Jef Rouner, 23. Juli 2015, Houston Press
Ich habe so viele Gespräche oder E-Mail-Austausche mit Studenten geführt in den letzten Jahren, wobei ich sie erzürnte mit der Aussage, dass einfach zu sagen: „Das ist meine Meinung“ nicht verhindert, dass eine verbundene Aussage total falsch sein kann. Es verblüfft mich immer noch, dass einige das Gefühl haben, diese vier Worte gäben ihnen irgendwie einen Freibrief, schlichten Mist von sich geben zu dürfen. Und es macht mir wirklich Angst, dass einige dieser Schüler denken, Bildung, die ihre Ideen herausfordert sei gleichbedeutend mit einem Angriff auf ihren Glauben. — Mick Cullen
Ich verbringe viel mehr Zeit damit, im Internet zu diskutieren, als höchstwahrscheinlich gesund ist, und das Wort, das ich inzwischen weniger ausstehen kann als jedes andere ist „Meinung“. Meinung, oder noch schlimmer „Glauben“, ist zum Schutzschild jeder schlecht durchdachten Vorstellung geworden, die ihren Weg durch soziale Medien frisst.
Es gibt eine verbreitete Vorstellung, dass eine Meinung nicht falsch sein kann. Himmel nochmal, jedermann’s Vater sagte es wahrscheinlich, und im strengsten Sinne stimmt es auch. Doch bevor Du dich hinter dem Schild Deiner Meinung verschanzt, musst Du dich zwei Fragen stellen.
1. Ist das tatsächlich eine Meinung?
2. Wenn es eine Meinung ist, wie fundiert ist sie und warum habe ich sie?
Ich helfe Dir mit dem ersten Teil. Eine Meinung ist eine Präferenz für oder eine Beurteilung von etwas. Meine Lieblingsfarbe ist schwarz. Ich denke, Minze schmeckt schrecklich. Doctor Who ist die beste TV-Show. Dies sind alles Meinungen. Sie können einzigartig sein für mich, oder in der allgemeinen Bevölkerung massiv verbreitet sein, aber sie alle haben eines gemeinsam: Sie können nicht überprüft werden, abgesehen von der Tatsache, dass ich sie glaube.
An Meinungen über solche Dinge ist nichts falsch. Das Problem kommt von Menschen, deren Meinungen eigentlich Missverständnisse sind. Wenn Du denkst, Impfstoffe verursachen Autismus, dann drückst Du etwas sachlich falsches aus, nicht eine Meinung. Die Tatsache, dass Du immer noch glaubst, dass Impfstoffe Autismus verursachen, verschiebt Dein Missverständnis nicht in das Reich der gültigen Meinungen. Auch die Tatsache, dass viele andere diese Meinung teilen, verleiht ihr keine grössere Gültigkeit.
Um John Oliver zu zitieren, der in seiner Show Letzte Woche heute Abend… eine Gallup-Umfrage referenzierte, die zeigt, dass einer von vier Amerikanern glauben, der Klimawandel sei nicht real,
Wen kümmert das? Man braucht die Meinung der Leute zu Tatsachen nicht. Genauso gut könnte man eine Umfrage starten zu der Frage: „Welche Zahl ist grösser, 15 oder 5“ oder „Gibt es Eulen?“ oder „Gibt es Hüte?“
Man sah dasselbe Phänomen kürzlich, als Fragen über die Flagge der Konföderierten die Runde zu machen begannen. Es mag Ihre Meinung sein, dass die Sklaverei nicht die treibende Ursache des Sezessionskrieges war, aber die Artikel zur Sezession von Texas erwähnen Sklaverei 21 Mal (Rechte werden nur sechsmal erwähnt, und nur einmal in einem Satz, der weder die Sklaverei, noch wieviel verdammt Besser weisse Menschen seien gegenüber schwarzen Menschen, erwähnt). Brauche ich noch darauf hinzuweisen, dass einige Leute auch der Meinung sind, der Holocaust sei eine Fälschung, und dass ihre Meinung absolut gar nichts bedeutet in der Realität?
