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Warum hat Obama dem atemberaubenden Anti-Israel-Vorurteil der UNO Vorschub geleistet?

Es gibt schreckliche Ungerechtigkeiten auf der ganzen Welt, einschließlich und vor allem in der muslimischen Welt, aber diese werden von einer von Israel besessenen Institution ignoriert.

Maajid Nawaz, 30.12.2016, TheDailyBeast.com

FOTOILLUSTRATION VON THE DAILY BEAST

LONDON – Kurz vor Weihnachten verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 2334 und verurteilte israelische Siedlungen in der Westbank. Präsident Barack Obama krönte seine miserablen Erfolge im Nahen Osten mit einer letzten High-School-Debattier-Geste. Dieses wurde dann verschönert durch Aussenminister John Kerrys Warnschuß, den er am Mittwoch in Richtung Israel abfeuerte.

Israel ist nicht das größte Problem im Nahen Osten, bei weitem nicht. Aber das würde man nicht erkennen an der überproportionalen Art, wie die UNO das Land behandelt. Trotz der Stimmenthaltung stellte die amerikanische UNO-Botschafterin Samantha Power fest, dass Israel, seit es Mitglied der UNO ist, „anders als andere Nationen“ behandelt wurde. Und nur eine Woche vor dieser letzten Resolution kommentierte sogar der scheidende Generalsekretär Ban Ki-moon, dass „jahrzehntelange politische Manöver eine unverhältnismäßige Anzahl an Resolutionen, Berichten und Komitees gegen Israel geschaffen haben … In vielen Fällen hat diese Realität, anstatt der palästinensischen Frage zu helfen, die Fähigkeit der Vereinten Nationen vereitelt, ihre Rolle effektiv zu erfüllen.“

Man würde denken, dass der Chef der Vereinten Nationen weiß, wann seine eigene Organisation eine institutionelle Neigung zeigt. Die Resolution 465 existierte bereits, die zu Recht die Siedlungen verurteilte (A.d.Ü.: Über die Rechtmässigkeit dieser Verurteilung lässt sich trefflich streiten). Bis zum heutigen Tag wurden vom UNO-Sicherheitsrat 47 Resolutionen zum israelisch-palästinensischen Konflikt verabschiedet.

Nur schon im Jahr 2016 braucht man bloss die 18 gegen Israel gerichteten Resolutionen zu betrachten, die während der UNO-Generalversammlung im September angenommen wurden, oder den 12 im Menschenrechtsrat verabschiedeten Resolutionen. Diese waren mehr als die gegen Syrien, Nordkorea, Iran und Südsudan gerichteten zusammen.

Araber, Muslime, Islamisten, Liberale, Linke und unsere internationalen Organisationen teilen diese institutionelle Tendenz.

Die Opposition gegen Israel ist Der Eine Ring, der uns alle verbindet. Sie ist der heilige Gral, der nicht in Frage gestellt werden darf. So tief läuft dieses Vorurteil gegen israelische Übertretungen, dass dies beim Namen zu nennen sofort Ungläubigkeit und ad-hominem-Beleidigungen auslöst.

Es ist so tief verwurzelt, dass nur wenige bemerkten, wie am Morgen der Resolution 2334 eine Motion, die versuchte, die Waffenlieferungen an die, wie die UNO selbst befürchtet, Genozidkiller im Südsudan zu stoppen, gescheitert ist.

Der Sicherheitsrat konnte sich nicht einmal dazu durchringen, die simpelste Resolutionen zu verabschieden, die eine siebentägige Waffenruhe verlangten, um die Tragödie von Aleppo aufzuhalten. Doch als es darum ging, eine endgültige Verurteilung Israels zu Ende zu bringen, setzte beim Sicherheitsrat plötzlich der Handlungswillen ein.

Staatssekretär Kerry stellte fest, dass die jetzige Regierung Israels seine rechtsgerichtetste in der Geschichte ist. Ohne einen Hauch von Ironie vergass er zu erwähnen, dass das genau das ist, was passiert, wenn ein Land wiederholt dschihadistischen Terroranschlägen gegenübersteht. Schauen Sie einfach nach Europa und den USA, ein magisch entstandenes „Great Again“. Er ließ auch die Natur des Proporzwahlsystems Israels weg, das marginalen Elementen erlaubt, die mehr Mainstream-Parteien als Geiseln zu halten und sie nach rechts treiben lässt.

