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„Ich versuchte nur, Leben zu retten“ – 5 surreale Tage in Florida mit dem ‚Sohn der Hamas‘

Er würde in amerikanischen Moscheen reden, wenn sie ihn liessen. Doch das werden sie nicht zulassen.

Eine atemberaubende Reihe von Ereignissen führte Mosab Hassan Yousef aus dem Zuhause des Mitbegründers der Terrorgruppe zu einem Jahrzehnt als Shin Bet-Agent und zum Redner im Namen von Magen David Adom.

David Horowitz, 17.12.2018, Times of Israel
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

JUPITER, Florida – Das erste Mal, als ich Mosab Hassan Yousef sehe, suche ich nach den Bodyguards.

Er ist der älteste Sohn eines der Mitbegründer der Terrorgruppe Hamas; sein Vater sitzt seit Jahrzehnten in israelischen Gefängnissen. Und Mosab „verriet“ ihn und die islamistische, israel-hassende Sache: Während die Hamas seines Vaters ihr Bestes tat und tut, alle uns landraubende Ungläubige und Besatzer zu töten, arbeitete Mosab etwa ein Jahrzehnt lang als Shin Bet-Agent, um uns am Leben zu erhalten, insbesondere auf dem Höhepunkt der zweiten Selbstmordattentäter-Schlacht der Intifada – als rechte Hand seines Vaters, Sicherheitschef und vertrauenswürdigster Vertrauter, indem er jedes Stück Information und Intuition weitergab, um Israel im Kampf gegen den Terror zu helfen.

Daher, ja, selbst wenn wir Tausende von Meilen entfernt sind, im jenseitigen, sanften Süden Floridas, gehe ich trotzdem davon aus, dass die Hamas nicht vergessen hat, welche Rechnung sie zu begleichen hat, und dass Mosab entsprechend geschützt wird.

Stattdessen sehe ich einen Mann mit Baseballmütze, der Sonnenbrille und Bart trägt und von den Hotelaufzügen auf mich zukommt, auffallend allein. „Hast Du keine Security?“ frage ich ihn überrascht.

„Wer soll das bezahlen?“, schießt er zurück.

Später wird er mir eine ausführlichere Antwort geben. Er wird darauf hinweisen, dass die Hamas keine weltweiten Tentakel hat. Er wird erklären, dass die Hamas kein großes Interesse daran hat, seinen Namen wieder in die Schlagzeilen zu bringen, indem sie versucht, ihn zu töten und so die Welt an die Demütigung erinnert, die sie erlitten hat, als sich herausstellte, dass der älteste Sohn ihres Westbankchefs für den zionistischen Feind arbeitete. Er wird darüber scherzen, dass wir alle jederzeit sterben können, dass der Tod nichts ist, wovor wir Angst haben müssen, dass niemand weiß, worum es beim Tod geht, dass er sicherlich wie jeder andere zusammenzuckt, wenn er von einem lauten Geräusch oder so erschreckt wird, aber dass er sicherlich nicht in Angst lebt.

Mosab Hassan Yousef (links) und David Horovitz bei einem Anlass der AFMDA in Florida, Dezember 2018 (Mit freundlicher Genehmigung von Mosab)

Er wird mir in den nächsten fünf Tagen in einer surrealen Reihe von öffentlichen Vorträgen und nicht-öffentlichen Gesprächen vor dem Hintergrund von Hamas‘ jüngster Welle von Terroranschlägen zu Hause vieles erzählen, was ich nie erwartet hätte, vom „Sohn der Hamas“ zu hören, wie er seine Autobiographie nannte.

Doch er beginnt damit, mich zum Vollwertkostmarkt zu bringen.

Sonntag

Mosab Hassan Yousef, 40, lebt seit zehn Jahren in den USA, und unter anderem weiß er, dass ich nicht weiss, wo man hingehen muss, um ein gesundes Mittagessen zu genießen. Sobald wir uns also vorgestellt haben und ich vorgeschlagen, habe, dass wir uns irgendwo zusammensetzen, damit ich ihn ein wenig kennenlernen kann, schlägt er vor, dass wir zum lokalen Vollwertkostmarkt gehen, der etwa eine Meile entfernt ist.

