Dies ist die unerzählte Geschichte der vergessenen jüdischen Flüchtlinge. Diese Juden, die die ethnischen Säuberungen überstanden und systematisch vertrieben wurden, sind nun vergessen gegangen.
Tzahi Gavrieli, 29.11.2017, Jerusalem Post
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
Die vergessenen Flüchtlinge (YouTube / 4IL)
Meine Familie wurde 1951 aus dem Irak vertrieben. Mein Großvater Haim besaß ein erfolgreiches Geschäft mit mehreren Lastwagen, während meine Großmutter Gazelle den Haushalt führte. Sie lebten in einem geräumigen, dreistöckigen Haus, während sie gleichzeitig ein einfaches Leben führten. Jahrelang versuchten meine Großeltern, ein gutes Verhältnis zu ihren arabischen Nachbarn aufrechtzuerhalten, während sie die gleichen jüdischen Traditionen praktizierten, die im Irak seit Jahrhunderten überliefert waren.
All das kam innerhalb weniger Wochen zum Einsturz. Mit der Schaffung Israels erklärte die irakische Regierung, dass ihr gesamtes Eigentum ihnen entzogen und verstaatlicht, während die örtliche jüdische Bevölkerung vertrieben werden sollte. Die Behörden ließen diese bald-Flüchtlinge mit jeweils nur einem Koffer gehen, nachdem sie sorgfältig durchsucht worden waren, um sicherzustellen, dass kein Gold oder Schmuck mitgenommen wurde. Meine 4-jährige Mutter nahm ihre Lieblingspuppe mit, die als feierliche Erinnerung für Jahrzehnte diente, um an die geschichtsträchtige Vergangenheit unserer Familie im Irak zu erinnern.
Genau wie meine Familie wurden Hunderttausende von Juden aus vielen anderen arabischen Ländern und dem Iran vertrieben. Sie mussten alles hinter sich lassen, was ihnen wichtig war, ihre Häuser, ihre Lieben und Besitztümer, während sie sich auf den Weg nach Israel machten.
Sie wagten sich ins Unbekannte, um in ein neues Land zu kommen, das um sein Überleben kämpft. Sie lebten in Zelten und Blechhütten, lebten mit Lebensmittelrationierung, bekamen neue Namen und begannen ihr neues Leben. Mit nichts als einem Koffer und einer Stoffpuppe wurde meine Familie aus einem Land vertrieben, in dem sie seit Hunderten von Jahren gelebt hatte.
Im Jahr 1948, dem Jahr, in dem Israel zum Staat erklärt wurde, lebten 265.000 Juden in Marokko, 150.000 im Irak, 140.000 in Algerien, 100.000 in Ägypten, 100.000 in Tunesien, 55.000 im Libanon, 40.000 in Libyen, 30.000 in Syrien und tausende weitere im gesamten Nahen Osten und Nordafrika, insgesamt also 880.000. Kurz darauf wurden mehr als 850.000 Juden aus den Ländern vertrieben, die sie als Heimatländer bezeichneten. Die Arabische Liga lehnte die Gründung des Staates Israel ab und beschloss schließlich, die absolute Mehrheit der Juden aus ihren Ländern zu vertreiben.
Die Vertreibung meiner Familie geschah über Nacht, aber nicht ohne vorher mit jahrelanger Verfolgung der lokalen jüdischen Bevölkerung im Irak einher zu gehen. Meine Großmutter erzählte meinen Geschwistern und mir, wie ihre Familie sich im Juni 1941 während des „Farhud“, einem zweitägigen Pogrom von Massenmord, Plünderung und Terror gegen die jüdische Bevölkerung Iraks, verstecken musste. 179 Menschen wurden getötet, 2.100 verletzt, 242 Kinder verwaist und mehr als 50.000 Haushalte und Unternehmen geplündert.
