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Mittendrin: Der Krieg in Gaza: Enten

Martin Sherman, 12.9.2014, Jerusalem Post

Islamischer Jihad gräbt neue Tunnel in Gaza (Photo: Screenshot)

Erfahrener diplomatischer Offizeller sagt, dass Israel die Hamas dabei entdeckt hat, wie sie nur zwei Wochen nach dem Ende der Operation Schutzrand Waffen in den Gazastreifen schmuggelt
— Herb Keinon, Jerusalem Post, 7. September.

Die Iraner bemühen sich, die Hilfe für die Hamas zu erneuern, weil diese sich gegen den ‚zionistischen Feind‘ bewiesen hat
— Verteidigungsminister Moshe Ya’alon, Herliya, 8. September.

Isarel hat nicht erfolgreich die Ziele erreichen können, die der Premierminister für die Operration [Schutzrand] über die Terrororganisation [Hamas] gesetzt hat.
— Oberst-General (der Reserve) Amos Yadlin, „Wie man mit der erstarkenden Hamas umgehen muss“ (hebräisch), 10. September.

Nachdem die öffentliche Debatte über die Operation Schutzrand abzuklingen beginnt, und die öffentliche Erinnerung an die Ereignisse langsam verblasst, hätte ich diese Kolumne aktuelleren Themen widmen können.

Das Versprechen von letzter Woche

Ich hätte, zum Beispiel, mich mit dem dramatischen Angebot, das angeblich vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi gemacht wurde, einen grossen Bereich im Sinai für einen palästinensischen Staat zu reservieren. Oder die potentiell bahnbrechende Ankündigung vom Dienstag vom früheren Mossad-Chef Shabtai Shavit auf der 14. jährlichen Konferenz des internationalen Instituts für Anti-Terrorismus, in der er die israelischen Autoritäten aufgefordert hat, auf die Auflösung der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency) hinzuarbeiten und die Flüchtlinge (oder besser „Flüchtlinge“) in Gaza anderswo anzusiedeln.

Doch diese eminent wichtigen Themen werden warten müssen. Stattdessen will ich das Versprechen halten, das ich letzte Woche gemacht habe, eine weitere Folge meiner Kolumne „Schutzrand: Katalog verbreiteter Enten.“

Der Leser erinnert sich vielleicht daran, dass ich mich auf die Aktivitäten verschiedener Regierungsableger und inoffizieller Regierungsapologeten, die versuchten, uns zu versichern, dass die Kampagne ein grosser Erfolg war — und dass das, war wir jetzt haben, das beste ist, was wir unter den gegebenen Umständen / Einschränkungen bekommen konnten. Sie haben sich auf einen extensiven „Katalog von Enten“ berufen, in dem Bemühen, das Unbehagen grosser Teile der israelischen Öffentlichkeit — und von vielen Unterstützern im Ausland — zu zerstreuen — das eine Folge von diesem Ergebnis ist.

Eine kurze Erinnerung

Ich habe bereits auf drei solcher Enten eingehen können: Die Ente vom „internationalen Druck“, nach der Israel durch den Druck der internationalen Gemeinschaft, vor allem der USA, davon abgehalten wurde, noch stärkeren militärischen Druck auszuüben; Die „anti-Semitismus“-Ente, nach der es unmöglich ist, solch schädlichen Druck zu dämpfen, weil er grundsätzlich aus einem tiefen Hass gegen Juden entsteht, der sich als inhärente Feindlichkeit gegen den jüdischen Staat ausdrückt, unabhängig davon, ob dessen Handlungen gerecht sind oder nicht; Die „Obama“-Ente, nach der die israelische Entscheidung, die militärischen Operationen in Gaza einzuschränken, auf den Druck zurückzuführen ist, der aus der eklatanten Antipathie der Obama-Administration abgeleitet ist.

Logisch habe ich nicht den Wunsch, die Details der Argumente, die ich letzte Woche präsentiert habe, um die Entenbeweise dieser Dinge zu belegen.

Ich werde mich auf folgende Kurzfassung beschränken:

(a) In Bezug auf den angenommenen Druck der internationalen Gemeinschaft und der US-Administration, bedeuten Bezugnahmen auf diese mehr eine Ausrede für das Ergebnis, anstelle eines Motivs, das die Zurückhaltung des israelischen Militärs erklärt. In hohem Masse tendiert der „Druck“ mehr von der israelischen Inkompetenz und Impotenz in Sachen öffentlicher Diplomatie her zu rühren.

