Website-Icon Politisches & Wissenswertes

Die Geschichte der deutschen Kapitulation vor dem palästinensischen Terrorismus

Eldad Beck, 17.6.2020, Israel Hayom
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

Am Dienstag, 10. Februar 1970, startete ein El Al-Flug von Israel aus in Richtung London. Das Flugzeug hatte 52 Passagiere und 11 Besatzungsmitglieder an Bord. Unter den Passagieren befanden sich die Schauspielerin Hannah Meron und der Schauspieler Assi Dayan, der Sohn des damaligen Verteidigungsministers Moshe Dayan. Meron und Dayan wollten für „Fiddler on the Roof“ vorsprechen.

Um 12.30 Uhr stoppte das Flugzeug in München für einen Anschlussflug, und 34 Passagiere stiegen aus. Nach einer kurzen Wartezeit im Terminal stieg der Rest der Passagiere in einen Bus, der sie zum Flugzeug zurückbringen sollte. Plötzlich stiegen drei arabische Terroristen, bewaffnet mit Granaten und Gewehren, in den Bus, der sie zurück zum Flugzeug bringen sollte. Sie versuchten, das Fahrzeug zu entführen. Captain Uri Cohen schaltete einen von ihnen aus, und die Granate, die der Terrorist in der Hand hielt, explodierte und riss ihm die Hand ab. Der deutsche Busfahrer ignorierte die Rufe, den Terroristen nicht in den Bus einsteigen zu lassen. Er öffnete die Türen, und einige der Fahrgäste schafften es, auszusteigen, aber dann warf einer der Terroristen eine Granate in den Bus. Arie Katzenstein, 32, warf sich selbst auf die Granate – er rettete alle anderen, verlor aber sein eigenes Leben. Insgesamt wurden 11 Fahrgäste verwundet, darunter auch Meron, die ihr linkes Bein verlor.

Die drei Terroristen – zwei Jordanier und ein Ägypter, alle Mitglieder der Aktionsorganisation für die Befreiung Palästinas von Dr. Issam Sartawi – wurden von den Sicherheitskräften der Bundesrepublik Deutschland gefangen genommen. Sie sagten, sie hätten geplant, das Flugzeug nach Libyen zu entführen und von Israel die Freilassung Dutzender von Sicherheitsgefangenen im Austausch gegen die Geiseln zu fordern. Der Prozess gegen die Terroristen wurde wiederholt verschoben, angeblich aus bürokratischen Gründen, in Wirklichkeit aber, weil Deutschland es nicht eilig hatte, einen Prozess abzuhalten, der ein Sicherheitsrisiko darstellte. Alle drei wurden im September 1970 im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Westdeutschland und der Volksfront für die Befreiung Palästinas freigelassen, die auf die Entführung von drei Passagierflugzeugen folgte. Ihre Freilassung ebnete den Weg für die Ermordung israelischer Athleten bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Eine neue Studie über die Haltung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Israel in den Jahren 1967-1979 zeigt, wie sich Westdeutschland dem palästinensischen Terrorismus beugte und welche Schlüsselrolle die westdeutsche Diplomatie dabei spielte, dass das Land eine Samthandschuh-Politik gegenüber den Palästinensern betrieb.

Der Autor der Studie, Dr. Remko Leemhuis, stellvertretender Direktor des Ramer Instituts für deutsch-jüdische Beziehungen am American Jewish Committee in Berlin, sagt, dass „die Palästinenser sehr schnell gelernt haben, dass sich der Terrorismus in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, auszahlte, und wenn sie die westdeutsche Regierung erpressten, würde sie nachgeben“.

