GENF, 15. Juni 2020, UN Watch
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
Heute erschien die UNO-Rechte-Chefin Michelle Bachelet vor dem UNO-Plenum, um eine beispiellose schwarze Liste von Unternehmen vorzustellen, die Geschäfte „im Zusammenhang mit den Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten“ tätigen, zu denen für die UNO auch das jüdische Viertel von Jerusalem gehört. Die schwarze Liste, die ursprünglich im Februar von Bachelets Büro veröffentlicht wurde, wird nun auf der Sitzung des Menschenrechtsrates unter den Mitglieds- und Beobachterstaaten diskutiert.
UN Watch gab die einzige Zurückweisung gegen die schwarze Liste ab, die heute in den offiziellen UNO-Dokumenten erscheint, die an die Delegierten verteilt wurden. Die schriftliche Erklärung (siehe unten) wurde während der 43. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats zur Überprüfung vorgelegt.
Schriftliche Erklärung von United Nations Watch
Warum die Schwarze Liste gegen UNO-Prinzipien und Völkerrecht verstößt, Punkt 7 der Tagesordnung
In der Resolution 31/36, die von der arabischen Gruppe, der OIC, dem Sudan, Venezuela, Algerien, Bahrain, Bolivien, Tschad, Kuba, Dschibuti, Ecuador, Ägypten und Libyen unterstützt wurde, forderte der Menschenrechtsrat (HRC) den Hochkommissar auf, eine Datenbank aller Unternehmen zu erstellen, die „direkt und indirekt den Bau und das Wachstum der Siedlungen ermöglichten, erleichterten und davon profitierten“.
Ziel der Datenbank ist es, Druck auf Israel auszuüben, damit es sich aus den Siedlungen zurückzieht — ein Schritt, der nach dem Osloer Abkommen nur im Zusammenhang mit Verhandlungen über den endgültigen Status erfolgen sollte.
Selbst diejenigen, die gegen die Siedlungen sind, haben Grund, die diskriminierende schwarze Liste entschieden abzulehnen, unter anderem aus folgenden Gründen
Verstößt gegen die UNO-Prinzipien der Gleichheit und Nicht-Diskriminierung
In der UNO-Charta heißt es, dass die UNO „auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder beruht“[1] Ebenso gehören zu den Gründungsprinzipien des Menschenrechtsrates „die Gewährleistung von Universalität, Objektivität und Nicht-Selektivität bei der Behandlung von Menschenrechtsfragen sowie die Beseitigung von Doppelmoral und Politisierung“.[2] Entgegen diesen Gründungsprinzipien soll die Schwarze Liste die diskriminierende BDS-Kampagne fördern, die versucht, die palästinensische politische Agenda durch die Delegitimierung Israels voranzubringen.
Es gibt mehr als 100 umstrittene Gebiete auf der ganzen Welt, von denen viele Besetzungen und Siedlungen beinhalten. Doch in keinem anderen Fall hat sich die UNO für die Einrichtung einer Datenbank von Unternehmen eingesetzt, die in den umstrittenen Gebieten tätig sind.
Die Westsahara und Nordzypern sind Paradebeispiele für diese Doppelmoral.
Marokko besetzte 1974 die Westsahara. Obwohl der Sicherheitsrat das besetzte Gebiet als besetzt betrachtet, hat Marokko dort bedeutende Siedlungen errichtet, die von der EU auf folgende Weise unterstützt werden:[3]
- Die EU zahlt Marokko 40 Millionen Euro pro Jahr für das Recht, in den marokkanischen Gewässern zu fischen, ausdrücklich auch einschließlich Westsahara.
- Die EU stellt Marokko Hunderte von Millionen Euro an ausländischer Hilfe zur Verfügung, ohne Einschränkung, dass die Mittel nicht in der Westsahara verwendet werden dürfen.
Die Türkei besetzte 1974 Nordzypern. Obwohl der Sicherheitsrat die türkische Kontrolle für illegal hält, errichtete die Türkei Siedlungen, die die EU auf folgende Weise aktiv unterstützt:[4]
- Die Türkei hat auf dem Territorium Universitäten gegründet, von denen viele Zweigstellen von Universitäten auf dem türkischen Festland sind und gemeinsame Programme mit großen britischen Institutionen haben.
- Die EU finanziert die türkischen Zyprioten, einschließlich der Siedler, direkt mit 28 Millionen Euro pro Jahr, u.a. in Form von Stipendien für Studenten und technischer Hilfe für Unternehmen.
- Die EU hilft türkischen Siedlern bei der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in Nordzypern.
