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Brief an das Anne-Frank-Haus – und Antwort

Sehr geehrte Frau Reus-Deelder,
Sehr geehrter Herr Leopold,

Mein Schreiben bezieht sich auf Ihre Stellungnahmen im Daily Mail: „Anne Frank Haus verbot orthodoxem jüdischem Angestellten das Tragen seiner Kippa bei der Arbeit.„ (im englischen Original).

Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Organisation, die an die Jüdin Anne Frank erinnern soll, es einem jüdischen Menschen zunächst untersagt hat, seine Identität offen zu zeigen.

Wenn Sie Antisemitismus bekämpfen wollen, wie Sie behaupten, dann wäre es eine Selbstverständlichkeit, jüdische Menschen zu ermuntern und zu bestärken, offen zu zeigen, dass sie jüdisch sind. Dazu gehört unter anderem das Tragen einer Kippa oder einer Kette mit dem Davidstern.

Sie können auch nicht Anne Franks Judentum verleugnen.

Anne Frank war Jüdin. Sie musste aus Frankfurt am Main nach Amsterdam flüchten, weil sie Jüdin war. Sie wurde in den Niederlanden verfolgt, weil sie Jüdin war. Sie musste sich verstecken, weil sie Jüdin war. Sie wurde ermordet, weil sie Jüdin war. Von daher ist das Anne-Frank-Haus eine jüdische Einrichtung. Ihre Aussage, das Haus sei „unabhängig“, ist eine Verleugnung Anne Franks. Das ist beschämend.

Und ich muss Sie ganz offen fragen: Wie wollen Sie Judenhass bekämpfen, wenn Sie, Frau Reus-Deelder, sagen: ‚Those [educational programmes, S.K.] are directed at combatting antisemitism. We did not want that for example a yarmulke would influence that message‘?

Um Judenhass bekämpfen zu können, muss die Mehrheitsgesellschaft, müssen rechte, linke, christliche und muslimische Antisemiten akzeptieren, dass es heute selbstbewusste Juden gibt, die sich nicht scheuen, ihre Identität offen zu zeigen. Und zu dieser jüdischen Identität zählt für die meisten der Staat Israel.

Judenhass bekämpft man nicht mit Appeasement, mit dem Verstecken der Juden, mit Israel-Bashing. Auch jede Relativierung, jede Opferkonkurrenz ist hierfür kontraproduktiv.

Seien Sie stark, Frau Reus-Deelder, Herr Leopold. Jeder Mensch macht Fehler, haben Sie die Größe, zuzugeben, dass das Anne-Frank-Haus hier einen großen Fehler gemacht hat.

Ich schreibe Ihnen als Privatperson – nur möchte ich Sie informieren, dass ich vom Beruf her der Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegen Antisemitismus bin. Ich bin sozusagen vom Fach.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmount Königsberg


Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Hier gleich noch die Antwort des Verantwortlichen aus dem Anne-Frank-Haus:


Sehr geehrter Herr Königsberg,

Vielen Dank für Ihre E-Mail. Leider enthält der Artikel, den Sie als Ihre Quelle bezeichnen, einige schwerwiegende Fehler und erzählt nur Teile der Geschichte. Der Artikel besagt, dass im Anne-Frank-Haus keine jüdischen Symbole erlaubt gewesen wären. Tatsächlich hatten wir keine spezifische Politik in Bezug auf religiöse Symbole, weil keiner der Kollegen, die im öffentlichen Raum des Museums arbeiten, jemals darum gebeten hat. Wir haben nur den Grundsatz, dass die Mitarbeiter im Museum neutrale Kleidung tragen sollen, die sie als Mitarbeiter erkennbar macht. Bei der Entwicklung unserer Politik in den letzten Monaten in Bezug auf das Tragen religiöser Symbole wie Kippa, Hijab oder Kruzifix haben wir sorgfältig geprüft, ob das Tragen religiöser Symbole durch Mitarbeiter einen Besuch im Haus (aufgrund seines emotionalen Kontextes) oder die Wirksamkeit unserer Bildungsarbeit beeinflussen könnte. Wir haben uns von unserem örtlichen Rabbiner beraten lassen, der einverstanden war, dass es eine gute Lösung wäre, dem Mitarbeiter zu erlauben, eine Mütze zu tragen, während er auf unsere Regelung wartet. Wir sind zum Schluss gekommen, dass es keine ernsthaften Einwände gegen das Tragen religiöser Symbole gibt, und wir haben daher seiner Bitte, seine Kippa tragen zu dürfen, entsprochen. Wir bedauern die Verwirrung, die durch die ungenaue Kommunikation über dieses wichtige und sensible Thema entstanden ist.

Bitte kontaktieren Sie mich, wenn Sie weitere Fragen haben.

Mit freundlichen Grüßen Ronald Leopold

 

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