„Diese Schlussfolgerung ergibt sich eindeutig aus Gesprächen, die Vertreter des Bundesaußenministeriums mit Vertretern der Palästinenser geführt haben. Trotz des freundlichen Verhaltens der Palästinenser machten sie deutlich, dass die Palästinenser nicht versprechen können, dass es keine weiteren Terroranschläge auf deutschem Boden geben wird, wenn die Gesprächspartner nicht das tun, was die PLO will. Die deutsche Seite hatte Angst davor.“

Dr. Remko Leemhuis, amtierender Direktor des Ramer Instituts für deutsch-jüdische Beziehungen beim American Jewish Committee in Berlin (Eldad Beck)

Was mich so erschreckt, ist, dass das deutsche Auswärtige Amt nie eine Diskussion darüber geführt hat, wie eine entschlossene Antwort auf die palästinensische Erpressung gefunden werden könnte. Niemand hat gesagt: ‚Wir lassen uns weder von Terroristen noch von Palästinensern erpressen‘. Sie warfen die Hände hoch und ließen die Terroristen frei.

Leemhuis sagt, Deutschland hätte anders reagieren können.

„Ich fand ein Dokument des amerikanischen Außenministeriums, in dem es ausdrücklich hieß, dass die USA mit der PLO sprechen könnten, aber dafür müsse sie bestimmte Bedingungen erfüllen, wie die Anerkennung des Existenzrechts Israels“, sagt er.

Als Westdeutschland und Israel im Mai 1965 diplomatische Beziehungen aufnahmen, brachen die meisten arabischen Länder ihre Beziehungen zu Bonn ab und wandten sich stattdessen an Ostdeutschland.

Leemhuis sagt, die Aufnahme von Beziehungen zu Israel sei eine „Katastrophe“ für die westdeutsche Außenpolitik gewesen.

„Das offizielle Gerede über ausgewogene Beziehungen zu Israel und arabischen Staaten war ein Trick, um die wahre Position des [deutschen] Außenministeriums zu verschleiern, das voreingenommen war zugunsten der Araber“, sagt er.

„Die Araber kontrollierten die wichtigste Ressource für die Weltwirtschaft, das Öl, während der kleine jüdische Staat nicht viel zu bieten hatte. Außerdem war Israel eine liberale Demokratie, und alle arabischen Staaten waren Diktaturen, die täglich damit drohten, es auszulöschen. Es war also auch damals noch nicht wirklich möglich, beide Seiten gleich zu behandeln“.

Der arabische Terrorismus gegen Israel nahm via palästinensische Organisationen zu, nachdem die arabischen Länder, die Israel bekämpften, im Sechstagekrieg von 1967 geschlagen wurden. Die terroristischen Gruppen konzentrierten sich auf Angriffe außerhalb der Grenzen Israels in der Hoffnung, seine internationale Position zu erschüttern. Der erste derartige Angriff auf westdeutschem Boden wurde im September 1969 verübt, als Terroristen eine Granate auf die israelische Botschaft in Bonn warfen. Zum Glück wurde niemand verwundet.

Fünf Monate später wurde das Flugzeug der El Al in München angegriffen und läutete damit den Beginn des palästinensischen Flugterrorismus in Europa ein. Nur 11 Tage nach dem Entführungsversuch in München explodierte eine Bombe im Frachtraum eines österreichischen Flugzeugs, das in Frankfurt startete und nach Tel Aviv mit Zwischenlandung in Wien unterwegs war. Den Piloten gelang es, in Frankfurt zu landen und eine größere Katastrophe zu verhindern. Die Terroristen schickten auch eine Bombe über die deutsche Post, die mit einem El Al-Flug verschickt werden sollte. Das Paket wurde jedoch in ein Flugzeug der Swissair gesteckt und detonierte im Schweizer Luftraum, wobei 74 Passagiere und Besatzungsmitglieder getötet wurden.

Drei Tage später berichtete der deutsche Botschafter in Jordanien, dass sich einer seiner Helfer mit Issam Sartawi getroffen habe. Der Botschafter schrieb, er habe das Treffen genehmigt, damit Deutschland „die Gefahr, die Sartawi’s Organisation für deutsche Staatsbürger in Jordanien darstellte, besser einschätzen könne“.