Wir brauchen die ruhige Zeit zusammen, da ich ihn bei Veranstaltungen (für die wir beide bezahlt werden) in den nächsten fünf Tagen in Südflorida interviewen soll, organisiert von American Friends of Magen David Adom (das Israels Magen David Adom nationalen Ambulanz, Blutkonservendienst und Katastrophenhilfe unterstützt).

Sohn der Hamas, von Mosab Hassan Yousef

Ich hatte sein Buch gelesen, als es 2010 zum ersten Mal herauskam, und ich hatte mir den anschließenden Dokumentarfilm über ihn angesehen, „Der grüne Prinz“ – so benannt nach der Farbe der Hamas-Flagge und Mosabs königlichem Platz innerhalb der Bewegung.

Ich wusste, dass er von Israel als hasserfüllter Teenager verhaftet wurde – ein Opfer sowohl der Vergewaltigung in der Kindheit als auch der extremistischen Konditionierung Zuhause und in der Schule. („In der Schule war es nicht wie ‚Nimm eine Waffe und töte Juden'“, sagt er. „Aber es war ‚Die Zionisten haben unser Land gestohlen‘.“) Er wurde mit einer Waffe erwischt, mit der er beabsichtigte, Israelis zu töten. Ich wusste, dass er angefangen hatte, Fragen zu stellen, als er im Gefängnis sah, wie Hamas-Insassen andere Hamas-Insassen folterten und sogar töteten, von denen sie (fälschlicherweise) vermuteten, dass sie mit Israel kollaborierten, und dass er letztendlich das durchmachen würde, was er im Dokumentarfilm eine „verrückte Transformation“ nannte – vom Versuch, Israelis zu ermorden, bis dahin, unter Lebensgefahr Juden zu retten.

Eigentlich war seine Transformation weit mehr als verrückt, weit über unwahrscheinlich hinaus. „Mit Israel zu kollaborieren ist schlimmer, als die eigene Mutter zu vergewaltigen“, sagt Mosab im Film. Aber die wichtigste Quelle des Shin Bet zu werden im Krieg gegen die Selbstmordattentäter, wenn der eigene Vater die Hierarchie im Westjordanland anführt, ist einfach unvorstellbar. Genau deshalb kam er damit durch.

Und weshalb, würde er mir später sagen, als er seinen Vater aus den Vereinigten Staaten anrief, um ihm zu sagen, dass es so war und dass die ganze Geschichte im Begriff war, öffentlich zu werden, es Scheich Hassan Yousef wie ein kompletter Schock traf. Hat sein Vater nie vermutet, dass Mosab ihm und der islamistischen Sache gegenüber nicht loyal sein könnte? „Sein Ego würde es ihm nicht erlauben, das zu denken.“ Der Vater sagte seinem Sohn dennoch, dass er ihn nicht verleugnen würde, und verleugnete ihn dann zwei Tage später öffentlich. Das versteht Mosab vollkommen. „Ich hatte der Familie unvorstellbare Schande bereitet“, erzählt er mir, als wir zusammen am Straßenrand entlang gingen, bei strahlendem Sonnenschein in Florida auf dem Weg zum Vollwertkostmarkt.

Als wir dort ankommen, zeigt er mir, wie man ein gutes Mittagessen zubereitet, besteht darauf, dafür zu bezahlen, und setzt sich mir gegenüber mit dem, wovon ich lernen würde, dass es einige der Schlüsselelemente seiner Gerichte sind: Brokkoli, Avocado und Olivenöl. Wenn möglich wird er auch nach gedünstetem Spinat fragen. Er besteht darauf, dass das nicht alles ist, was er isst, aber es ist so ziemlich alles, was ich ihn in den nächsten fünf Tagen essen sah.

Er erzählt mir mehr über den allmählichen Prozess der Desillusionierung mit der Hamas und über sein Gefühl – nicht mehr als das -, dass dies nicht die „reine religiöse Bewegung“ ist, die sein Vater zur Bekämpfung des Zionismus wollte, sondern dass „das Ego meines Vaters“ ihm nicht erlauben würde, zuzugeben, dass es außer Kontrolle geraten ist. „Wenn du ihn fragst: Ist es das, was du geplant hast, ist es das, was du vorhast zu tun, er würde wahrscheinlich lieber Selbstmord begehen, als zuzugeben, dass dem nicht so ist…“ Mosab erinnert sich an den Tag, an dem sie die erste Broschüre für das, was 1986 zur Hamas werden sollte, gedruckt haben.  „Mein Vater ist kein gewalttätiger Mann“, sagt er geradeheraus. Und: „Meine Familie sind wunderbare Menschen als Familie – voller Liebe und Lachen.“

Hamas-Beamter Hassan Yousef in seinem Büro in Ramallah, 30. Juli 2015 [Elhanan Miller/Times of Israel].

