihre Beklemmungen wegen der unkontrollierten Zuwanderung zum Ausdruck brachte, demütigte die deutsche Kanzlerin sie damit, dass sie auf Europas Fehler schimpfte und sie ermahnte, sie solle öfter in die Kirche gehen.

Zusammengenommen führten diese Entwicklungen zur Verbreitung und zum Aufstieg der Antiimmigrationsparteien in ganz Europa. Vom alten (1972 gegründeten) Front National bis zur AfD (2013 gegründet) besetzen sie ein tief sitzendes Bedürfnis. Aus praktisch keinerlei Vorhandensein vor zwanzig Jahren sind sie schnell eine wichtige, wenn auch an den Rand gedrängte Kraft in zwanzig europäischen Ländern geworden. Geert Wilders, der Parteichef der niederländischen Antiimmigrationspartei PVV formuliert es so: „Im östlichen Teil Europas erleben Antiislamisisierungs- und Anti-Massenmigrations-Parteien ein Anschwellen der Unterstützung aus der Bevölkerung. Der Widerstand wächst auch im Westen.“

Doch sie leiden fast ohne Ausnahme unter großen Problemen. Weil sie hauptsächlich mit Neulingen ausgestattet sind, gibt es erschreckend große Anteile an machthungrigen Exzentrikern, Verschwörungstheoretikern, Geschichtsrevisionisten und antijüdischen oder antimuslimischen Extremisten. Diese Defizite setzt sich in Schwächen bei Wahlen um: Wenn Umfragen in Deutschland zeigen, dass rund 60 Prozent der Wählerschaft wegen des Islam und der Muslime besorgt sind, stimmt nur ein Fünftel für die AfD. Das impliziert, dass eine Antiimmigrationspartei, wenn sie die Wähler einmal überzeugen kann, dass man sie mit der Macht betrauen kann, sehr erheblich an Stimmen gewinnen, vielleicht sogar Mehrheiten gewinnen könnte. Aber das ist noch sehr weit weg.

Sebastian Kurz (links, ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben viel zu besprechen.

Derweil sind zwei Prozesse im Gang: (1) Die Verlockung der Macht inspiriert Antiimmigrationsparteien zu reifen, moderater zu werden und Regierungserfahrung zu sammeln, was PersonalkämpfeParteispaltungen und andere Dramen generiert, bis es so weit ist; so unerfreulich das auch sein mag, es ist notwendig und konstruktiv. (2) konservative Altparteien werden ihre Politik übernehmen, um die eigenen Wähler zu ködern. Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner in Frankreich versucht das und jetzt macht es der Parteichef der deutschen Freien Demokraten (FDP) es auch. Eine Vorabbesichtigung dieses Szenarios gab es gerade in Österreich, wo die konservative Altpartei ÖVP und die FPÖ zusammen 58 Prozent der Wählerstimmen gewannen und sich wahrscheinlich die Macht teilen werden.

Statt also vergeblich zu versuchen Antiimmigrationsparteien zu ächten, die nicht gefährlich sind und weit über ihre aktuelle Stärke zunehmen werden, sollten die Sechs P deren Parteichefs ermutigen radikale Elemente abzustreifen, Erfahrungen zu sammeln und sich im Übrigen auf Regierungsarbeit vorzubereiten. Man mag sie mögen oder verachten, diese Parteien werden unausweichlich einen Teil des Mandats haben, um ganz anders mit Immigration umzugehen – und vieles mehr.


Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors

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