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Die palästinensische Dissonanz

In keinem anderen Konflikt wurden die Aggressoren von ihren Opfern eingeladen, Bürger jenes Landes zu bleiben, das sie von der Landkarte zu tilgen versuchen.

Melanie Philips, 6.1.2020, jns.org
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

Palästinensische Demonstranten protestieren am 30. Januar 2020 in Hebron gegen den Nahost-Friedensplan von US-Präsident Donald Trump. Foto von Wisam Hashlamoun/Flash90.

Lassen wir mal die sich vertiefenden Streitereien über die „Vision“ von US-Präsident Donald Trump zur Beendigung des Nahostkonflikts beiseite.

Lassen wir mal die Frage beiseite, ob der Hauptverfasser des Plans, Jared Kushner, und der US-Botschafter in Israel, David Friedman, eine „sofortige“ israelische Souveränitätserklärung über das Jordantal und das „Dreieck“ der umstrittenen Gebiete zurückgenommen haben (das haben sie nicht; die Notwendigkeit, zunächst eine Karte zu erstellen und sich über die Details zu einigen, wurde von Anfang an deklariert).

Lassen wir die Aufregung unter den jüdischen Einwohnern von Judäa und Samaria sowie bestimmten südlichen Gebieten Israels beiseite, die über die Aussicht auf einen geplanten palästinensischen Staat entsetzt sind (dies wird nicht geschehen, weil die Palästinenser ihren Krieg, Israel auszulöschen, beenden müssten, den sie niemals aufgeben werden).

Lassen wir die Art und Weise beiseite, in der Israels belagerter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Trump-Vorschlag möglicherweise für Wahlzwecke nutzt (er verhält sich also wie ein Politiker; na und?).

Schauen Sie sich stattdessen die Reaktion der israelischen Araber an. Nicht die Reaktion der Palästinensischen Autonomiebehörde, die nur die jüngste ihrer vielen Zurückweisungen eines eigenen Staates neben Israels war.

Schauen Sie sich die Araber selbst an, für die dieser Staat bestimmt ist. Wie reagieren sie auf das Angebot von mehr als 80 Prozent des Landes für einen solchen Staat? Sie sind wütend.

Und das liegt nicht daran, dass es nicht 100 Prozent des Landes sind. Sie sind wütend über die Vorstellung, dass sie sich in einem solchen Staat wiederfinden könnten. Sie sind derart wütend, dass sie zu Tausenden gegen diese Aussicht demonstriert haben.

Palästinensische Führer und ihre westlichen Unterstützer quietschen, dass der Plan die israelischen Araber im Jordantal und im „Dreieck“ ihrer israelischen Staatsbürgerschaft berauben und sie nach Palästina versetzen würde, indem man einfach die Grenze um ihre Dörfer herum zieht.

Das ist nicht wahr. Der Trump-Plan besagt, dass sie werden wählen können zwischen den beiden Möglichkeiten, Bürger Israels zu bleiben, oder der Einbürgerung in Palästina. So würden sie überhaupt nicht ihrer Staatsbürgerschaft „beraubt“ werden. Sondern es wäre ihre freie Wahl, sie zu ändern.

Und sicherlich würden sie alle die Wahl haben, Bürger Palästinas zu werden — das Ergebnis, das, wie uns gesagt wurde, die absolute Voraussetzung für die Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts ist?

Nun, raten Sie mal. Angesichts dieser Entscheidung — wie die Beweise immer wieder gezeigt haben — würden sich viele, wenn nicht die meisten, freiwillig dafür entscheiden, Bürger Israels zu bleiben. Wer könnte da überrascht sein?

Wie der maßgebliche israelisch-arabische Journalist Khaled Abu Toameh für das Gatestone-Institut geschrieben hat, ist der Hauptgrund dafür, dass diese „Dreiecksaraber“ sich nachdrücklich dagegen wehren, Bürger eines palästinensischen Staates zu werden, der, dass dies die Freiheiten, die sie als israelische Bürger genießen, eliminieren würde.

„Die Proteste der arabischen Israelis“, schreibt er, „werden als eine Botschaft an die Welt gesehen, dass sie es vorziehen, weiterhin in Israel zu leben und nicht unter einer weiteren arabischen Diktatur.

Sie hören täglich von der Unterdrückung der Araber in Gaza durch die Hamas. Und kürzlich wurden mehrere Studenten, vor allem an der An-Najah-Universität in Nablus, von den Sicherheitskräften der PA verhaftet und brutal gefoltert.

Arabische Studenten, die in den umstrittenen Gebieten leben, sagt er, können die israelisch-arabischen Studenten nur beneiden, die an israelischen Universitäten politische Aktivitäten durchführen dürfen.

Unabhängig von dieser Reaktion auf den vorgeschlagenen Palästinenserstaat ist es wichtig, darauf hinzuweisen, wie bizarr dieser besondere Aspekt des Trump-Vorschlags ist.

In anderen Kriegen ist die Vertreibung zumindest von Teilen der Bevölkerung an der Tagesordnung, was kaum Anlass zu Kommentaren gibt.

In keinem anderen Konflikt haben die Opfer der Aggression vorgeschlagen, wie in diesem Plan, dass Mitglieder dieses aggressiven Volkes nicht nur in ihren eigenen Häusern bleiben dürfen, nicht nur von denen regiert werden, die sie angeblich regieren wollen, sondern dass sie auch eingeladen werden sollten, statt dessen Bürger des Landes zu bleiben, das ihr Volk auszurotten versucht hat.