(Sheikh Hassan Yousef, ein prominenter Führer der Zweiten Intifada im Westjordanland, wurde kürzlich von Israel aus seiner letzten Administrativhaft entlassen, nachdem er im vergangenen Dezember verhaftet worden war, weil er den Jerusalem-Aufstand gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, die Stadt als Hauptstadt Israels anzuerkennen, „eskalieren“ wollte. Jetzt, Anfang 60, hat er etwa ein Drittel seines Lebens im Gefängnis verbracht.)

Mosab stellt fest, dass es in den letzten Jahren Zeiten gab, in denen sein Vater einen „Waffenstillstand“ mit Israel vorschlug, und sagt, dass sein Vater zwar nicht akzeptiert, dass es eine jüdische Verbindung zum Heiligen Land gibt, aber er weiß, dass Israel nirgendwo hingeht. Tatsächlich sagt Mosab, dass die Hamas erkannt hat, dass Israel nirgendwo hingeht und nicht zerstört werden kann. Ich sage ihm, dass ich keine Anzeichen für eine solche Erkenntnis sehe. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns darauf einigen, unterschiedlicher Meinung zu sein.

Unser Gespräch verläuft außerhalb jeder Chronologie.

Mosab Hassan Yousef, Florida, Dezember 2018 (Mit freundlicher Genehmigung)

Er erzählt mir, dass seine Arbeit für Shin-Bet zu Ende ging, als ein neuer Handler von ihm verlangte, einen Lügendetektortest zu machen, den er nicht bestanden hatte, und dann einen zweiten, den er bestand, aber bis dahin hatte er „genug“ und fühlte „Ich schulde dir nichts mehr“, und alles war so akut gefährlich geworden.

Erstaunlicherweise gelang es ihm, in die Vereinigten Staaten zu gelangen: Er bekam ein Visum beim US-Konsulat in Ost-Jerusalem – anscheinend ist das Computersystem nicht in Warnsignale und Alarmtöne ausgebrochen: „Sohn der Hamas! Im Gefängnis von Israel! Nicht in die Vereinigten Staaten einreisen lassen!“ Er flog nach Kalifornien, über Jordanien und Europa, und versteht nicht, warum sie ihn hereingelassen haben. Seine palästinensischen Reisepapiere sollten bald ablaufen, was hätte ausreichen müssen, um ihn zu blockieren. Als sie ihn fragten, wohin er vom Flughafen aus geht, sagte er, er werde einige Zeit mit Freunden in La Jolla verbringen – was stimmte -, aber er konnte La Jolla nicht wirklich aussprechen.

Es waren christliche Freunde, die er zu Hause getroffen hatte. Er war 2004 zum Christentum konvertiert – von einer jungen kalifornischen Frau im Mittelmeer an einem Strand von Tel Aviv getauft – obwohl er sagt, dass diese Phase seines Lebens nur wenige Wochen gedauert hat. Dennoch, „die Lehren Jesu haben sicherlich mein Leben verändert“, sagt er.

Er suchte Asyl, wurde abgelehnt und stand vor der Abschiebung, als Gonen Ben Yitzhak, sein Haupthandler und ein Mann, den er für „meinen Bruder“ hält, sein Leben riskierte und in die USA flog, um die erstaunliche Geschichte seiner Arbeit zur Terrorismusbekämpfung zu bestätigen. Ohne Ben Yitzhaks Aussage hatte Mosab keine Möglichkeit, seinen unplausiblen Anspruch zu beweisen, auf der Seite der Lebensretter gewesen zu sein.

Gonen Ben Yitzhak, in den USA, legt Zeugnis ab für Mosab Hassan Yousef, 2010 (YouTube Screenshot)

Inwiefern, frage ich, hat Gonen sein Leben riskiert? Mosab sieht mich nicht so an, als wäre ich ein Idiot, sondern erklärt geduldig, dass Shin-Bet-Agenten anonyme Gestalten sind, und dass Gonen, als er hervortrat, um Mosab vor der Deportation zu retten und einem wahrscheinlich grausamen Schicksal, seine Identität all den mörderischen Kräften aussetzte, mit deren Bekämpfung er seine Karriere verbracht hatte.