Das Schweigen der UNO zu geschäftlichen Aktivitäten in diesen besetzten Gebieten zeigt, dass es bei der schwarzen Liste nicht um Menschenrechte geht. Einige haben gegen den Begriff „schwarze Liste“ Einspruch erhoben und behauptet, dass es bei der Siedlungsdatenbank lediglich um die Transparenz von Unternehmen gehe.[5] Wäre dies jedoch der Fall, wäre sie nicht auf Israel beschränkt.
Business in Siedlungen ist nicht illegal
Die obigen Beispiele zeigen, dass es kein völkerrechtliches Verbot von Geschäften in Siedlungen gibt. Tatsächlich verpflichtet Artikel 43 der Haager Konvention von 1907 die Besatzungsmacht, „soweit wie möglich die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen und zu gewährleisten“. Dies wird so verstanden, dass es der Besatzungsmacht erlaubt ist, Infrastruktur, einschließlich Straßen, sanitäre Einrichtungen, Kommunikation und Sicherheit, zu bauen.[6] In ähnlicher Weise erlaubt die Vierte Genfer Konvention einer Besatzungsmacht, in den von ihr kontrollierten Gebieten Geschäfte zu tätigen.[7]
Diese Prinzipien wurden in mehreren Gerichtsurteilen bestätigt, unter anderem in
- Einem Memo des UNO-eigenen Rechtsberaters aus dem Jahr 2002, das sich mit dem Fall der Westsahara befasst.[8]
- Einem Urteil des französischen Berufungsgerichts in Versailles aus dem Jahr 2013, das bestätigt, dass die Genfer Konventionen die private Wirtschaftstätigkeit in Siedlungen nicht ausschließen.[9]
- Einem Urteil eines anderen französischen Gerichts aus dem Jahr 2014, wonach Siedlungsprodukte und ihre Herstellung nicht illegal sind.[10]
- Einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Großbritanniens aus dem Jahr 2014, wonach der Verkauf von Siedlungsprodukten nicht zu Verletzungen des Völkerrechts beiträgt.[11]
Die Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten propagieren keine Schwarzen Listen
Bezeichnenderweise ist die Verletzung von palästinensischen Menschenrechten keine Bedingung für die Aufnahme auf die Schwarze Liste. Pro-palästinensische Gruppen behaupten, dies liege daran, dass „Missbräuche Siedlungsunternehmen inhärent sind“[12] Ein solches generelles Verbot, mit besetzten Gebieten Geschäfte zu machen, wird jedoch nicht durch die staatliche Praxis, das Völkerrecht oder die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gestützt.
Tatsächlich sehen die Leitprinzipien ausdrücklich die Fortführung von Geschäften in Konfliktgebieten vor. Sie fordern Unternehmen lediglich auf, die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Menschenrechte mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, mit dem Ziel, den Betrieb aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte zu ergreifen.[13]
Bezeichnenderweise liegt die Last, eine Due Diligence durchzuführen, auf dem Unternehmen selbst und nicht auf Dritten wie der UNO. Die Leitprinzipien legen nahe, dass ein Unternehmen den Rückzug aus einem Konfliktgebiet unter den begrenzten Umständen „erwägen“ kann, wenn es feststellt, dass es nicht in der Lage ist, die Menschenrechte zu schützen. Dies wird als interne Geschäftsentscheidung formuliert. Selbst dann muss das Unternehmen die „nachteiligen Auswirkungen auf die Menschenrechte“ eines Rückzugs prüfen.[14] Die Leitprinzipien schlagen vor, dass ein Unternehmen den Rückzug aus einem Konfliktgebiet „erwägen“ kann.