Und all dies, während diese Menschen immer noch von einem Regime geführt werden, das sie zur Fortsetzung ihres Krieges anstachelt — und das als eine so permanente Bedrohung angesehen wird, dass man ihm niemals die volle Souveränität über ihren eigenen Luftraum und andere Sicherheitsfragen anvertrauen kann.

Auf den ersten Blick ist der Vorschlag für einen solchen Palästinenserstaat daher für Israel selbstmörderisch dumm. Wir sollten uns also fragen, warum — auch wenn seine Bedingungen bedeuten, dass es keine Möglichkeit gibt, dass die palästinensischen Araber ihm jemals zustimmen würden — ein solch scheinbar perverses Angebot überhaupt gemacht wird.

Eine Antwort ist, dass viele im Westen, darunter offenbar auch Jared Kushner, immer noch naiv glauben, dass die Palästinenser, wenn sie die Aussicht auf massiv ausgeprägten Wohlstand haben, schließlich erkennen werden, dass ihre Interessen eher im Frieden als im Krieg liegen. Dies deutet darauf hin, dass die wahre Ursache dieses Konflikts nach wie vor nicht richtig verstanden wurde, nämlich nicht das Fehlen eines palästinensischen Staates, sondern die Absicht, Israel auszulöschen.

Das verwundbare Israel seinerseits fühlt sich verpflichtet, sich diesem fehlgeleiteten westlichen Konsens anzuschließen, weil es nervös ist, sich zu hart gegen seine Verbündeten, selbst gegen seine doppelzüngigen „Freunde“ in Europa und Großbritannien, zu wehren.

Darüber hinaus waren die Juden Israels von Anfang an auffallend ambivalent gegenüber den Arabern, die im Land lebten, trotz des Krieges, den diese Araber führten, um den Juden ihre rechtmäßige Heimat zu verweigern.

So erklärten die umkämpften Juden während des israelischen Unabhängigkeitskrieges, dass sie nicht wollten, dass die Araber des Landes den jüdischen Staat verlassen, für dessen Errichtung sie gerade zu dieser Zeit verzweifelt gegen die eindringenden arabischen Armeen kämpften. Selbst während dieses Existenzkampfes unterschieden sie zwischen den Führern und den Geführten.

Es gibt eine direkte Verbindung zum heutigen Israel — nicht nur zu den Zwei-Staats-Verfechtern der Linken, die blind für die potenzielle Bedrohung scheinen, die dieses Palästina darstellen würde, sondern auch zu den jüdischen Zentristen, die glauben, dass die Palästinenser ein Recht auf einen eigenen Staat haben.

Doch nach jedem normalen moralischen Standard müssen alle Rechte, die die palästinensischen Araber jemals hatten, als Folge ihres hundertjährigen Vernichtungskrieges als um ein Vielfaches verwirkt betrachtet werden.

Warum sind die israelischen Juden also so gütig gegenüber diesen Feinden?

Vielleicht gibt es ein untergeordnetes Maß an Schuld, insbesondere bei den säkularen Juden mit europäischem Hintergrund, die sich ursprünglich als kulturelle Außenseiter fühlten und daher mit der Situation der im Land lebenden Araber sympathisierten.

Gleichzeitig sind die palästinensischen Araber vielleicht ein notwendigerweise zweideutiger Feind, weil sie zur Familie gehören. Eine Stieffamilie, sicherlich: wie die Tora sagt, die Nachkommen Ismaels, der mit seiner Mutter Hagar von seinem Vater Abraham in die Wüste vertrieben wurde.

Doch mit diesem gemeinsamen Vater, trotzdem Familie. Und so sehr Ihre Familie Sie auch verletzt und bedroht, selbst mit skrupelloser Barbarei und Grausamkeit, gibt es oft noch einen Teil von Ihnen, der trotz aller Widerstände nie aufhört, sich danach zu sehnen, den Riss mit jenen zu reparieren, mit denen Sie sich immer verbunden fühlen werden.

Der Frieden zwischen Arabern und Juden wird jedoch nicht dadurch erreicht, dass man die Karte des Nahen Ostens neu zeichnet, sondern nur dann, wenn die arabische und muslimische Welt aufhört zu versuchen, den Staat Israel auszulöschen.

Doch die Großzügigkeit, die Israel seinen Arabern gegenüber zeigt, indem es ihnen diese Wahlfreiheit der Nation anbietet — und der Grund für ihre Reaktion — bietet die Gelegenheit, Juden zu lehren, deren Sicht auf Israel zunehmend von seinen Feinden in dem geprägt wird, was es bedeutet, ein jüdischer Staat zu sein.

Und einige Israelis müssen auch das lernen.

Melanie Phillips, eine britische Journalistin, Rundfunksprecherin und Autorin, schreibt eine wöchentliche Kolumne für JNS. Derzeit ist sie Kolumnistin der „Times of London“. Ihre persönlichen und politischen Memoiren, „Guardian Angel“, wurden von Bombardier veröffentlicht, die 2018 auch ihren ersten Roman „The Legacy“ veröffentlichte. Ihr Werk ist zu finden unter: www.melaniephillips.com.

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