Sartawi drückte sein Bedauern darüber aus, wie sich die versuchte Entführung in München abgespielt habe, sagte aber, dass seine Organisation Westdeutschland gewählt habe, weil dieses sehr „pro-israelisch“ sei, und betonte, dass der Angriff darauf angelegt gewesen sei, die westdeutsche Öffentlichkeit zum Überdenken des israelisch-palästinensischen Konflikts zu zwingen, und dass er nicht garantieren könne, dass seine Gruppe nicht beschließen würde, sich seinen Anweisungen zu widersetzen und dort weitere Angriffe durchzuführen.

Der Botschaftsmitarbeiter versprach, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die deutschen Medien nicht „unangemessen“ über die Angriffe von Sartawi’s Organisation berichteten und keinen Generalverdacht auf Araber und Palästinenser verbreiteten.

Die deutsche Diplomatie schwenkte eine weiße Fahne. Sartawi beendete das Treffen mit einem verlockenden Angebot, in dem er seine Bereitschaft bekundete, weitere Angriffe auf deutschem Boden und gegen deutsche Institutionen zu vermeiden, wenn die drei in München verhafteten Mitglieder seiner Gruppe freigelassen würden.

Kurze Zeit später stattete Israels Außenminister Abba Eban der Bundesrepublik Deutschland seinen ersten offiziellen Besuch ab. Er drängte seine Gastgeber, die arabischen Regierungen für ihre Unterstützung der PLO und ihrer terroristischen Aktivitäten zur Rechenschaft zu ziehen. Einige Tage vergingen, und der deutsche Botschafter in Jordanien traf sich mit König Hussein. Einem Bericht zufolge, den er an das deutsche Außenministerium sandte, widmete er während des Treffens kein einziges Wort der Tatsache, dass Jordanien Gastgeber der Terrororganisation war, die das Flugzeug El Al in München angegriffen hatte.

Im Juli 1970 traf derselbe Botschafter mit einem hohen Funktionär der Fatah-Organisation zusammen. Leemhuis ist fast sicher, dass es sich bei dem Fatah-Funktionär um Ali Hassan Salameh handelte, der schließlich Anführer der Gruppe „Schwarzer September“ werden sollte, die die israelischen Athleten bei den Olympischen Spielen in München ermordet hatte.

Ali Hassan Salameh

Der Botschafter berichtete, er habe Salameh mitgeteilt, dass Deutschland alle Waffenlieferungen an Israel gestoppt habe und dass die deutsche Regierung, insbesondere der damalige Bundeskanzler Willy Brandt, konsequent auf eine neutrale deutsche Position im Nahen Osten hinarbeite und dass die Regierung den Palästinensern zeigen wolle, dass sie gute Beziehungen zu ihnen wünsche.

Die palästinensischen Terroranschläge beschränkten sich nicht auf Deutschland. Im Juli 1970 entführten Terroristen der Volksfront für die Befreiung Palästinas ein Flugzeug der Olympic Airlines und forderten die Freilassung von sieben in Griechenland inhaftierten Terroristen. Athen gab nach. Im September desselben Jahres entführte die PFLP drei weitere Flugzeuge – TWA-, Swissair- und Pan-Am-Flüge – um die Freilassung der Terroristen zu erreichen. Zwei der drei entführten Flugzeuge wurden gezwungen, in Amman zu landen, ebenso wie ein britisches Flugzeug, das Ende des Monats entführt wurde.

Die Terroristen hielten in Jordanien amerikanische, israelische, deutsche und Schweizer Bürger als Geiseln. Sie trennten die Juden von den übrigen Passagieren und forderten die Freilassung der in Israel und in Westeuropa inhaftierten Terroristen. Die deutsche Regierung signalisierte sofort ihre Bereitschaft, ihren Forderungen nachzukommen, und drängte Israel sogar zur Zusammenarbeit, indem sie einen Diplomaten zu einem Treffen mit einem Vertreter des Jüdischen Weltkongresses nach London schickte, wo er seine Besorgnis darüber zum Ausdruck brachte, dass das Abkommen die jüdischen und israelischen Geiseln nicht einschloss.