An diesem Abend, bei unserer ersten AFMDA-Veranstaltung, wird sich Mosab zur großen Heiterkeit des Publikums daran erinnern, wie er am Ende des Prozesses der Naturalisierung endlich sein US-Staatsbürgerschaftsformular ausfüllt und alle falschen Kästchen ankreuzt: „Warst du schon mal Mitglied einer terroristischen Vereinigung?“ Ja. „Hast du dich jemals für den Sturz einer Regierung durch Gewalt ausgesprochen?“ Ja. „Bist du jemals wegen eines Verbrechens oder einer Straftat verurteilt worden?“ Ja. „Warst du schon mal im Gefängnis oder Zuchthaus?“ Ja…

Mit vollem Mund Avocados kauend, lobt er Trump, eher lässig, aber nicht böse. „Man braucht jemanden wie ihn. Es ist ein schmutziger Job“, sagt er, nicht unvernünftig.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas (links) und US-Präsident Donald Trump im Palace Hotel während der 72. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. September 2017 in New York. (AFP/Brendan Smialowski)

Er mag die Tatsache, dass Trump „einen Deal“ anbietet, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen – anstatt zu versuchen, „Frieden zu schließen“. Wenn die Palästinenser ihn nicht annehmen, ist das ihr Problem, und Trump wird einfach weitermachen. „Israel muss stark sein“, sagt er. Und „manchmal ist es angebracht, sich zu ergeben“, fügt er hinzu und bezieht sich auf die Palästinenser. „Sieh dir den Dalai Lama an“, schlägt er vor. „Sieh dir an, wie seine Leute behandelt werden. Und doch gibt es keinen Weg zurück durch Gewalt.“

Ich habe das Gefühl, dass ich ihn mit Fragen bombardiere, diese unmögliche Gestalt, die ich vor kaum einer Stunde getroffen habe. Ich will nicht unhöflich sein. Ich will ihn nicht müde machen. Ich weiß nicht, was seine Empfindlichkeiten sind. Er sagt mir, dass seine einzige Sorge ist, dass „wenn ich rede oder esse, atme ich nicht, und je weniger ich atme, desto weniger Energie habe ich“.

Wir fahren zurück zum Hotel, und es wird von einem Terroranschlag vor der Siedlung Ofra im Westjordanland nördlich von Jerusalem berichtet – nicht weit davon entfernt, wo Mosab in Ramallah aufgewachsen ist und wo ich zufällig Familie habe. Eine schwangere Frau, Shira Ish-Ran, wurde angeschossen und schwer verletzt. Die Ärzte haben ihr Baby per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. Das Baby soll stabil sein, die Mutter kämpft um ihr Leben.

Amichai (links) und Shira Ish-Ran, verwundet in einem 9. Dezember 2018, Terroranschlag außerhalb von Ofra im Westjordanland, bei ihrer Hochzeit (mit freundlicher Genehmigung der Familie).

Die Woche Terrorismus wird die erschütternde, blutige Kulisse für unsere Veranstaltungen sein. Ich stelle Mosab an diesem Abend in einer Synagoge in Fort Lauderdale vor und informiere das Publikum über den Angriff. Die Hamas hat die „heroische“ Schießerei gelobt, und hier sind wir mit dem Sohn der Hamas bei einer Veranstaltung, bei der wir Geld für den Rettungsdienst sammeln, der die Notfallversorgung übernahm und die Verwundeten ins Krankenhaus brachte.

Die Palästinenser, sagt er dem Publikum, hätten längst einen Staat haben können, aber ihre Führung ist korrupt und unzuverlässig und handelt nicht in ihrem Interesse. Diese Bemerkungen erinnern an die atemberaubende kurze Rede, die er im vergangenen Jahr im Namen der NGO UN-Watch vor dem UNO-Menschenrechtsrat gehalten hat: „Das Leiden des palästinensischen Volkes ist das Ergebnis egoistischer politischer Interessen. Sie sind der größte Feind des palästinensischen Volkes“, sagte er damals und richtete seine Bemerkungen an die palästinensische Delegation, als die Kollegen sich entsetzt umdrehten in Richtung der palästinensischen Stimme, die sich dem Israel-Bashing-Konsens widersetzte.

