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Warum Politiker so tun, als ob der Islam bei Gewalttaten keine Rolle spielen würde

Daniel Pipes, 9. März 2015, The New York Times

Prominente nicht-muslimische Politiker haben sich durch die Verweigerung der offensichtlichen Verbindung des Islam mit dem islamischen Staat (ISIS) und islamistischer Gewalt in Paris und Kopenhagen in Verlegenheit gebraucht, und sogar behauptet, diese seien im Gegensatz zum Islam. Was erhoffen sie sich mit diesen Falschaussagen zu erreichen und was bedeuten sie?

Zunächst einmal ein paar Beispiele dieser  Doppeldeutigkeiten:

Präsident Barack Obama teilt der Welt mit, dass ISIS „nicht islamisch“ sei, weil ihre „Aktionen keinen Glauben repräsentieren, zumindest keinen muslimischen Glauben.“ Er meint, „wir stehen nicht im Krieg mit dem Islam, sondern mit Menschen, die den Islam pervertiert haben.“

Der britische Permierminister David Cameron und der amerikanische Präsident Barack Obama stimmen überein, dass Gewalt den Islam pervertiert.

Aussenminister John Kerry wiederholt ihn: ISIS besteht aus „kaltblütigen Mördern, getarnt als eine religiöse Bewegung“, die eine „hasserfüllte Ideologie, die nichts zu tun hat mit dem Islam,“ vorantreiben. Seine Sprecherin Jen Psaki geht noch weiter: die Terroristen „sind Feinde des Islam.“

Jeh Johnson, der US-Minister für Heimatschutz, bejaht: „ISIL ist [nicht] islamisch.“ Mein Favorit: Howard Dean, der ehemalige demokratische Gouverneur von Vermont, sagt zu den Angreifern auf Charlie Hebdo: „Die sind etwa so muslimischwie ich.“

Howard Dean, ehemaliger Gouverneur von Vermont, hat er sich selbst als muslimisch erklärt?

Europäer sprechen genauso: David Cameron, der konservative britische Premierminister, portraitiert ISIS als „Extremisten, die den Islam missbrauchen wollen“ und die „den islamischen Glauben pervertieren.“ Er nennt den Islam „eine Religion des Friedens“ und bezeichnet ISIS Mitglieder nicht als Muslime, sondern als „Monster.“ Sein Minister für Einwanderung, James Brokenshire, argumentiert, dass Terrorismus und Extremismus „nichts mit dem Islam zu tun haben.“

Auf der Labourseite findet der ehemalige britische Premierminister Tony Blair, dass ISIS-Ideologie „auf einer komplette Verdrehung des richtigen Glaubens des Islams“ basiere, während ein ehemaliger Innenminister, Jack Straw, „die mittelalterliche Barbarei des ISIS und seinesgleichen“ anprangert, die er für „das komplette Gegenteil des Islam“ hält.

Auf der anderen Seite des Kanals besteht der französische Präsident François Hollande darauf, dass die Charlie Hebdo- und Hyper Cacher-Verbrecher „nichts mit dem muslimischen Glauben zu tun haben.“ Sein Ministerpräsident, Manuel Valls, stimmt zu: „Der Islam hat mit ISIS nichts zu tun.“

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte spiegelt das gleiche Thema: „ISIS ist eine Terrororganisation, die den Islam missbraucht.“ Daniel Cohn-Bendit, ein linker deutscher Politiker, nennt die Pariser Mörder Faschisten, nicht Muslime. Aus Japan stimmt Ministerpräsident Shinzo Abe zu: „Extremismus und Islam sind völlig unterschiedliche Dinge.“

Dies ist keine neue Ansicht: beispielsweise haben bereits die früheren US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush ihre Erkenntnisse über das, was der Islam ist und nicht ist, verlauten lassen, wenn auch weniger offensiv.

Wir fassen diese Aussagen zusammen, die direkt aus dem islamistischen Lehrbuch kommen: Der Islam ist eine reine Religion des Friedens, deshalb kann sie mit Gewalt und Barbarei kategorisch nichts zu tun haben; in der Tat, „maskieren“ und „pervertieren“ sie den Islam. Im Umkehrschluss ist mehr Islam notwendig, um diese „monströsen“ und „barbarischen“ Probleme zu lösen.

Aber natürlich vernachlässigt diese Interpretation die heiligen Schriften des Islam und die Geschichte der Muslime, in ihrer Annahme der Überlegenheit gegenüber Nicht-Muslimen und der Gerechten Gewalt des Jihad. Ironischerweise bedeutet das Ignorieren des islamischen Impulses der Verzicht auf das beste Werkzeug, um Dschihadismus zu besiegen: weil, wenn das Problem sich nicht aus einer Interpretation des Islam ergibt, sondern aus zufälligem Bösen und irrationalen Impulsen, wie kann man ihm vielleicht begegnen? Nur die Anerkennung des Erbes des islamischen Imperialismus öffnet Möglichkeiten, um die Schriften des Glaubens neu zu interpretieren auf moderne, moderate, und gutnachbarschaftliche Weise.

Warum also bringen mächtige Politiker ignorante und kontraproduktive Argumente, von denen sie sicherlich wissen, dass sie falsch sind, zumal sich der gewaltbereite Islamismus ausbreitet (man denke an Boko Haram, Al-Shabaab und die Taliban)? Feigheit und Multikulturalismus spielen sicherlich eine Rolle, doch zwei andere Gründe haben mehr Bedeutung:

Erstens wollen sie Muslime nicht beleidigen, weil sie fürchten, dass diese anfälliger sind für Gewalt, wenn sie das Gefühl haben, nicht-Muslime würden einen „Krieg gegen den Islam“ führen. Zweitens fürchten sie, dass die Konzentration auf Muslime eine grundlegende Änderung der weltlichen Ordnung bedeutet, während die Leugnung des islamischen Elements erlaubt, beunruhigende Fragen zu vermeiden. Zum Beispiel ermöglicht es der Flugzeug-Security, nach Waffen zu suchen, statt sich im israelischen Stil in Verhören zu engagieren.

Gemäss nicht-muslimischen Politikern haben diese Mitglieder der Taliban mit dem Islam nichts zu tun.

Meine Vorhersage: Das Bestreiten des Problems wird weitergehen, es sei denn, die Gewalt steigt weiter. im Rückblick haben die 3000 Opfer von 9/11 die nicht-muslimischen Selbstzufriedenheit nicht erschüttert. Die fast 30.000 Todesfälle des islamistischen Terrorismus seither haben ebenfalls die offizielle Linie nicht verändert. Vielleicht schaffen 300.000 Toten die Sorgen über islamistische Sensibilität beiseite und die Zurückhaltung zu tiefgreifenden sozialen Veränderungen, und ersetzen diese durch eine Entschlossenheit, eine radikale utopische Ideologie zu bekämpfen; drei Millionen Toten reichen sicherlich aus.

Ohne solche Verluste aber werden Politiker wahrscheinlich mit der Leugnung fortfahren, da es so einfacher ist. Das bedauere ich – ziehe aber Leugnung der Alternative vor.

Mr. Pipes (DanielPipes.org, @DanielPipes) ist Präsident des Middle East Forum. © 2015 Daniel Pipes. Alle Rechte vorbehalten.


Nachtrag vom 9. März, 2015: Für viele weitere Details zu den hier zitierten Fällen sehen Sie bitte meinen Blog-Beitrag „Islam vs. History“ auf DanielPipes.org.

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