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Verwählt? „Ja, mei!“

Die Bayern haben ihren Urnengang gestern erfolgreich absolviert und lassen damit den Rest der Republik teilweise etwas ratlos zurück. So ging es mir im ersten Moment auch. Der Versuch einer Deutung dieses rätselhaften Landes.

Trennungsschmerzen und Zockerei

Bei aller Merkwürdigkeit des bayrischen Wahlergebnisses bleibt festzuhalten: Die Bayern verabschieden sich langsam (zu langsam) aber sicher von „ihrer“ CSU. 10,5 Prozentpunkte Absturz auf 37,2 % — das allein ist schon ein kleines Wunder. Damit endet nach 56 Jahren ein politisches Ausnahmephänomen, das sich zuletzt wohl nur noch vom langen Schatten eines Franz Josef Strauß genährt haben dürfte. Der würde natürlich heute AfD wählen. Aber die Bayern sind wohl keine Freunde von Hastigkeit.

Dafür haben sie ein seltsames Faible für Sonderwege. Mit 11,6 % (2,6 Prozent Zuwachs) hievten sie die „Freien Wähler“ in eine koalitionsfähige Position. Das hat nun mindestens drei Folgen. Erstens: Die CSU kann weiter wurschteln, aber mit einem schwachen und inhaltlich flexiblen Juniorpartner an ihrer Seite. Zweitens: Dass die Freien Wähler nach dieser Legislaturperiode noch mal zweistellige Ergebnisse sehen werden, halte ich für ausgeschlossen. Drittens: Schwarz-Grün bleibt den Bayern vermutlich erspart. Obwohl sie es verdient hätten. Leute, das war haarscharf und hätte ins Auge gehen können! (Das kann es genau genommen immer noch.)

A propos grün…

Die SPD. Hach ja. Langsam aber stetig verdampft sie am linken Rand der Union und purzelt auch hier der Fünf-Prozent-Hürde entgegen. Immerhin zu 9,7 Prozent hat es noch gereicht, womit sie ihr Ergebnis von der letzten Landtagswahl (20,6 %) praktisch halbiert hat. Ein guter Teil ihrer Ex-Wähler ist vermutlich zu den Grünen übergelaufen, die gruslige 17,5 Prozentpunkte abgesahnt haben. 8,9 % Zuwachs! Für die Grünen! Wäre Bayern ein Patient, würde man ihn erst mal unfreiwillig eintüten, bis er keine Gefahr mehr für sich und andere darstellt.

Man könnte den Wählern zu Gute halten, dass sie immerhin den SED-Erben eine Abfuhr erteilt (3,2 %) und die SPD mit einer schallenden Ohrfeige gestraft haben. Aber was bitte nutzt das, wenn man dann bei den linksextremen Wölfen im grünen Schafspelz sein Kreuz macht? Es ist ja nicht so, dass Personen wie Antonia Hofreiter, Claudia Roth oder Katharina Schulze den Bayern völlig unbekannt sein können! Mich machen solche Zahlen ratlos, insbesondere in Bayern, wo „Heimat“ einen hohen Stellenwert besitzt. Andererseits zehren die Grünen (übrigens bundesweit) an der alten Tante SPD und sammeln dort alles ein, was Heimathass schon immer wichtig und diesen „Sozialkram“ überflüssig fand.

Muttis blinde Untertanen

Natürlich rechnete niemand ernsthaft damit, dass dieses Wahlergebnis im Kanzlerinnenamt zu Selbstkritik oder gar einem Umdenken führen würde (eine „Kurskorrektur“ scheidet ohnehin aus, wenn der Traktor bis zum Dach im Sumpf steckt). Ihre Erklärung hat mich dann aber, vom CSU-Bashing abgesehen, doch etwas überrascht, muss ich zugeben: „Gute Wirtschaftsdaten und Vollbeschäftigung würden den Menschen nicht reichen, sagte die Bundeskanzlerin in Berlin. Ziel sei es nun, dass ‚die Resultate unserer Arbeit sichtbar werden‘, erklärte Merkel mit Blick auf die große Koalition.“ [1]

Hmmm. Wenn man sich die Wahlergebnisse und Umfragen der letzten Zeit anschaut, scheinen recht viele Menschen die Resultate ihrer Arbeit sehr deutlich zu sehen. Es gefällt ihnen halt nur nicht, was sie da erblicken! Dass Frau Merkel dann ausgerechnet auch noch „Vollbeschäftigung“ als Pluspunkt hervorhebt, steht bei aller Absurdität symptomatisch für das Ausmaß ihres Realitätsverlustes. Eine Arbeitslosenquote von 5,1 Prozent (2,3 Millionen Menschen) ist auch bei wohlwollendster Betrachtung keine „Vollbeschäftigung“. Die ungetrickste Quote von 7,1 Prozent (3,2 Millionen) sieht noch düsterer aus. [2] Hinzu kommen noch all jene Menschen, die zwar theoretisch nicht arbeitslos sind, praktisch aber nicht von ihrer Arbeit leben können.

Die große Siegerin

Aber da fehlt ja noch was! Nein, nicht die FDP. Natürlich nicht. Zwar zieht sie leider mit 5,1 % wieder in den Landtag ein. Warum auch immer. Aber da Nekromantie nicht zu meinen Hobbies zählt, lassen wir dieses Thema lieber. Die große Gewinnerin dieser Wahl ist die einzige freiheitlich-konservative Partei: Die AfD! Die 10,2 Prozent mögen im ersten Moment frustrierend wirken, besonders von Ostdeutschland aus betrachtet, aber: Es sind 10,2 % Wachstum. Damit ist sie die einzige Partei, die zweistellig zugelegt hat. Und damit auch erstmals zweistellig in den bayrischen Landtag einzieht — den fünfzehnten und vorletzten in Folge!

Das ist ein starker Einstieg. Zum Glück aber nicht stark genug, um versehentlich in einer Koalition mit der CSU zu (ver)enden. Aber stark genug für eine knallharte Oppositionsarbeit. Wer sich an eine der untergehenden Altparteien der Berliner Koalition krallt, wird mit ihr zusammen in der Bedeutungslosigkeit versinken. Der große Graben verläuft längst nicht mehr zwischen „sozial“ und „konservativ“, sondern zwischen totalitär-experimentell (rotgrün) und freiheitlich-konservativ (hellblau).

So kann man das bayrische Ergebnis auch lesen: 64,1 % der Wähler haben sich für eine, zugegeben großteils vermeintliche, konservative Partei entschieden (AfD, FW, CSU, FDP). 27,2 % für den rotgrünen Irrsinn. Der Rest bleibt vor der Tür stehen. Und: Wo es eine echte Alternative gibt, steigt die Wahlbeteiligung. In diesem Fall um über acht Prozent auf 72,4 %. Das sollte sich eigentlich jeder aufrichtige Demokrat wünschen!

[1] https://www.welt.de/politik/deutschland/article182121250/Merkel-nach-Bayern-Wahl-Vertrauen-in-die-politischen-Akteure-ist-verloren-gegangen.html
[2] https://www.stern.de/wirtschaft/job/arbeitslosigkeit-in-deutschland–wie-die-zahlen-geschoent-werden-8195160.html

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