Beim Abendessen im Hotel an diesem Abend erzählt mir Mosab, dass er einmal kurzfristig bei einem Abendessen des Jewish National Fund in Kalifornien eingesprungen war, bei dem der vorgesehene Sprecher David Ben-Gurions Enkel war, der abgesagt hatte, weil es seiner Mutter nicht gut ging. So etwa: Der Sohn der Hamas springt bei einer JNF-Spendenaktion ein, weil die Tochter des Gründungspremierministers Israels krank wird.

Er sagt mir auch, dass er einen Radiosender starten möchte, der in Gaza und im Westjordanland sendet und die täglichen Nachrichten diskutiert – „einfach nur lesen, was auf den palästinensischen Webseiten steht und meine Kommentare abgeben“. Ich schlage einen Podcast vor, aber er will Radio: „Ich will, dass sie ihn einfach beim Frequenzhüpfen entdecken.“

Sein Essen: Gedünsteter Brokkoli und gedünsteter Spinat. Mit Olivenöl. Und etwas scharfe Sauce.

Montag

Am späten Vormittag fahren wir zum Klubhaus in einer der bewachten Gemeinden Floridas, um uns mit zwei der AFMDA-Organisatoren zu treffen.

Eine von ihnen begrüßt Mosab wie einen alten Freund; er hatte vor einem Jahr bei einer ihrer Veranstaltungen gesprochen. Sie sagt mir später, dass er sich jetzt besser anzieht und ruhiger ist. Für mich scheint er die Verkörperung des Charmes zu sein, nach ihrer Familie fragend, nach ihrer Gesundheit. Sie erzählt uns, dass sie eine Fußverletzung hat, die ihrem Langstreckenlaufen ein Ende gesetzt hat. Er bietet ihr an, sie mit einer Art Heilerin, die er in Kalifornien kennt, in Kontakt zu bringen.

(Oben und Hauptbild oben im Artikel:) Mosab Hassan Yousef spricht an einem AFMDA-Event in Florida, Dezember 2018 (mit freundlicher Genehmigung).

Während wir reden, merke ich, dass Mosab wie eine Art Philosophen-Guru wirkt. Es ist nicht so, dass er nicht über seine Vergangenheit spricht. Das tut er, und das ohne falsche Bescheidenheit. Er erinnert sich an einen Vorfall, bei dem ihm seine Intuition, nachdem er einfach zwei Leute gesehen hatte, die er kannte, die in Ramallah miteinander sprachen, ihn dazu veranlasste, Gonen zu kontaktieren, in der Überzeugung, dass sie etwas Böses ausbrüteten; und so erwies es sich, und der Shin Bet war in der Lage, es zu verhindern. Er erzählt, dass er die einzige Person war, die beweisen konnte, dass einer der persönlichen Leibwächter von Jassir Arafat mörderische Angriffe auf Israelis verübte. Die Quelle solcher Geschichten ist tief.

Doch er scheint es vorzuziehen, über die conditio humana zu sprechen – Zitate von griechischen und Yogi-Philosophen, Diskussionen über out-of-body-Erfahrungen.

Auf dem Heimweg erzählt er mir von einem Vorfall bei einem jüdischen Anlass, als eine Frau ihn fragte, ob er verheiratet sei. Als sie hörte, dass er es nicht ist, bot sie an, ihn ihrer Tochter vorzustellen.

Er erzählte mir auch von dem Vorfall nach einem weiteren jüdischen Anlass, als ein Mitglied des Publikums danach zu ihm kam und ihm ins Ohr flüsterte: „Ich denke, du bist Fake“.

Wenn unsere AFMDA-Moderatoren uns zurück ins Hier und Jetzt bringen und über die Logistik der heutigen Veranstaltung sprechen, sagt Mosab: „Was immer ich tun kann, um Ihrer Sache zu helfen“. An diesem zweiten Tag unserer gemeinsamen Zeit komme ich immer noch nicht darüber hinweg, dass der Sohn von Scheich Hassan Yousef solche Dinge sagt.

