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Frankreichs hausgemachter Terrorismus

Giulio Meotti, 11.10.2019, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

Symbolbild Pariser Polizei von Wikimedia Commons

Diesmal benutzte der Terrorist keine Schusswaffen; seine Opfer waren keine unbewaffneten Kinder, Cartoonisten oder Juden, sondern Polizisten.

Auch der Ort des Angriffs vom 3. Oktober war beeindruckend: „Das Innere des Pariser Polizeipräsidiums soll eine Hochburg sein; es ist das Symbol der öffentlichen Ordnung in Frankreich und des erschütterten antidschihadistischen Kampfes“, sagte der französische Gelehrte Gilles Kepel zu Le Figaro.

„Wir sind in einen… Terrorismus eingetreten, der in Frankreich produziert wurde… mit einer Mischung aus Freitagspredigten durch extremistische Imame, sozialen Netzwerken und der Instrumentalisierung von zerbrechlichen Menschen. Es geht darum, eine neue Panik in der Gesellschaft zu erzeugen, indem man ikonische … Orte anspricht… Der Anschlag ist ein wichtiger Wendepunkt im islamistischen Terrorismus.“

Der Angreifer Mickaël Harpon, geboren auf der französischen Karibikinsel Martinique, wurde erschossen, nachdem er während des Angriffs über die Mittagszeit im Pariser Polizeipräsidium vier Menschen mit einem keramischen Küchenmesser erstochen hatte. Harpon, ein ziviler IT-Spezialist im Nachrichtendienst mit hoher Sicherheitsfreigabe, war 16 Jahre lang für die Polizei tätig gewesen. Zuerst tötete er drei Männer in der Geheimdienstabteilung, dann stach er auf zwei Polizistinnen in einem Treppenhaus ein (eine starb an ihren Wunden), bevor er schließlich im Innenhof des Gebäudes angeschossen und getötet wurde.

Harpon war vor vielen Jahren zum Islam konvertiert und ein gewissenhafter Besucher seiner örtlichen Moschee, wo er Morgen- und Abendgebete besuchte. Ein radikaler Imam, der fast aus Frankreich ausgeschafft worden wäre, amtierte dort.

Laut dem Wall Street Journal:

„Die Behörden entdeckten mehrere USB-Sticks an seinem Schreibtisch, einen mit den persönlichen Daten von Agenten und gewalttätiger islamistischer Propaganda, sagten die Behörden.

„Eine Schlüsselfrage ist, ob Harpon diese Daten für seinen Job auf den USB-Stick heruntergeladen hat… oder ob er sie an seine extremistischen Kontakte schickt, die sie benutzen könnten, um die Polizei zu treffen.“

Im Jahr 2016 erklärte Patrick Calvar, Frankreichs Generaldirektor des Inlandgeheimdienstes, unter Hinweis auf die Zahl der in Frankreich aktiven Salafisten (damals 15.000), dass „die Konfrontation unvermeidlich ist“. Nun drosch einer von ihnen von innen heraus auf „das System“ ein.

„Der Angriff auf das Polizeipräsidium kann als der schwerste auf unserem Boden seit dem 13. November 2015 angesehen werden“, sagt Thibault de Montbrial, Präsident des Center for Internal Security, einem französischen Think Tank.

„Seit vier Jahren wurde Frankreich mehrfach angegriffen. Manche Attacken hatten sehr hohe menschliche Kosten, wie in Nizza 2016. Aber die der Präfektur ist von anderer Natur: Es ist der erste „Blau auf Blau“-Angriff, bei dem ein Polizist auf seine Kameraden abzielte.“

Im Mittelpunkt der extremistischen Agenda scheint die Separierung zu stehen. „Wie ist es einer Vielzahl islamistischer Netzwerke gelungen, ideologische Enklaven in populären Vierteln zu schaffen“, fragt der Autor Bernard Rougier in Les territoires conquis de l’islamisme („Die vom Islamismus eroberten Gebiete“). Das kommende Buch dokumentiert das Funktionieren islamistischer Netzwerke in mehreren Kommunen wie Aubervilliers, Argenteuil, Tremblay-en-France und Mantes-la-Jolie.