(b) Was das Antisemitismusthema betrifft, so gefährdet Israel die jüdischen Gemeinden im Ausland, indem zugelassen wird, dass das Bild Israels dermassen dämonisiert wird, dass den Diaspora-Juden eine Zugehörigkeit zum jüdischen Staat unterstellt und so der Antisemitismus verstärkt wird.

Statt dass die antijüdischen Emotionen Anti-israelische Haltungen induzieren, passiert das Gegenteil: Anti-israelische Gefühle erzeugen antijüdische Animositäten, das Gegenteil dessen, was normalerweise angenommen wird.

Jetzt können wir zur Analyse weiterer Enten in diesem unglücklichen und irreführenden Katalog schreiten.

‚Den-Rasen-mähen‘ / ‚Den-Konflikt-managen‘-Ente

Die Weigerung, ungeniessbaren Realitäten ins Gesicht zu sehen, die durch den kolossalen Fehler entstanden sind, dass den Arabern Land und Herrschaft übertragen wurde, hat neue Slogans entstehen lassen, um die intellektuelle Kapitulation zu tarnen, sowie um die mangelnde Bereitschaft zu maskieren für die Notwendigkeit — und die Kosten — von bedauerlich Harschen aber notwendigen Massnahmen.

Ursprünglich wurde uns gesagt, dass es „keine Lösung“ für den israelisch-arabischen Konflikt gäbe, weshalb wir den Konflikt mehr zu managen als zu lösen anstreben sollten.

Dann ist ein neuer, etwas abfälliger, Fachausdruck eingeführt, um ein ähnliches Konzept zu vermitteln: „Den Rasen mähen“ soll die Idee ausdrücken, dass eine neue Runde von Kämpfen jedes Mal dann notwendig wird, wenn die palästinensische Gewalt ein inakzeptables Niveau erreicht.

Die Grundlage, in Ermangelung eines besseren Begriffs, ist erst kürzlich von zwei gut bekannten Mitgliedern eines prominenten Think-Tanks artikuliert worden: Der Einsatz eines Masses an Gewalt, darauf ausgelegt, „nicht ein unmögliches politisches Ziel zu erreichen, sondern … primär darauf ausgerichtet, die feindlichen Fähigkeiten zu schwächen.“

Traurigerweise ist das, was wir beobachten konnten, weit weg davon, „die feindlichen Fähigkeiten“ substantiell „zu schwächen“.

Der besagte Feind taucht immer wieder auf, sucht den Kampf, jedes Mal mutiger und mit immer besseren Fähigkeiten.

„Den Rasen mähen“ ist eine nicht nachhaltige Ente. In der Tat, vor beinahe zwei Jahren, am Ende der vorherigen Runde des „mähens“ (Pillar of Defense), habe ich gewarnt: „Vorübergehende Flauten sind immer inakzeptabler, [weil sie] das Leben im Süden immer unhaltbarer machen … Entvölkerung des Südens und Entblössung der dortigen jüdischen Präsenz wird zur immer greifbareren Möglichkeit.“ („Israels ärgerliche Impotenz“ — 29. November 2013).

Und richtig, während der aktuellen Runde des „Mähens“ ist diese „greifbare Möglichkeit“ zur tragischen Realität geworden.

Es ist deutlich, dass das periodische „Rasenmähen“ ein fehlgeleitetes Rezept ist, das nicht lange bestehen kann — es bringt es einfach nicht. Das Gras muss ein für alle mal entwurzelt werden.

Die „Ein Sieg ist nicht zulässig“-Ente

Die „Rasenmäher“-Ente ist eng verwandt mit — in der Tat daraus entsprungen — einer anderen Ente — dass „ein Sieg nicht zulässig“ ist.

In hohem Masse ist diese ätzende Ente die Konsequenz eines Unwohlseins, das vielen Offizieren der IDF einschärft wird von Zweistaatenbefürworten / Land-für-Frieden-Anwälten, die viele der Mitarbeiter von Hochschulen und Fakultäten umfassen, die von Mitgliedern des Militärs besucht werden während ihres Militärdienstes. Hier wird ihnen von Anhängern eines politischen Appeasements und territorialer Konzessionen beigebracht (sprich, werden sie darauf „konditioniert“), dass Sieg nicht nur ein ungültiges Konzept ist, sondern dass er unerreichbar ist, sogar unerwünscht.