Aus Furcht vor einer militärischen Mission zur Befreiung der Geiseln brachten die Terroristen die Geiseln an verschiedene geheime Orte und sprengten das Flugzeug in die Luft. Vermittlungsversuche des Roten Kreuzes scheiterten, und die Uhr tickte bis zu einem Zusammenstoß zwischen der jordanischen Armee und der Gruppe Schwarzer September.

Die deutsche Regierung beschloss, den Generalsekretär der regierenden sozialdemokratischen Partei, Hans-Jurgen Wischnewski, einen glühenden Verfechter der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, der über umfangreiche Verbindungen in der arabischen Welt verfügte, nach Amman zu entsenden. Jerusalem sah ihn als pro-arabisch an. Nachdem eine Delegation des Roten Kreuzes Amman verlassen hatte, traf Wischnewski mit Abu Maher Ghneim, einem der Gründer der PFLP, zusammen, der ihm mitteilte, dass seine Gruppe bereit sei, mit jedem der beteiligten Länder separat zu verhandeln.

Wischnewski drängte Brandt zu einer sofortigen Ankündigung, dass Deutschland die Terroristen, die hinter dem Anschlag von München stecken, freilassen werde. Auch der deutsche Botschafter in Jordanien hielt den Druck aufrecht.

Am 30. September erhielte die Terroristen freies Geleit aus Deutschland hinaus.

Von 1968-1984 wurden 48 der palästinensischen Terroranschläge in Europa auf deutschem Boden verübt. Der tödlichste war die Ermordung der israelischen Athleten bei den Olympischen Spielen 1972 in München durch acht Mitglieder von „Schwarzer September“.

Verantwortlich für die Planung und Durchführung der Anschläge war der Mann, den der deutsche Botschafter in Jordanien getroffen hatte, Ali Hassan Salameh.

Der damalige Direktor des Mossad, Zvi Zamir, der nach Deutschland geschickt worden war, um die Rettungsversuche der Athleten zu verfolgen, fragte seinen deutschen Amtskollegen, was die deutschen Behörden mit den am Leben gebliebenen Terroristen zu tun gedachten, da die Palästinenser ein Flugzeug der Lufthansa entführen und die Deutschen zwingen könnten, sie freizulassen. Der Chef der deutschen Spionagebehörde sagte, er könne nicht garantieren, dass dieses Szenario nicht eintritt.

Während des Angriffs auf das olympische Dorf kritisierte Brandt öffentlich die arabischen Nationen, aber sein Außenminister Walter Schell beeilte sich, klarzustellen, dass der Angriff ein „Einzelfall“ von Terrorismus sei, für den die „Regierungen bestimmter Länder nicht verantwortlich“ seien.

In einer späteren Botschaft forderte Stelzer Deutschland sogar auf, Verständnis für die Terroristen zu zeigen: „Auch wenn wir das Vorgehen der Münchner Terroristen verurteilen müssen, muss die arabische Position verstanden werden … sie sehen idealistische junge Menschen, die aus Verzweiflung über die Krisensituation in ihrem Heimatland handeln…“ Am Tag nach der Ermordung der israelischen Sportler sandte der deutsche Botschafter in Ägypten, Hans-Georg Stelzer, einen langen Brief an seine Vorgesetzten, in dem er Deutschland empfahl, von harter Kritik an arabischen Ländern abzusehen, da diese keinen Einfluss auf Terrorakte hätten.

Leemhuis verweist auf die „Kälte und den Mangel an Einfühlungsvermögen“, mit der die deutschen Behörden auf das Massaker bei den Olympischen Spielen in München reagierten.

„Sie sagten: ‚Das Leben geht weiter‘, ohne ein Gefühl für die Bedeutung des Anschlags und seine historische Bedeutung für die Israelis zu haben. Aus den Dokumenten geht nicht das geringste Entsetzen hervor, auch nicht, dass irgend einer der Funktionäre im Außenministerium gegen die offizielle Vorgehensweise war und gefordert hätte, dass die Palästinenser zur Verantwortung gezogen werden“, sagt er.