Mosab zuckt mit den Achseln. „Alles, was ich getan habe“, sagt er, „war, zu versuchen, Leben zu retten. Das war meine Vereinbarung mit dem Shin Bet – nicht für Israel oder gegen die Palästinenser zu arbeiten, sondern Leben zu retten.“

Bei der Veranstaltung, die im Haus großzügiger MDA-Spender stattfindet, spielen sie seine 90-Sekunden-Rede vor der UNO, und die Leute, die versammelt sind, stehen auf, um ihm Beifall zu spenden, bevor er überhaupt vorgestellt wird.

Auf dem Heimweg erzählt er mir von einem Vorfall bei einem jüdischen Ereignis, als eine Frau ihn fragte, ob er verheiratet sei. Als sie erfuhr, dass er es nicht ist, bot sie an, ihn ihrer Tochter vorzustellen.

Er erzählte mir auch von dem Vorfall, nach einem weiteren jüdischen Ereignis, als ein Mitglied des Publikums danach zu ihm kam und ihm ins Ohr flüsterte: „Ich denke, du bist Fake.“

Er spricht bei einer Reihe von jüdischen Veranstaltungen, sagt er mir, und auch für christliche evangelische Gruppen. Für Christen im Nahen Osten ist er dagegen ein Gräuel, weil er angeblich die palästinensische Sache verraten hat. Er hat an US-Universitäten gesprochen – und Veranstaltungen auf dem Campus wurden aufgrund von Beschwerden palästinensischer Studenten abgesagt, die behaupteten, sie würden um ihre Sicherheit fürchten, wenn er käme. Er sagt, er würde in amerikanischen Moscheen sprechen, wenn sie ihn ließen. Doch das werden sie nicht.

Dienstag

Wir haben am Dienstag zwei Veranstaltungen, die erste in einem Heim und die zweite in einem Country Club. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, Mosab vorzustellen, indem ich dem Publikum erzähle, dass seine Geschichte so außergewöhnlich ist, dass sie mit dem Kiefer auf dem Boden herumlaufen würden.

Er räumt ein, dass fast alles die Abfolge der Ereignisse hätte stören können, die ihn vom Haus seines Vaters zu Shin Bet, in die USA, und jetzt zu dem hier führten. Zum einen lebte er jahrelang eine Lüge, und ein Ausrutscher hätte ihn bloßstellen können. Zum anderen hatte die IDF keine Ahnung, was er wirklich vorhatte, und stand mehrmals kurz davor, ihn zu töten – ein Hubschrauber, der im Begriff war, auf ein Auto zu feuern, in dem er sich befand; ein Überfall der IDF, bei dem er in einem Keller in die Enge getrieben wurde…

Mosab Hassan Yousef (rechts) und David Horovitz bei einer AFMDA-Veranstaltung in Florida, Dezember 2018 (Mit freundlicher Genehmigung)

Bei der zweiten Veranstaltung, vor etwa 450 Personen, regt sich Mosab zum ersten Mal, das ich erlebt habe, auf. Eine Frau sagt ihm, dass er mit dieser Gruppe „dem Chor predigt“, und fragt, ob er auch mal ein Publikum angesprochen habe, das es nicht kapiert, das Israel feindlich gesinnt ist. Ich glaube nicht, dass sie ihn kritisieren wollte, aber er nimmt die Frage als Affront und fragt sie: „Habe ich nicht genug getan?“ Er ist nicht unhöflich, aber er ist beleidigt, und er ist heftig in seiner Antwort. Da ist ein Blitz aus innerem Stahl, den ich noch nie zuvor wahrgenommen habe.

Andere Fragen, heute Abend und jeden Abend, fokussieren auf seine Sicherheit (er wischt Bedenken beiseite) und auf seine Beziehung zu seiner Familie (es gibt keine). „Ich habe meinem Vater und der Familie etwas Schreckliches angetan“, sagt er, obwohl er auch darauf hinweist, dass sein Vater ohne die Rolle, die der Mosab spielte, mit ziemlicher Sicherheit ermordet worden wäre – die Notwendigkeit, den Zugang zu den Geheimnissen der Hamas, die ihm sein Vater gegeben hat, zu bewahren. Einmal „sagte er mir, dass Allah ihn gerettet hat, als die Armee kam, und jedes Haus außer dem einen Haus, in dem er sich versteckte, durchsuchte“, sagt Mosab eines Abends. ‚Was er für Allah hielt, war ein Shin-Bet-Agent in Tel Aviv.'“