Und ja, manchmal sind wissenschaftliche oder historische Daten falsch oder unklar oder bedürfen einer weiteren Prüfung. Jeder weiss, Wasser dehnt sich aus beim Gefrieren. Weisst Du, warum es das tut, wo buchstäblich nichts sonst auf der Welt dasselbe tut? Nö, und auch nicht die Wissenschaft. Oder hey, hier ist eine Frage: Was war das rassische Erbe der alten Ägypter, weil Historiker nicht zu einem Konsens kommen und ihre Kunst zu stilisiert ist, um das genau zu beurteilen.
Themen wie diese sind die Art von Dingen, die reif für eine Meinung sind. Wasser dehnt sich aus, wenn es gefriert, wegen der Form des Moleküls. Die Ägypter waren eine aus ihrer Heimat vertriebene schwarze afrikanische Rasse, die sich am Nil niederliess. Hier können Meinungen ein Platzhalter sein für ein besseres Verständnis, unter der Annahme, dass ein grösseres Verständnis überhaupt existiert. Es gibt keine Überprüfung; man kann es nur erahnen. Hoffentlich in einer gebildeten Art und Weise.
Da kommt die zweite Frage ins Spiel: Ist Ihre Meinung informiert und warum glaubst Du das? Obwohl sich technisch diese Meinungen nicht irren können, fehlt ihnen vielleicht der Wert, ganz einfach weil ihnen an Struktur fehlt.
Ich gebe Dir ein Beispiel. Sagen wir, ich treffe einen Doctor Who-Fan, und sein Lieblingsarzt ist David Tennant. Daran ist so weit nichts falsch. Bei weiterer Diskussion über das Thema sagt dieser Fan mir jedoch, dass er oder sie noch nie eine der vor-2005-Episoden gesehen oder eines der Hörspiele gehört hat. Jetzt ist es möglich, dass selbst wenn er oder sie das hätte, dass dann immer noch David Tennant sein Lieblingsarzt wäre, aber es ist auch möglich, dass es Tom Baker oder Paul McGann oder jemand anderes ist.
In einer perfekten Welt würde jemand, der mit diesen Tatsachen konfrontiert würde, einfach sagen: „Nun, David Tennant ist der Favorit von denen, die ich gesehen habe.“ Es gibt viele Gründe, nicht alle älteren Doctor Who-Episoden gesehen zu haben. Es ist nicht alles auf Netflix, es gibt eine ganze Menge davon, Hörspiele können ziemlich teuer sein, usw. Eine enge Meinung von einem engen Satz an Informationen abzuleiten ist nur natürlich.
Was aber alles kaputt macht, ist, wenn eine enge Gruppe von Informationen als breiter angenommen wird, als sie ist. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Glauben und Dinge, die man einfach nicht kennt. Es ist leicht, zum Beispiel, zu glauben, dass die Weissen genausoviel Diskriminierung erleben wie Farbige, aber nur, wenn Du keine Ahnung hast von den Arbeitslosenquoten von Schwarzen gegenüber Weissen, der Tatsache, dass von den Fortune 500 CEOs nur fünf schwarz sind, oder dass von den 43 Männern, die Präsidenten waren, 42,5 weisse gewesen sind.
Mit anderen Worten, Du kannst ein Urteil in einer Blase bilden, und in den ersten Jahrzehnten unseres Lebens tun wir das alle. Doch irgendwann wirst du dich in die Welt hinaus wagen und herausfinden, dass was du dachtest, es sei eine fundierte Meinung, eigentlich nur ein kleiner Gedanke war, basierend auf wenigen Daten und Deinen Gefühlen. Viele, viele, viele Ihrer Meinungen werden sich als uninformiert oder schlicht falsch herausstellen. Nein, die Tatsache, dass Du es geglaubt hast, macht es nicht gültiger oder lohnender, und niemand schuldet Deiner Sichtweise Respekt, nur weil es Deine ist.
Du darfst falsch liegen oder unwissend sein. Das passiert. Realität kümmert sich nicht um Deine Gefühle. Bildung ist nicht dazu da, Dir hinterherzurennen. Die falsch Informierten sind keine unterdrückte ethnische Minderheit. Was soll das auch sein? Geplante Elternschaft bedeutet, tote Babies zu zerstückeln und sie für dickes Geld zu verkaufen? Nein, das ist nicht das, was wirklich passiert ist. Nein, es ist nicht Deine Meinung. Du hast schlicht unrecht.