Leemhuis entdeckte ein Dokument vom Oktober 1972, das weniger als einen Monat nach dem Massaker ausgestellt worden war und aus dem klar hervorgeht, dass das deutsche Außenministerium von den Verbindungen des Schwarzen Septembers zur Fatah wusste und dass die neue Terrororganisation eine Tarnung bieten sollte, die es der Fatah ermöglichen würde, sich der Verantwortung für terroristische Handlungen ihrer Mitglieder zu entziehen: „Sie [das Außenministerium] wussten, dass der Schwarze September Teil der PLO war und dass die Organisation im Gegensatz zu den Lügen von Jassir Arafat nicht allein operierte. Aber all das brachte keinen der deutschen Diplomaten dazu, sich zurückzuziehen; es brachte sie dazu, mit der PLO zu sprechen, weil sie dachten, sie könnten dadurch Terroranschläge in Deutschland verhindern. Diese Idee hat den gesamten Kontakt [Deutschlands] mit der PLO geleitet“, bemerkt Leemhuis.

„Die Fatah-Führung will der Wertschätzung, die ihr entgegengebracht wird, ihrem guten Namen und ihrer Statur keinen Schaden zufügen“, heißt es in dem Dokument.

Der damalige deutsche Innenminister Hans-Dietrich Genscher verbot die Aktivitäten palästinensischer Studentenaktivisten und deportierte Hunderte illegaler arabischer Einwohner, außerdem ordnete er strenge Grenzkontrollen für arabische Bürger bei der Einreise nach Westdeutschland an. Doch das Außenministerium lehnte diese Schritte ab, und sie wurden schließlich wieder rückgängig gemacht.

Leemhuis sagte: „Das Auswärtige Amt war überhaupt nicht um die Beziehungen zu Israel besorgt, sondern nur um das arabische Bild in den westdeutschen Medien. Es gab kein Schuldgefühl für die nachlässigen Entwicklungen, die zum Tod von neun Athleten beim gescheiterten Rettungsversuch führten [zwei weitere wurden im olympischen Dorf selbst getötet]. Der vorherrschende Glaube war, dass Deutschland alles richtig gemacht hatte, keine Fehler. Selbst die Reaktion Israels war relativ beschwichtigend. Golda Meir war in ihrer Kritik sehr vorsichtig“, stellt er fest. (Meir stand Brandt sehr nahe und wollte seine Chancen auf eine Wiederwahl im November desselben Jahres nicht gefährden).

Sogar heute noch behaupten einige, dass die Entführung zwischen der PLO und der deutschen Regierung koordiniert worden sei, um es den Deutschen zu ermöglichen, die Terroristen nicht vor Gericht zu stellen. Leemhuis hat keine Bestätigung für diese Theorie gefunden, sagt aber, dass einer von Brandts engen Beratern 2009 gegenüber einer deutschen Zeitung sagte, er sehe die Idee als „legitim“ an. „Es dauerte nicht lange, bis sich Zamirs Vorhersage erfüllte. Am 29. Oktober 1972 entführten palästinensische Terroristen tatsächlich einen Lufthansa-Flug, der auf dem Weg von Damaskus nach Frankfurt war, mit geplanten Zwischenstopps in Beirut, Ankara und München. Die Entführer verlangten die Freilassung der drei Terroristen, die nach der Ermordung der israelischen Sportler festgenommen worden waren. Die westdeutsche Regierung stimmte noch am selben Tag zu, und die drei wurden nach Libyen geflogen. Die Terroristen ließen die Geiseln gehen.

Am Tag der Freilassung der Terroristen schickte der Direktor des Nahost-Referats im Auswärtigen Amt ein Telegramm an die israelische Regierung, in dem es hieß: „Zu den Vorwürfen, dass unsere Regierung den palästinensischen Guerillakämpfern nachgegeben hat und damit weitere Aktionen dieser Art fördert, ist zu sagen, dass die Bundesregierung keine Entscheidung treffen kann, die das Leben der Passagiere und der Besatzung des entführten Flugzeugs in Gefahr bringen würde.