Nein, die Resolution 2334 wird dem Frieden nicht helfen. Sie kann ihn nur behindern. Denn die Haltung der UNO wird innerhalb Israels nicht unbemerkt bleiben und kann nur eine weitere Unnachgiebigkeit fördern, indem sie den Aufstieg der religiösen Rechten Israels unter Naftali Bennet erleichtert. Sie wird auch die Legitimität der Vereinten Nationen untergraben.

Die Annahme hinter Amerikas Enthaltung von Resolution 2334 und Staatssekretär Kerrys letzte Bemerkungen heben das faule Denken hervor, das uns befallen hat.

Während der Abstimmung sagte Amerikas Botschafterin in den Vereinten Nationen: „Man kann nicht gleichzeitig für den Ausbau der israelischen Siedlungen und für eine tragfähige Zwei-Staaten-Lösung einstehen.“

Am Mittwoch verstärkte Sekretär Kerry die Ansicht, dass die Zwei-Staaten-Lösung „jetzt in Gefahr ist … Das Ergebnis ist, dass die Politik dieser [israelischen] Regierung … zu einem Staat führt.“

Das ist schlicht falsch. Die Tatsache, dass diese Empfindung überhaupt geäussert wird, verrät die tiefe Bigotterie der geringen Erwartungen im Westen an Araber und Palästinenser.

Siedlungen sind illegal (A.d.Ü: Über diesen Punkt lässt sich trefflich streiten). Aber warum wird von Israel erwartet, dass es die 20 Prozent seiner Bevölkerung, die arabisch sind, integrieren muss und dass eine jüdische Präsenz von 500.000 Siedlern in jedem zukünftigen palästinensischen Staat ein „Hindernis“ für die Zweistaatenlösung ist? Geht man davon aus, dass die Palästinenser Ethno-Faschisten sind? Sind sie nicht fähig, einen multiethnischen Staat zu errichten wie die Israelis? Ist das der Standard, an dem die westlichen Linken Palästinenser, Araber und Muslime messen?

Alle jüdischen Siedler, die nach einem Friedensabkommen in Palästina bleiben, sollen die palästinensische Staatsbürgerschaft annehmen und jüdische Palästinenser werden, wie die vielen christlichen und muslimischen Palästinenser. Wenn diese Aussicht zu viel für sie ist, werden sie immer die Möglichkeit der Aliyah haben, der freiwilligen Rückkehr nach Israel. Addiert man Landtausch zur Mischung hinzu, dann ist die Zwei-Staaten-Lösung nicht tot. Es bleibt sehr vieles möglich, außer in den Köpfen, die von der Obsession der UNO mit der Verurteilung Israels umwölkt werden und die die Bigotterie der niedrigen Erwartungen gegenüber den Palästinensern beherbergen.

Die UNO-Disproportionalität gegenüber Israel zu benennen führt unweigerlich zu Vorwürfen der Linken, dass man dem Irrtum der „Whatabouttery“ („aber-was-ist-mit“) verfallen ist. Das heißt, zu versuchen, von den eigenen Übertretungen abzulenken, indem man „aber was ist mit“ denen von anderen schreit. In diesem Fall versucht man angeblich, Israels Missbrauch oder Versagen herunterzuspielen, indem man es wie das Opfer von dem, was die Amerikaner „piling on“ („aufstapeln“) durch die UNO nennt.

Ich mache aber nicht bei diesem Irrtum mit, ich nenne ihn beim Namen.