Dies ist ein ideologischer Imperativ von obsessiven Zweistaatlern, da sie die Wahrnehmung, dass eine „politische Lösung“ ein illusorischer Imperativ ist, nur durch die Verweigerung der Möglichkeit eines militärischen Sieges aufrecht erhalten können. Das Ergebnis dieses Prozesses der desintegrativen Argumentation wurde kürzlich von Caroline Glick während des letzten Krieges in Gaza lebhaft dargestellt, in einer stechenden Verurteilung des Verhaltens der oberen Ränge der IDF („Der unvollendete Krieg,“ 1. September): „Die Hamas wird nur aufhören zu kämpfen, wenn sie geschlagen wird. Und Israel hat die Hamas nicht besiegt … die obere Führungsebene der IDF ist das As im Ärmel der Hamas … unter Generalleutnant. Benny Gantz weigerte sich der Generalstab, dem Kabinett jeglichen durchführbaren Plan zum Besiegen der Hamas zu präsentieren.“

Das ist eindeutig eine Frage der Wahl, nicht der militärischen Zwangslage, die durch das Gleichgewicht der Kräfte bestimmt wäre. In den vergangenen acht Jahren, in vier militärischen Begegnungen mit leichtbewaffneten Milizen, hat Israel absichtlich das Ziel, den Feind zu besiegen, vermieden. Die IDF hätte Hizbollah-Stellungen im Libanon 2006 und der Hamas in Gaza 2008, 2012 und 2014 überrennen können.

Dieser beklagenswerte Ansatz gewährleistet, dass Israel einen hohen Preis bezahlt (Hunderte getötet, Tausende verletzt) und erntet die magersten Früchte (die Notwendigkeit, auch weiterhin den „Rasen mähen“ zu müssen und zwangsläufig noch mehr leidende Opfer zu produzieren) — zeigt zwar anschaulich die kühle, jedoch anscheinend unausrottbare, Wahrheit der Einschränkung, der von John Churchill, dem ersten Herzog von Marlborough (1650-1722) artikuliert wurde: „…das Streben nach Sieg ohne Opfer führt wahrscheinlich zu Opfern ohne Sieg.“

Die ‚Hamas schwächen, jedoch bewahren‘ / ‚Wenn nicht Hamas, dann ISIS‘-Ente

Eine der seltsamsten Ideen, die aus den 50 Tagen des Kampfes in Gaza hervorgekommen sind, ist die unsinnige Idee, dass irgendwie Israel ein Interesse daran hat, die Herrschaft der Hamas (wenn auch geschwächt) über Gaza aufrecht zu erhalten. Unglaublicherweise — oder vielleicht auch nicht, angesichts des Glick’schen Rezension der Denkweise des Oberkommandos der IDF — scheint dieser lächerliche Standpunkt an Zugkraft gewonnen zu haben.

Deshalb glauben, gemäss Yaakov Lappin von der Jerusalem Post, die „israelischen Militärplaner“, dass der „Umsturz der Herrschaft der Hamas … nicht unbedingt im langfristigen strategischen Interesse von Israel ist. Es erscheint äusserst unklar, wer Hamas ersetzen würde, und Gaza könnte zu einem Somalia-haften Landstreifen werden, voller Islamischer-Staat-Milizen, die nicht mehr abgeschreckt werden können.“

Diese Art von Anspruch muss geradewegs von der Hand gewiesen werden. Es war genau diese Art von Denken, die Israel dazu veranlasst hat, sich mit der PLO einzulassen, um nicht am Ende mit der Hamas verhandeln zu müssen. Und so hat Israel mit der PLO verhandelt und die Hamas bekommen…

Darüberhinaus, ganz abgesehen von der Tatsache, dass man erst noch zeigen muss, ob die Hamas abgeschreckt werden kann, so bleibt es vollkommen unklar, wie eine geschwächte Hamas dem Ansturm der Islamischer-Staat-Milizen widerstehen würde, besonders wenn die Absicht besteht, die Hamas zu entwaffnen und zu demilitarisieren (eine weitere Ente, die zu einem späteren Zeitpunkt noch zu diskutieren sein wird).

Israel kann nicht bestimmen, wer in Gaza regieren soll …ausser es tut dies selber (siehe die „Der Tag danach“-Ente weiter unten). Daher, unabhängig davon, wer das arabische Regime in Gaza stellt, es gibt immer ein Risiko, dass es durch ein noch feindseligeres und unversöhnlicheres ersetzt wird.