Nach Angaben des französischen Journalisten Eric Zemmour:

„Auf der Straße sind verschleierte Frauen und Männer mit Jellabas de facto Propaganda, eine Islamisierung der Straße, so wie die Uniformen einer Besatzungsarmee die Besiegten an ihre Unterwerfung erinnern. Denn das frühere Triptychon „Einwanderung, Integration, Assimilation“ wurde durch „Invasion, Kolonisation, Besetzung“ ersetzt.“

Im Jahr 2016 enthüllte ein internes Polizeimemorandum, dass es in Paris zwischen 2012 und 2015 viele Fälle von Polizisten gab, die radikales Verhalten oder Akte vollzogen, die ihre Vorgesetzten betrafen. In einem Fall, im Jahr 2016, erstach ein Dschihadist einen Polizeichef und seinen Partner in ihrem Haus in Magnanville, westlich von Paris; und die französische Polizei, die gegen eine Frau wegen vermuteter Verbindungen zu ISIS ermittelte, entdeckte einen USB-Stick, der die persönlichen Daten, einschließlich der Privatadressen, von Tausenden von französischen Polizeibeamten enthielt. Wer hat diese Informationen zur Verfügung gestellt?

Der allgemeine Eindruck ist, dass Frankreich heute von einer starken Zunahme radikalisierter Einwohner überschwemmt ist. Der Terrorist, der 2018 auf einem Weihnachtsmarkt in Straßburg das Feuer eröffnete, stand auf der Beobachtungsliste des Terrorismus, ebenso wie die Terroristen, die den Trébes-Supermarkt trafen, und der Mann, der jüdische Kinder in einer Schule in Toulouse ermordete. Obwohl die französischen Behörden von ihnen wussten, konnten sie sie nicht aufhalten.

Es scheint eine schrecklichen Bruch der nationalen Sicherheit zu geben. Das Problem in Frankreich liegt jedoch tiefer. Laut einem Bericht des Pew Center werden bis 2050 12% bis 18% der französischen Bevölkerung Muslime sein. Die Bekehrungen zum Islam nehmen zu. Der Extremismus wird zu einem so integralen Bestandteil des Landes, dass, so der Historiker Pierre-André Taguieff, für viele Franzosen der Dschihadismus zu einer „Attraktion“ geworden ist. Es gibt heute mehrere Dörfer auf dem Land, in die sich Konvertiten und Fundamentalisten zurückziehen, um eine „reine“ Form des Islam zu praktizieren.

Präsident Emmanuel Macron würdigte die Opfer des Terroranschlags auf das Pariser Polizeirevier und erklärte, dass Frankreich die „Hydra“ der islamistischen Militanz bekämpfen müsse.

Das Problem ist, dass Frankreich seit Jahren die Ausbreitung des radikalen Islam leugnet. „In einigen Bezirken“, sagte der algerische Schriftsteller Boualem Sansal, „ist Frankreich eine aufstrebende islamische Republik.“

Le Monde, Frankreichs renommierteste Zeitung, brachte nach dem jüngsten Angriff ein Editorial, in dem sie das Land des „islamfeindlichen McCarthyismus“ beschuldigte. Harpon, der Terrorist, der seine Kollegen im Polizeipräsidium ermordet hat, hätte zugestimmt: Er teilte Artikel, in denen er Frankreich als „eines der islamfeindlichsten Länder Europas“ bezeichnete – so islamfeindlich, in der Tat, dass selbst Ahmed Hilali, der radikale Imam in Kontakt mit Harpon, wegen seiner extremistischen Ideen einen Abschiebebefehl aus Frankreich erhalten hatte, aber die Abschiebung wurde nie vollzogen.

Alexis Brézet, Herausgeber von Le Figaro, prägte den Begriff „dénislamismus“ („Leugnung des Islamismus“):

„Wie ist das möglich? Wie konnte ein islamistischer Terrorist so mitten im Staatsapparat, dem Herzstück der Polizeistruktur, die genau die islamistischen Praktiken bekämpfen soll, eingebettet sein und dann dieses Massaker verüben? Dénislamismus gefährdet die Franzosen. Er verwischt die Wahrnehmung der Bedrohung und entwaffnet den Geist. In einer Zeit, in der die Mobilisierung maximal sein sollte, lähmt er den Kampf gegen die islamistische Infiltration in unseren Demokratien. Dénislamismus tötet. Wir werden den Krieg, den der radikale Islam gegen uns erklärt hat, nicht gewinnen, wenn wir mit geschlossenen Augen weiterlaufen“.

Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist ein italienischer Journalist und Autor.


Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.

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