In Wirklichkeit war Israel die ewige „aber was ist mit“ -Ausrede, die von arabischen Despoten verwendet wird, um ihre inländischen Gegner oder die fremden Kritiker ihrer wütenden Unterdrückung von Meinungsverschiedenheiten zum Schweigen zu bringen. In diesen Ländern nach mehr Freiheiten zu fordern, in denen es wenig oder gar keine gab, bedeutete oft, der „Zionistischen Kollusion“ angeklagt zu werden. Und häufiger als nicht spielte die UNO mit. Beachten Sie, dass es sich um dieselbe Institution handelt, die Saudi-Arabien – ja, eine absolute Monarchie – als Vorsitzenden ihres Menschenrechtsausschusses wählte und sich dann dazu entschied, eine Motion zur Verurteilung israelischer Menschenrechtsverletzungen zu verabschieden.

Von den Bequemlichkeiten ihrer Tastaturen sich herablassend, sind westliche Linke mit dem Luxus der freien Rede selbstgefällig geworden. Sie hätten nie den Zorn der Folterzellen eines arabischen Diktators erleiden müssen. Doch jeder, der jemals unglücklich genug war, einen arabischen Diktator beim Namen zu nennen, kennt die Realität ihrer „aber-was-ist-mit“ nur allzu gut.

Eine Erwartung der Proportionalität ist nicht dasselbe wie der „aber-was-ist-mit“-Irrtum. Als Israel im Jahr 2014 Gaza bombardierte in der Operation Schutzrand, als Reaktion auf Terror-Angriffe der Hamas, war unsere Forderung die, dass Israel proportional reagieren müsse. Damals erlaubten wir Israel nicht, unsere Bedenken für die Verhältnismäßigkeit zu ignorieren mit der Behauptung, wir würden uns in „aber-was-ist-mit“-Ablenkungen von den Terrorangriffen der Hamas ergehen.

Wenn Proportionalität gegen Israel wirken kann, dann muss sie auch für Israel arbeiten können. Ja, wir können zwei Dinge gleichzeitig verurteilen, zwei Gedanken gleichzeitig in unseren Köpfen halten, aber diese beiden Gedanken müssen im Verhältnis zueinander stehen.

Nachdem das gesagt ist: Es gibt kein einziges Verbrechen, dessen Israel und Premierminister Benjamin Netanyahu angeklagt ist, das ein arabischer totalitärer Despot oder absoluter Monarch nicht viel häufiger und auf einer täglichen Basis begangen hat. Von Folter und Besatzung bis hin zu Stellvertreterkriegen im Ausland, zur Behandlung von Nicht-Bürgern – darunter auch Palästinenser – als Bürger zweiter Klasse, bis zu einem Mangel an Demokratie, haben arabische Despoten alles zu bieten.

Schauen Sie sich die Hamas, die Hisbollah, die Houthis im Jemen, Abdel Fattah al-Sisi und seinen Putsch in Ägypten, das Chaos in Libyen, sogar die Taliban, Lashkar al-Tayyiba, al-Shabab, Boko Haram und ISIS, sexuelle Versklavung, Enthauptungen, Kindersoldaten und den Einsatz chemischer Waffen an – die Realität des Nahen Ostens ist für uns alle sichtbar. Doch wie die amerikanische UNO-Botschafterin Samantha Power in diesem Jahr verkündete, verabschiedete die UNO mehr Resolutionen gegen Israel als gegen all diese anderen Problemherde zusammen.

Für den grösseren Teil von 23 Jahren habe ich mich intensiv in dieser Debatte engagiert. Wie die meisten linksgerichteten Teenager-Polit-Enthusiasten war mein Ausgangspunkt feindlich gegenüber Israel. Wie viel zu viele Muslime und alle Islamisten habe ich früher das Existenzrecht Israels abgelehnt. Ich bin mit allen Seiten des Streits vertraut und habe aus beiden Perspektiven zu dieser Debatte geschrieben. Ich realisierte schließlich, wie verknöchert meine Gedanken geworden waren.