Die ‚Abbas stärken‘-Ente

Je mehr ihr bevorzugtes politisches Rezept in der Irrelevanz verschwindet, desto mehr haben die Zweistaatler, Land-für-Frieden-Süchtigen eine „innovative“ Idee hervorgebracht, um das rasch sinkende Wrack ihrer Vision zu retten: Abu Mazen.

Diese Absurde Vorstellung sollte natürlich mit einem knappen „Schon da gewesen. Schon getan. Hat nicht funktioniert.“ entlassen werden. Es ist fast unvorstellbar, dass diese Vorstellung immer noch als vermeintlich realistische politische Option betrachtet wird.

Wie irgend ein vernuftbegabtes Wesen der Idee anhängen könnte, dass ein nahezu Achtzigjähriger, im zehnten Jahr seiner vierjährigen gewählten Amtszeit, der in Umfragen abgrundtief hinter Rivalen hinterherhinkt, und der bar jeder Legitimität und Autorität ist, ist unbegreiflich. Abbas wurde aus Gaza 2007 durch die Hamas kurzerhand ausgestossen worden; er könnte wohl nur unter Todesschmerzen zurückkehren. Seine Administration — wahrscheinlich sein ganzes Leben — ist abhängig vom Schutz durch IDF-Truppen. Wie könnte er je eine Herausforderung durch die Hamas annehmen, irgend eine signifikante Rolle in einer Regierung von Gaza einnehmen, oder dieses von jeglichem vorhergesagtem Ansturm durch jihadistische Radikale schützen? Dass einflussreiche Leute im israelischen Establishment immer noch ernsthaft einer derartig grotesken Ente anhängen sollte ernsthafte Sorgen um die Urteilsfähigkeit derjenigen auslösen, die sich um die Weichenstellungen der Nation bemühen.

Die ‚Der Tag danach‘-Ente

Um Befürworter der Sieg-orientierten Politik abzuschrecken, Reden ihre Gegner von der „Tag-danach“-Ente, gemäss der ein Sieg über die Hamas katastrophal wäre, weil „am Tag nach“ dem Erfolg Israel vor dem Problem stünde, was es mit der grossen zivilen Bevölkerung, die nun unter ihrer Kontrolle steht, anfangen soll.

Ohne die Diskussion darüber, wie man einer solch grosse Herausforderung begegnen sollte, ausweichen zu wollen, muss man darauf hinweisen, dass das, was „am Tag danach“ zu tun ist, keine Einbahnfrage ist. Jene, die gegen den Sieg über die Hamas sind, müssen ebenfalls gezwungen werden, die Frage zu konfrontieren.

Immerhin wird ohne einen Sieg über die Hamas der „Tag danach“ ziemlich gleich aussehen wie der „Tag davor.“

Der Verzicht auf die Siedlungen im Gazastreifen hat eindeutig gezeigt, dass es irgendwann entweder Juden im Negev oder Araber in Gaza gibt, aber nicht beides. Das ist die brutale Wahl, der sich israelische Entscheidungsträger gegenüber sehen — das wahre „Tag danach“-Dilemma.

Um es zu lösen ist die einzige Option Israels, Hamas zur bedingungslosen Kapitulation zu zwingen, angefangen mit einer systematischen Entwaffnung von Gaza und einer humanitären Umsiedlung der nicht-kriegerischen Bevölkerung in Drittstaaten, wie ich schon vor zwanzig Jahren in „Warum wir Gaza nicht sich selbst überlassen können“ (Jerusalem Post, 9. Dezember 1992) vorgeschlagen habe, und in zahlreichen weiteren Into-the-Fray-Kolumnen — Etwas, worauf Shabtai Shavit in seiner erwähnten kürzlichen Ansprache angespielt zu haben scheint.

Enten, Gänse, und andere vogelbezogene Aussagen

Der Begriff ‚Ente‘ stammt aus dem mittelalterlichen französischen Begriff „Vendre des canards à moitié“ — womit wörtlich gemeint ist, „nur halbe Enten zu verkaufen“, also Leute mit etwas zu täuschen, das zwar wörtlich wahr ist, aber absichtlich in die Irre führt.

Wenn wir nicht anfangen, unsere politischen Entscheidungsfindungsmechanismus vom zerstörerischen Einfluss dieser ätzenden Enten befreien, dann sind unsere Gänse vielleicht tatsächlich gut durchgekocht.

Martin Sherman ist der Gründer und leitender Direktor des israelischen Institutes für strategische Studien.

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