Das Telegramm endete mit der Beobachtung: „Dies sind die Ergebnisse eines Konflikts, und beide Seiten haben die Verantwortung, eine Lösung zu finden.“

Israel war empört, dass die Terroristen befreit worden waren. Eban berief den deutschen Botschafter in Israel zu einer Zurechtweisung ein und sagte ihm, Deutschland habe den Terroristen einen „großen Sieg“ beschert.

Während dies geschah, wurde der israelische Botschafter in Deutschland, Elyashiv Ben-Horin, zu einem Treffen mit dem deutschen Außenminister geladen, der ihm sagte, dass sich die Politik Westdeutschlands im Krieg gegen den Terrorismus nicht geändert habe, aber dass die Regierung keine andere Wahl gehabt habe, als die Terroristen freizulassen.

Die Kapitulation Deutschlands ebnete den Weg für die Aufnahme formeller Beziehungen zwischen Westdeutschland und der PLO, die eine Mission in der westdeutschen Hauptstadt forderte, in den Büros der Arabischen Liga.

Die Palästinenser baten die Deutschen auch um Hilfe bei der Finanzierung der PLO.  Ein Telegramm, das am 28. Februar 1973 von Helmut Radius, dem Leiter der Nahost-Abteilung im Auswärtigen Amt, verschickt wurde, befahl die Überweisung von 50.000 Mark zur Unterstützung der Nachrichtenagentur Wafa, die palästinensische Propaganda verbreitete. Radius gab auch die Anweisung, den Zweck der Gelder zu verbergen, um diplomatische Komplikationen zu vermeiden, obwohl es keine Bestätigung dafür gibt, dass das Geld tatsächlich überwiesen wurde.

In der deutschen diplomatischen Korrespondenz wurde der Holocaust in keiner Weise erwähnt. Leemhuis zufolge „spielte die historische Verantwortung bei der Haltung des Auswärtigen Amtes gegenüber Israel eine Rolle“, so Leemhuis. Nach dem Entschädigungsabkommen von 1952 sagten die deutschen Diplomaten: „Das war’s, die Sache mit dem Holocaust ist abgeschlossen. Wir haben bezahlt, und von diesem Moment an wird die Geschichte keine Rolle mehr spielen'“.

Leemhuis weist auch auf die seinerzeit erhobenen antisemitischen Vorwürfe hin, Israelis und Juden wollten vom Holocaust profitieren, nachdem israelische Diplomaten wiederholt auf die deutsche Geschichte mit den Juden verwiesen hatten.

„Es zeigt die Kälte, die die deutsche Außenpolitik charakterisierte, aber auch die Unkenntnis über das Leid der Überlebenden und über die historische Verantwortung. Es ist erschreckend zu sehen, wie bald nach dem Holocaust die deutschen Diplomaten weitermachten, während sie gleichzeitig das historische Trauma betonten, das die Gründung des Staates Israel für die Araber bedeutete. Mit anderen Worten, die Geschichte spielte eine Rolle, da sie ihren Bedürfnissen entsprach“, sagt er.

Als Israel Hayom Leemhuis fragte, ob die Tatsache, dass viele westdeutsche Diplomaten in Nazi-Deutschland gelebt hatten, diesen Ansatz beeinflusst habe, sagt er, dass er zwar nicht den persönlichen Hintergrund der Diplomaten untersucht habe, „wenn man ihre antisemitischen Kommentare liest, ist es aber offensichtlich, dass der Einfluss der Nazi-Zeit eine Rolle gespielt hat“.

„Der offene Antisemitismus in den Dokumenten hat mich überrascht. Die Funktionäre spürten, dass sie diese Dinge schreiben konnten, da sie wussten, dass es niemanden stören würde. Und wer weiß, was sie im Gespräch über Juden und Israel sagten … Ich war erstaunt, dass es keine Einwände gegen diese Positionen gab. Der Sechs-Tage-Krieg, die Angriffe in München, der Jom-Kippur-Krieg … nichts davon änderte ihr Denken“, sagt er.

Die mobile Version verlassen