Kundgebung von Hamas-Anhängern im Westjordanland, November 2012 (Flash90)

Als ihn ein Zuschauer einen „Helden“ nennt, zügelt er sich und wehrt sich gegen den Beinamen. „Wenn ich für einige Menschen ein Held bin, so bin ich für andere ein Verräter“, sagt er. „Ich habe nur versucht, Leben zu retten – israelische und palästinensische.“

Heute Abend erzählt er auch einen „Witz“ über zwei Arbeiter auf einem Gerüst auf einer Baustelle – einen israelischen und einen palästinensischen. Als der Israeli sein Mittagessen öffnet, schnaubte er bitter: „Shawarma, schon wieder! Wenn es morgen wieder Schawarma gibt, werde ich in den Tod springen.“ Der Palästinenser öffnet sein Mittagessen und beschwert sich: „Falafel, schon wieder. Wenn es morgen wieder Falafel gibt, werde ich springen.“ Am nächsten Tag findet der Israeli tatsächlich wieder Schawarma in seiner Lunchbox und springt in den Tod. Auch der Palästinenser findet Falafel in seiner Lunchbox und springt in den Tod.

Bei der Beerdigung des israelischen Mannes erzählt seine trauernde Frau allen: „Ich verstehe es nicht. Wenn er kein Schawarma wollte, hätte er es mir nur sagen müssen. Ich hätte ihm jederzeit etwas anderes gemacht.“ Auf der Beerdigung des Palästinensers sagt seine trauernde Frau zu jedem: „Ich verstehe es nicht. Er hat sein Mittagessen selber gemacht.“

Und das, so Mosab abschließend, ist der Zustand in Palästina.

Mittwoch

Heute gibt es keine Veranstaltungen, aber wir verbringen ein wenig Zeit mit unseren Gastgebern. Mosab lehrt uns eine Atemübung, und beim Mittagessen – Brokkoli, Spinat – meint er, dass es „keine Kraft auf Erden gibt, die Israel zerstören kann“, während die „Nazis nie verschwunden sind“ und „der Hass der Hisbollah und Hamas nie verschwinden“.

Als er und ich später reden, frage ich ihn, ob Israel versucht hat, sein Buch zu zensieren. (Die militärische Zensur verhindert, dass israelische Bürger Material veröffentlichen, das die nationale Sicherheit gefährden könnte.) Er sagt nein, aber dass er sensibles Material aus dem Text herausgehalten hat.

Wir hören jetzt, dass sich der Zustand von Shira Ish-Ran, der schwangeren Mutter im Terroranschlag von Ofra, langsam verbessert hat, der ihres Baby sich hingegen verschlechtert hat und dass es jetzt gestorben ist. Auch einige Stunden später hat die Hamas die Anerkennung für die „heroische“ Ofra-Operation eingefordert. „Wie kann man Anerkennung für den Tod eines Babys einfordern“, murmelt Mosab.

Ein von der Hamas veröffentlichtes Plakat, das den Terroranschlag von Ofra vom 9. Dezember 2108 beansprucht und den Märtyrer Salih Barghouti lobt, das am 12. Dezember 2108 auf Hamas‘ offiziellem Twitter-Account veröffentlicht wurde. (Twitter)

Er sagt, er fürchtet, dass die Hamas eine Art terroristische Infrastruktur im Westjordanland aufgebaut hat, und stellt fest, dass Kobar, das Heimatdorf des mutmaßlichen Schützen Salih Barghouti, zahlreiche Terroristen hervorgebracht hat, darunter Omar al-Abed, 19, der im Juli letzten Jahres drei Mitglieder der Salomon-Familie ermordet hat, nachdem er sich in die Siedlung Halamish im Westjordanland eingeschlichen hatte.

