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Arabische Religiosität und Unterstützung für die Palästinenser

Prof. Hillel Frisch, 1.3.2019, Begin-Sadat-Center
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

Screenshot der Google-Suche nach der al-Aqsa-Moschee auf Arabisch

Es gibt mehr Webseiten in arabischer Sprache über die al-Aqsa-Moschee als Webseiten über den palästinensischen Widerstand. Im Englischen gibt es die dreifache Menge von Webseiten über den palästinensischen Widerstand als über die al-Aqsa-Moschee, was eine säkularere Öffentlichkeit widerspiegelt als in der arabischen Welt. Um den Nahen Osten zu verstehen, muss man auf Arabisch denken und die Religion viel ernster nehmen.

BESA-Center Perspektivenpapier Nr. 1,100

Palästinenser behaupten gerne, dass ihr Problem im Zentrum der arabischen Anliegen steht, ungeachtet der Vielzahl von Krisengebieten im Nahen Osten wie Syrien, Jemen und Libyen.

Ein Blick auf die Google-Suchtrends zum Palästinenserproblem in der arabischen Welt lässt ernsthafte Zweifel an diesem Anspruch aufkommen.

Das Palästina-Problem ist, wie die meisten anderen politischen Fragen auch, eine Funktion des persönlichen Engagements und der geografischen Nähe zum Krisengebiet. Das bedeutet, dass es die Palästinenser selbst sind, die den Konflikt am häufigsten suchen, gefolgt von den Nachbarländern und weiterer Ausdünnung, je weiter weg die Suchenden von „Palästina“ entfernt sind.

Sucht man also nach „palästinensischer Widerstand“ (auf Arabisch, al-muqawama al-Filastiniyya), so sind die Suchanfragen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl in „Palästina“ mehr als viermal so zahlreich wie unter den Arabern in Israel, zehnmal so zahlreich wie im nahen Jordanien, 40 mal so zahlreich wie in Syrien und fast 400 mal so zahlreich wie im fernen Marokko.

Der Begriff „Zionismus“, der für die meisten arabischen Leser eine ähnliche Feindseligkeit hervorruft wie im Westen Begriffe wie „Stalinismus“ und sogar „Nazismus“, zeigt ein ähnliches Suchmuster. Er wird am häufigsten von Palästinensern und kaum von Marokkanern gesucht.

Das ist nicht überraschend. Eine Suche nach Charles de Gaulle, sagen wir, würde ein ähnliches Muster zeigen. Die meisten Suchenden würden sich in Frankreich und den frankophonen Staaten in der französischen Umlaufbahn befinden. Je weiter die Suchenden von Frankreich entfernt sind, desto weniger Interesse würde man an de Gaulle finden.

Doch wenn man die „al-Aqsa-Moschee“ (masjid al-Aqsa) anschaut, bekommt man ein ganz anderes Bild. Hier gelten zwar noch die Gesetze der persönlichen Betroffenheit und Nähe, aber ihre Wirkung wird abgeschwächt.

Religiöse und nicht nationalistische oder panarabische Gefühle bedeuten, dass die al-Aqsa-Moschee für die Araber relativ gesehen wichtiger ist als der palästinensische Widerstand.

Zunächst einmal gibt es kaum Unterschiede zwischen der Anzahl der Suchanfragen im Zusammenhang mit der Moschee, die von Palästinensern im Zuständigkeitsbereich der Palästinensischen Autonomiebehörde und im Gazastreifen, den arabischen Bürgern Israels und Suchenden aus Jordanien (wo die Palästinenser immer noch die Mehrheit bilden könnten) durchgeführt wurden, gegenüber der Suche nach palästinensischem Widerstand.

Während die Suche nach Letzterem bei Palästinensern viermal häufiger war als bei Arabern in Israel und zehnmal häufiger als im nahegelegenen Jordanien, war die Suche nach der Moschee weniger als zwei Mal weniger häufig bei israelischen Arabern und nur ein Drittel weniger in Jordanien.

Ein Vergleich der Suche nach diesen Begriffen zwischen zwei weiter entfernten Staaten, Syrien und Marokko, zeigt das gleiche Muster. Im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung suchten Syrer den „palästinensischen Widerstand“ nur ein Viertel so oft wie Palästinenser. Für die al-Aqsa-Moschee beträgt der Unterschied ein Zwanzigstel. Während die Palästinenser 400 Mal mehr „palästinensischen Widerstand“ suchten als die Marokkaner, war der Multiplikator für al-Aqsa mit 50 viel niedriger.