Unser Unwillen, etwas außerhalb unserer eigenen Echokammern zu hören, hat unsere Innovationsfähigkeit stark eingeschränkt. Eine kritische Masse von Arabern, Muslimen und Linken kämpft immer noch mit Israels historischer Legitimität, was uns dazu bringt, dauernd mit unseren Karten an Orten wie der UNO zu bluffen. Wie eine Schallplatte mit Sprung sind wir der repetitiven Sloganbildung, des faulen Denkens, der emotionalen Entscheidungsfindung und des dogmatischen Ansatzes darüber, wie die Kunst der Politik aussehen sollte, schuldig. Wir haben zugelassen, dass unser politischer, religiöser und ideologischer Tribalismus unsere emotionale Reaktion bis zum Punkt der Entwicklung einer ungesunden Besessenheit mit Israel formt. Es ist postfaktisch.

Wir, die wir Pro-Palästina waren, sind unsere eigenen schlimmsten Feinde geworden. Wenn neues Denken zu irgendeinem Thema sofort als verräterisch markiert wird, können nur nach innen gewandte, gewalttätige, inzüchtige und dogmatische Ideologien wie der Dschihadismus gedeihen. Um so mehr Grund, weshalb kreatives Denken zu diesem Thema unter Arabern, Muslimen und Linken so wichtig wäre.

Ich weiß, dass ich durch das Schreiben dieser Worte unweigerlich angeklagt werde, Pro-Siedlungen und vieles mehr zu sein. Dies ist tendenziell die Standardreaktion derer, die sich ausschliesslich mit absolutem befassen – ein rechter Verräter, nicht wahr?

In Wahrheit glaube ich, dass israelische Siedlungen nach dem Völkerrecht illegal sind, auf besetztem Land gebaut sind, dass Netanyahu unkooperativ war im Amt und dass eine Zwei-Staaten-Lösung nicht nur möglich, sondern die einzig tragfähige Lösung ist in diesem Konflikt. Dennoch behaupte ich, daß die Resolution 2334 ein amateurhafter, emotionaler Schachzug liberaler Dogmatiker ist, die nur der israelischen Rechten helfen wird.

Es gibt nichts derart Einzigartiges am israelischen Konflikt, das diese unverhältnismäßige Aufmerksamkeit verdient. Beluchistan, Kurdistan, Zypern, Kaschmir und Taiwan sind nur einige andere umstrittene Gebiete, die in der UNO und in unseren Medien nicht so fetischisiert sind wie Palästina. Alle diese Streitigkeiten beinhalten tiefe religiöse, historische und politische Bedeutung für ihre jeweiligen Parteien.

Nur der überwältigende Narzißmus unserer abrahamitischen Glaubenssysteme – auch jener unter uns, die sich gegen sie definieren – würde die religiöse und historische Bedeutung der „Heiligen Länder“ für irgend etwas wichtigeres halten als andere verlorene heilige Länder für Buddhisten in Tibet oder Sikhs in Khalistan, das ein Jahr vor der Schaffung Israels an Pakistan verloren ging. Nur durch die Reduktion des „außergewöhnlicher Status“ -Drucks von diesem Konflikt, durch die Befreigung von seiner religiösen Übertreibung, indem er aus dem Rampenlicht entfernt wird, indem er einfach mit allen anderen Konflikten in der Welt gleichgesetzt wird – tragisch, aber nicht einzigartig – haben wir eine bessere Chance, ihn zu lösen, weil die Einsätze gesenkt und die schädlichen Propheten des Schicksals mit ihrer Armageddon-Pathologie aus der Gleichung herausgenommen werden. Nennen wir es doch „israelische Un-Außergewöhnlichkeit“.

Ich kenne weiterhin keinen einzigen Nahostexperten, der nicht an Obamas State Department gebunden ist, der findet, dass der abtretende Präsident in Nahost einen guten Job gemacht hat. Die Iraner, die Hisbollah und der russische Präsident Wladimir Putin unterstützten den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, während er chemische Bomben und massiv zerstörerische Waffen gegen sein eigenes Volk benutzte. Und ebenso wie Obamas Untätigkeit es anderen erlaubte, in Syrien zu handeln, setzte seine Untätigkeit bei den Vereinten Nationen noch einmal den Ton und bestätigte diesmal erneut die Vorstellung, dass Israel das größte Problem der Region sei. Das ist verabscheuungswürdig. Es ist unentschuldbar. Und ich konnte nicht mehr schweigen.

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