Es ist gut, dass Barghouti tot ist, sagt er – getötet, als er versucht, die Truppen anzugreifen, die ihn aufgespürt hatten. „Sonst würde er noch mehr Babys töten.“

Er will sich den Film „Green Book“ über den Rassismus im tiefen Süden der USA in den frühen 1960er Jahren ansehen, der auf der anderen Straßenseite spielt, also los geht’s. Mosab zeigt sich begeistert davon. „Ich wurde ein bisschen emotional“, sagt er, als wir wieder gehen, und sagt voraus, dass er den besten Film, die beste Musik, den besten Nebendarsteller gewinnen sollte…

Wir hören jetzt, dass die IDF den Schützen getötet hat, der im Oktober zwei seiner eigenen Kollegen im Industriegebiet von Barkan getötet hat. „Das wird eine gute Nacht für Shin Bet“, sagt er. „Es muss viele Leute gegeben haben, die in den letzten Wochen nicht geschlafen haben.“

„Wow“, atmet er aus und klärt mich dann auf: „Es ist keine Feier. Es ist eine Erleichterung.“

Donnerstag

Heute ist unsere letzte Veranstaltung, und wie schon die ganze Woche versuche ich, während der 40 Minuten oder so, dass ich ihn auf der Bühne befrage, ihn irgendwie in seiner gesamten Lebensgeschichte, seiner Motivation, seinen Hoffnungen für die Zukunft, seiner Lebenseinstellung und vielem mehr herumzukramen.

Das ist allerdings schlichtweg unmöglich, noch mehr durch die Unvorhersehbarkeit Mosabs. Ich habe ihn bei jeder Veranstaltung gebeten, ein wenig über seine Kindheit, seine Transformation, die Besonderheiten seiner Arbeit für den Shin Bet und seine Nach-Agenten-Zeit zu sprechen. Und jedes Mal, wenn er seine Antworten gelassen und bedacht gab, hat er neue Gedanken und Fakten offenbart.

Heute Abend erinnert er sich daran, dass, als der Shin Bet ihn kontaktierte, nachdem er aus seiner Haftzeit für den Besitz einer Waffe entlassen worden war, er sie fragte, warum sie nicht denjenigen ihrer Hamas-Agenten zu Hilfe gekommen seien, die von anderen Hamas-Häftlingen im Gefängnis gefoltert wurden. Der Shin Bet hatte ihm versichert, dass diese Männer nicht ihre Agenten waren. Und dass nur ein einziger ihrer Agenten jemals enttarnt worden sei. Und dass im Falle dieses Mannes Shimon Peres persönlich bei Arafat intervenierte, um zu verhindern, dass ihm Schaden zustößt. Er hatte diese Geschichte nachrecherchiert und als wahr befunden, sagt er, und das war ein weiterer Wendepunkt in seiner „Wie ich lernte, mit dem Hass auf Israel aufzuhören und zu helfen, Leben zu retten“ Odyssee.

Mosab Hassan Yousef vor einem Vollwertkostmarkt in Florida, Dezember 2018 (ToI-Fotograf)

Vor dieser letzten Veranstaltung waren wir wieder zusammen zum Mittagessen gegangen – zum Vollwertkostmarkt, natürlich, wenn auch einer anderen Filiale. Hier erzählte er mir, dass seine beiden Eltern ihn als Kind geschlagen haben – „weit verbreitet in der palästinensischen Gesellschaft“, sagte er – und dass er all seine Wut über diese und alle anderen Frustrationen gegen Israel gerichtet hatte – was wiederum zur palästinensischen Norm gehört.

In Amerika, sagt er bei diesem letzten unserer gesunden gemeinsamen Mittagessen, habe er seine Freiheit gefunden. Die Vereinigten Staaten, sagt er, „verbinden Macht und Gnade. Ich bin den Vereinigten Staaten sehr dankbar.“

Wir machen ein paar Fotos vor dem Laden, umarmen uns und versprechen, dass wir in Kontakt bleiben. Er sagt mir, ich solle Gonen besuchen, der letzten Montag vor einem Gericht in Tel Aviv als Anwalt der Verteidigung in einer Verleumdungsklage von Yair Netanyahu auftauchte. Am Freitag, vier Tage später, wurde Gonen bei einer Demonstration in Tel Aviv gegen die Erhöhung der Lebenshaltungskosten verhaftet und 30 Stunden lang festgehalten.

Gonen war vor zwei Monaten in den Schlagzeilen, als er auf die Straße lief und eine israelische Flagge vor der Autokolonne von Premierminister Benjamin Netanyahu in einer Ein-Mann-Aktion des Anti-Korruptionsprotestes schwenkte. Das Video des Vorfalls zeigt einen aktuellen Shin Bet-Agenten, der diesen ehemaligen Shin Bet-Agenten in letzter Sekunde aus dem Weg des Premierministerkonvois drängt.

Sowas kann man gar nicht erfinden.

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