Dies galt für die meisten arabischen Staaten, darunter Ägypten, Algerien und Tunesien. Das Interesse an der al-Aqsa-Moschee war viel gleichmäßiger verteilt als das Interesse an rein politischen und nationalistischen Begriffen wie „palästinensischer Widerstand“ und „Zionismus“.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Gesamtzahl der Webseiten für „Palästinensischer Widerstand“ und „al-Aqsa-Moschee“ in arabischer Sprache nahezu gleich ist: 11,5 Millionen für ersteres und 12,5 Millionen für zweiteres. Die gleichmäßigere Verbreitung der Anzahl der Webseiten für die Moschee im Vergleich zum nationalistischeren Begriff „palästinensischer Widerstand“ ist signifikant.

Dies unterstreicht die Bedeutung der religiösen Dimension im arabisch-palästinensischen Konflikt im arabischsprachigen Raum sowohl innerhalb als auch außerhalb der palästinensischen Arena.

Das ist nicht wirklich neu. Der Islam war ein großes, wenn nicht sogar dominantes Thema in den turbulentesten Zeiten des Konflikts zwischen Juden und Arabern im Heiligen Land.

Im April 1920 begannen Angriffe auf Juden während der religiösen Nabi-Musa-Wallfahrt nach Jerusalem. Die Krawalle von 1921 begannen in Jaffa, um gegen die Teilnahme nicht züchtig genug gekleideter jüdischer Frauen an den Demonstrationen zum 1. Mai in Jaffa zu protestieren.

Sieben Jahre später, 1928, prägte Hajj Amin al-Husayni den Ausdruck „al-Aqsa in Gefahr“ in einer panislamischen Kampagne gegen die zionistische Bewegung, die im August 1929 zum bisher mörderischsten Angriff gegen Juden führte. Dieser Begriff wurde inzwischen sowohl von der Hamas als auch vom nördlichen Zweig der Islamischen Bewegung übernommen (Verboten 2015).

Während der zweiten Intifada versuchten die PA und die Fatah in ihrem Kampf gegen eine aufstrebende Hamas, die den Konflikt mit Israel religiös einfärben wollte vergeblich, den Konflikt „Unabhängigkeits-Intifada“ zu nennen. Heute wird sie im Arabischen allgemein als „al-Aqsa-Intifada“ bezeichnet, sogar im Fatah- und PA-Diskurs.

Der gleiche religiöse Eifer für die palästinensische Sache findet sich auch in der arabischen Welt.

Die ägyptische Muslimbruderschaft entsandte während des Unabhängigkeitskrieges die bei weitem größte Zahl von Freiwilligen, und diese spielten eine wichtige Rolle bei der Belagerung Jerusalems.

1973 motivierte der weltliche, nationalistische und sozialistische ägyptische Staat seine Soldaten, den Kanal zu überqueren, um einen Religionskrieg gegen die israelischen Ungläubigen zu führen. Die arabischen Bürger Israels haben sich in den ersten zehn Tagen des Ausbruchs der Gewalt im Jahr 2000 erstmals in Massenaufständen für die palästinensische Sache eingesetzt und „Khaibar, Khaibar Ya Yahud, Jeish Muhammad sa Ya’ud“ („Erinnert Khaibar, oh Juden, Mohammeds Armee wird zurückkehren“), ein Hinweis auf die totale Niederlage jüdischer Stämme in der Oase Khaibar in den frühen Jahren des Islam.

Warum den religiösen Charakter des Konflikts betonen?

Die Antwort liegt bei den englischsprachigen Lesern, von denen viele säkular sind und glauben, dass andere von säkularen Konzepten motiviert sind. Eine Suche nach dem Begriff „palästinensischer Widerstand“ im Vergleich zu „al-Aqsa-Moschee“ findet im Englischen mehr als dreimal mehr Webseiten für die erste als für die zweite. Auf Arabisch werden deutlich mehr Webseiten für die Moschee gefunden.

Um den Nahen Osten zu verstehen, muss man auf Arabisch denken und die Religion viel ernster nehmen als im Westen.

Prof. Hillel Frisch ist Professor für Politikwissenschaft und Nahoststudien an der Bar-Ilan Universität und Senior Research Associate am Begin-Sadat Center für strategische Studien.


Auf Deutsch übersetzt und publiziert mit freundlicher Genehmigung des BESA Centers.

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