Im Falle der Siedlungen können sowohl Israelis als auch Palästinenser durch den Rückzug von Unternehmen nachteilig betroffen sein. In den Leitprinzipien wird die Einrichtung einer Datenbank über Unternehmen, die in Konfliktgebieten tätig sind, weder erwähnt noch propagiert. Ebenso akzeptiert die Erklärung der Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte zu Israel, dass Unternehmen berechtigt sind, in besetzten Gebieten tätig zu werden, und befürwortet keine schwarze Liste.[15]
Verstoß gegen das ordnungsgemäße Verfahren
Das einzige veröffentlichte Kriterium für die Aufnahme in die Schwarze Liste ist die vage und übertriebene Formulierung des Paragraphen 96 des Berichts des Menschenrechtsrates über Siedlungen.[16] Die genannten Aktivitäten (Baugewerbe, Sicherheitsdienste, Versorgungsunternehmen, Banken usw.) werden als problematisch erachtet, weil sie „besondere Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen aufwerfen“, ohne dass das Wie oder Warum angegeben wird. In seinem Bericht vom 26. Januar 2018 räumte der damalige Hochkommissar Zeid Hussein ein, dass die Auswahlkriterien nicht auf Menschenrechtsverletzungen beruhen, sondern auf der Beteiligung an den aufgelisteten Aktivitäten unabhängig von den Auswirkungen auf die Menschenrechte.[17]
HRC ist nicht befugt, Sanktionen zu verhängen
Gemäss Artikel 41 der UNO-Charta ist ausschliesslich der Sicherheitsrat befugt, Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat zu verhängen. Der Menschenrechtsrat hat keine solche Befugnis. Während einige argumentiert haben, dass die Schwarze Liste keine Sanktion darstellt,[18] verweist Resolution 31/36 ausdrücklich auf Paragraph 117 des Berichts der Fact-Finding Mission on Settlements vom Februar 2013,[19] in dem empfohlen wird, dass private Unternehmen „ihre Geschäftsinteressen an den Siedlungen beenden“. Dies folgt der Aufforderung in Paragraph 12 an Israel, „unverzüglich einen Prozess des Rückzugs aller Siedler aus den besetzten palästinensischen Gebieten einzuleiten“. Das Ziel besteht also eindeutig darin, Israel wirtschaftlich zum Rückzug aus den Siedlungen zu drängen. Darüber hinaus drückte mindestens ein palästinensischer Funktionär die Hoffnung aus, dass die schwarze Liste zu Sanktionen führen würde.[20]
Fördert die Verletzung der Osloer Abkommen
Artikel 31 des Interimsabkommens von 1995 behält eine Reihe wichtiger Fragen für Verhandlungen über einen dauerhaften Status vor, darunter Siedlungen und Grenzen.[21] Israel zum einseitigen Rückzug aus den Siedlungen zu drängen, verstößt gegen diese Bestimmung.
Beeinträchtigt Israels Recht auf Selbstverteidigung
Israels „inhärentes Recht auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung“ nach dem Völkerrecht wird durch Artikel 51 der UNO-Charta bekräftigt. Terroristische Angriffe gegen Israel lösen dieses Recht aus. Dennoch zielt die Schwarze Liste auf Israels Sicherheits- und Selbstverteidigungsinfrastruktur ab und untergräbt dadurch Israels Fähigkeit, seine Bürger zu schützen. Darüber hinaus legitimiert der UNHRC durch die Aufnahme von Unternehmen, die für die Sicherheit der israelischen Siedlungen sorgen, auf die schwarze Liste, implizit Gewalt und Mord gegen israelische Zivilisten jenseits der grünen Linie — klare Verletzungen des Völkerrechts.
[1] UNO Charta, Artikel 2.
[2] A/Res/60/251.
[3] Eugene Kontorovich, “Economic Dealings with Occupied Territories,” Columbia Journal of Transnational Law 53, 584-637, pp. 600-08, 2015.
[4] Id., p. 615-21
[5]“Joint NGO Statement in Support of the UN Human Rights Database on Business Activities related to Settlements in the Occupied Palestinian Territory,” Amnesty International, Nov. 30, 2017.
[6] “Submission of the Institute of NGO Research, Position Paper Regarding Preparation of a Discriminatory Blacklist Pursuant to UNHRC Resolution 31/36,” NGO Monitor, Jan. 2, 2017.
[7] “Who Else Profits: The Scope of European and Multinational Business in Occupied Territories,” Kohelet Policy Forum, June 2017.
[8] Kontorovich, pp. 602-03.
[9] Id., p. 633.
[10] Id., p. 634.
[11] Id., pp. 631-33.
[12] “Israel/Palestine: UN Settlement Business Data Can Stem Abuses, Human Rights Watch, Nov. 28, 2017; see also “Palestinian Organizations Support Release of UN Database Report and Call for Third State Action to End Corporate Complicity in Occupation,” Al-Haq, January 2018.
[13] Guiding Principles on Business and Human Rights, Principles 7; 17-19.
[14] Id. at Principle 19.
[15] “Statement on the implications of the Guiding Principles on Business and Human Rights in the contect of Israeli settlements in the Occupied Palestinian Territory,” Working Group on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises,” June 6, 2014. We note that the Working Group has not issued a similar statement with respect to any other occupied territory.
[16] http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session31/Pages/DatabaseHRC3136.aspx.
[17] A/HRC/37/39, Report of the High Commissioner pursuant to Resolution 31/36, Jan. 26, 2018, ¶ 9.
[18] Valentina Azarova, “Why the UN is setting up a database of international businesses operating in Israeli settlements,” The Conversation, Dec. 8, 2017.
[19] A/HRC/22/63.
[20] “Israel races to head off UN Settlement ‘blacklist,’” Ynet, Nov. 26, 2017 (quoting Nabil Shaath).
[21] “Israel-Palestinian Interim Agreement on the West Bank and the Gaza Strip,” Sep. 28, 1995.