Die Demonstrationen gegen die UNO-Resolution zur Errichtung eines jüdischen Staates weckten 1947 Erinnerungen an den Farhud und veranlassten die jüdische Bevölkerung, sich wieder zu verstecken. Hunderte von Kilometern entfernt in der Stadt Aleppo in Syrien waren die Situation und die Ergebnisse allzu bekannt: 75 Juden wurden ermordet, eine Synagoge aus dem fünften Jahrhundert zerstört und Hunderte von Häusern verwüstet.
Dies ist die unerzählte Geschichte der vergessenen jüdischen Flüchtlinge. Im palästinensischen Kampf um die Bewahrung des Narrativs der Flüchtlinge war es nur allzu leicht, zu verschleiern, dass fast eine Million Juden gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben worden waren. Diese Juden, die die ethnischen Säuberungen überstanden und systematisch vertrieben wurden, sind nun vergessen gegangen.
Gerade deshalb hat das US-Repräsentantenhaus 2008 mit der Hausresolution 185 beschlossen, die Bedeutung der jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran anzuerkennen. Und gerade deshalb erkannte die israelische Regierung ihre Rechte an und widmete den 30. November als einen Tag, an dem „Juden, die gezwungen waren, aus den arabischen Ländern zu fliehen“, gefeiert werden.
Dieses Datum ist kein Zufall. Am Tag nach dem 29. November 1947, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschloss, einen jüdischen Staat im britischen Mandat Palästina zu errichten, fingen viele jüdische Gemeinden in arabischen Ländern sofort an, den Druck zu spüren, das Land zu verlassen. Es gab Plünderungen, Aufstände und Gesetze, die gegen sie und die zionistische Bewegung verhängt wurden.
Der junge Staat Israel, der um seine Existenz kämpfte, hat Hunderttausende von Juden aus den umliegenden Ländern aufgenommen. Unter den Bedingungen extremer Armut, eines gravierenden Mangels an Ressourcen, der Unterbringung in Durchgangslagern, ohne Sprachkenntnisse und ungeachtet der zurückgelassenen Verwandten begannen diese Flüchtlinge ein neues Leben.
Siebzig Jahre nach der Gründung eines jüdischen Staates durch die Vereinten Nationen im Land Israel leben noch immer Hunderttausende jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern und dem Iran in Israel. Viele von ihnen, darunter auch meine Mutter, erinnern sich genau an den Moment, in dem sie zu Flüchtlingen wurden, und daran, wie schwer es am Anfang war, bei Null anzufangen. Aber sie beschlossen, alles neu aufzubauen, ihr Flüchtlingsnarrativ aufzugeben, zu verstehen, dass die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur für sie selbst, sondern auch für Dutzende Millionen anderer eine neue Realität geschaffen haben.
Die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran, zusammen mit Hunderttausenden anderer jüdischer Flüchtlinge aus Europa, bauten, schufen und machten immer weiter, um eine Familie, einen Staat und eine Zukunft für ihr Volk zu errichten.
Andererseits ist die Bewahrung des sieben Jahrzehnte alten Narrativs der palästinensischen Flüchtlinge noch immer in vollem Gange. Es dient weiterhin politischen Zielen und wird als Instrument zur Delegitimierung Israels und nicht als Heimatland des jüdischen Volkes benutzt. Die Forderung nach der Rückkehr von Millionen palästinensischer Flüchtlinge nach Israel ist nur ein weiteres Mittel, um den jüdischen Staat zu zerstören.
An diesem Tag muss die Geschichte der vergessenen Flüchtlinge erzählt werden. Glücklicherweise hatten diese Flüchtlinge Israel als Heimat, um sie aufzunehmen. Viele von ihnen haben die tödlichen Pogrome in der Hand arabischer Regime nicht überlebt. Aus diesem Grund ist es so wichtig, ihre Geschichte zu lernen, denn jede Ungerechtigkeit irgendwo ist eine Bedrohung für die Gerechtigkeit überall.
Der Autor ist Direktor der Nationalen Kampagne zur Bekämpfung der De-Legitimierung und stellvertretender Generaldirektor im Ministerium für Strategische Angelegenheiten und Öffentliche Diplomatie. Das Video wurde von der Minisrty’s 4IL Kampagne produziert.