Inmitten eines politischen Kriegsgebietes wurde in Hannover die Parteispitze der AfD gewählt und ein starker Akzent für die weitere Entwicklung gesetzt: Gemeinsam für Deutschland, und Koalitionsverantwortung dann, wenn man mehr als nur Mehrheitsbeschafferin ist. Und zwar nur dann. Nicht früher, aber auch keinen Tag später. Die Partei hat sich somit gewissermaßen für einen realpolitisch-fundamentaloppositionellen Kurs entschieden und die von Frauke Petry im Keller deponierte Spaltbombe endlich entschärft. Mit zwei Flügeln kann eben man Besseres anstellen, als sie gegeneinander kämpfen zu lassen, wie Millionen Vögel bestätigen werden: Damit kann man vor allem super abheben.
Draußen wurde unterdessen die Kongresshalle von zigtausenden Demokratiefeinden und gewalttätigen Linksextremisten belagert und die Einsatzleitung der Polizei konnte sich wieder mal nicht so recht zwischen Desinteresse und Stacheldraht entscheiden. Mit fatalen Folgen für den AfD-Bundestagsabgeordneten Kay Gottschalk, der den Tagungsort leider nicht unverletzt erreicht hat. Spät, aber immerhin, kamen letztlich doch noch Wasserwerfer zum Einsatz. Deren pädagogischen Effekt zu dieser Jahreszeit sollte man nicht unterschätzen. Nicht auszuschließen, dass in der Nacht verstärkt mit Föns bewaffnete Antifakräfte ihre zurückgebliebenen Genossen vom Straßenbelag ablösen werden.
In die Parteispitze gewählt (bzw. im Amt bestätigt) wurden von den Delegierten der bisherige Bundessprecher Jörg Meuthen und, neu, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Politurgestein Alexander Gauland. Letzterer hatte sich gegen die Mitbewerber Georg Pazderski und Doris von Sayn-Wittgenstein durchsetzen können. Was sich nicht durchsetzen konnte, waren diverse abenteuerliche Anträge, darunter der zur sofortigen Einstellung des Parteiausschlußverfahrens von Björn Höcke. In der Gesamtschau wurde also der eingeschlagene Kurs zur Befriedung der innerparteilichen Spannungen mehrheitlich bestätigt. Gut so. Wir haben echt andere Sorgen im Land.
Entgegen vielfacher Befürchtungen und sehr zum Entsetzen ihrer Gegner zerlegt sich die AfD nach den Turbulenzen der letzten Monate nicht selbst. Was nach dem melodramatischen Austritt von Frauke Petry nach neuem Konfliktpotential aussah, hat sich letztlich als Befreiung von einem maßgeblichen Störfaktor entpuppt. Der ermutigend professionelle Auftritt der Bundestagsfraktion und nicht zuletzt der aktuelle Parteitag zeigen, dass die AfD derzeit vor allem um Geschlossenheit bemüht ist und die harten Bandagen lieber für sinnvollere Gegner anlegt. Diese werden sich in Zukunft noch wärmer anziehen müssen. Die Alternative ist gekommen um zu bleiben und zu regieren. Nur eben nicht mit faulen Kompromissen.
Den geplanten Wahlterminen in 2018/19 für die zwei verbliebenen „AfD-freien“ Landtage in Hessen und Bayern, sowie der EU-Parlamentswahl, lässt ich nun deutlich entspannter entgegen sehen. Auch im Falle einer vorgezogenen Neuwahl dürfte sich dieser um Brückenschläge bemühte Parteitag positiv auf Umfrage- und Wahlergebnisse auswirken. Parteien, die sich vorrangig mit sich selbst beschäftigen, gibt es wahrlich schon genug. Die Wähler dürsten nach einem glaubwürdigen Gegenentwurf zum bisherigen Parteienfilz. Anderenfalls könnte man ja auch gleich eine Art bundesweite CSU gründen. Wer würde sowas wollen oder gar brauchen?
Mal schauen, was am Sonntag noch passiert.