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Amnesty International: Schutz der „Menschenrechte“ der Freier, Zuhälter und Menschenhändler

Chris Hedges, 16. August 2015, truthdig.com

Nach einer polizeilichen Razzia auf ein illegales Minenarbeiterlager in La Pampa in der Region Madre de Dios in Peru vom letzten Jahr liegt ein vergessener BH auf dem Boden vor einer informellen Bar, die angeblich Sexarbeiter beschäftigte. (Rodrigo Abd / AP)

Die Entscheidung des Entscheidungsforums von Amnesty International, der Internationalen Tagung des Rates, zur Entkriminalisierung der Prostitution aufzurufen, ist ein weiterer Triumph in einer langen Reihe von Triumphen für eine herzlose neoliberale Ökonomie und der grotesken Verdinglichung von Menschen, durch Raubtier-Kapitalismus definiert.

Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International, sagte: „SexarbeiterInnen sind eine der am stärksten marginalisierten Gruppen in der Welt, die in den meisten Fällen ständiger Gefahr der Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind. Unsere globale Bewegung ebnet den Weg für eine Politik zum Schutz der Menschenrechte von SexarbeiterInnen, was dazu beitragen wird, die zukünftige Arbeit von Amnesty International zu diesem wichtigen Thema zu gestalten.“

In der Übelkeit der modernen Kultur ist die Möglichkeit, ungestraft Menschen auszunutzen, in ein Menschenrecht verzerrt, selbst von einer renommierten und angesehenen Hilfsorganisation. Das ist ein ziemlicher Kartentrick. Wir leben in einer globalen Kultur, wo die Verdammten dieser Erde Leibeigene sind und wo sexuelle Sklaverei – das, was die meisten prostituierten Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt ertragen müssen – durch die Marktkräfte geheiligt wird. Diese Frauen und Mädchen gehören zu unseren am meisten gefährdeten. Nachdem sie von Armut, Rassismus und Sexismus zermalmt sind, sind sie nicht in der Lage, andere Möglichkeiten für ein nachhaltiges Einkommen zu finden. Sie werden wenig besser als Vieh behandelt, die zu den Märkten und zu den Verbrauchern transportiert werden. Dass eine so genannte Menschenrechtsorganisation niederträchtige Rechtfertigungen wie ein Papagei wiedergibt, ist Sinnbild für die Tiefe unserer moralischen Degeneration und den Triumph der Frauenfeindlichkeit.

Frauen und Mädchen, die zur Prostitution gezwungen werden, sollten nicht als Verbrecher, sondern als Opfer behandelt werden. Die Verbrecher sind die Freier und die Zuhälter und Menschenhändler, die vom Verkauf von Menschenfleisch profitieren. Entkriminalisierung der Prostitution, was diesen modernen Sklavenhaltern offen die Ausübung ihres Gewerbes erlaubt, bedeutet, dass die Ausbeutung explosionsartig wachsen wird. Wir müssen daran arbeiten, eine Welt zu schaffen, in dem diejenigen, die ihrer Menschenrechte beraubt werden, nicht in dieses Dilemma gezwungen werden. Wir dürfen nicht eine Welt akzeptieren, in der Armut das Leben der Schwachen und Verletzlichen, darunter auch Kinder, zerstört. Diejenigen, die von der Prostitution von Frauen und Mädchen profitieren, müssen aus dem Markt gedrängt werden.

„In reinen Zahlen sind es die armen braunhäutigen Frauen der Welt, die mit Blutergüssen, Erniedrigung und Tod für diese ignorante und abscheuliche Entscheidung, die Amnesty International dermassen in die Tiefe gezogen hat, zu zahlen haben,“ erzählte mir Lee Lakeman, die kanadische Feministin, per E-Mail. „Wenn Amnesty Internationals ‚progressive Linke‘ munter von der ‚freien Wahl, Prostituierte zu sein‘ reden, entscheiden sie sich wirklich dafür, die Prostitution als Imperialismus zu vergessen? Dritte-Welt-Bordell-Städte, touristische Bordelle, entstanden wo einst Armeen stationiert waren, geheime Lager der Ressourcen Diebe, die indigene Bevölkerungen überrennen, UN-Truppen, die Sex von den Frauen in Flüchtlingslagern für Nahrung kaufen? Verlassene, süchtige Migrantenkinder und -Frauen in den Ghettos der Städte der Welt, die für den Preis von einem schnellen Quickie gekauft werden? Oder stellen sie [Amnesty und diejenigen, die ihre Entscheidung unterstützen] sich diese freie Wahl vor: Die Frauen, Babys in den Armen, aus Kriegsgebieten und ökologischen Wüsten migrierend, die mit Fahrten, Nahrung, Wasser oder mit einer Chance, ein Kind zu retten, gekauft werden? Sicher wissen sie, wie einheimische Mädchen mit Drogen und Alkohol und Fahrten in die Stadt aus der ausweglosen Heimat geködert werden. Aber sie können den inhärenten Rassismus der Prostitution nicht verpasst haben, der jeden Rassenstereotyp der Frau auf den hinteren Seiten und Internet-Sites der Welt exotisiert. Und diejenigen von uns, Frauen des globalen Nordens, die Nahrung und Schutz haben? Wir kämpfen jetzt für das öffentliche Leben als Vollbürger. Sind wir verpflichtet, jedesmal, wenn wir unsere Häuser verlassen, uns einer Flut von Männern gegenüberzusehen, die mit vor Berechtigung per Klasse und Rasse und Geschlecht aufgeblähten Gesichtern dasitzen und uns beim vorübergehen abchecken, was auf unserem Preisschild steht? Bewusstsein ist es, teilweise zu wissen, wer Ihnen beistehen wird. Wir wissen, dass Amnesty International uns verkauft.“

Unter denen, darunter Frauen, die keine Ahnung haben von dem, was sich zu prostituieren wirklich bedeutet, ist es hip und chic geworden, von der Legitimität der „Sexarbeit“ zu sprechen. Filme wie „Pretty Woman“ und die schlauen Portraits der pro-Prostitutions-Lobby von der „Sexindustrie“ tragen so viel Ähnlichkeit mit der Realität der Prostitution wie „Sands of Iwo Jima“ mit dem Krieg. Wenn Sie einen ehrlichen Einblick möchten in das, wie die Prostitutionsindustrie wirklich ist, lesen Sie „Bezahlt: Meine Reise durch die Prostitution“ von Rachel Moran, die mit 15 auf den Strassen von Dublin prostituiert worden ist. Sie ertrug diesen Albtraum sieben Jahre lang.

Moran sagt, aufgrund ihrer Erfahrung, dass es drei Arten von Männern gibt, die Prostituierte benutzen: jene, die Frauen so behandeln, als ob sie keine menschlichen Gefühle hätten; diejenigen, die der Menschlichkeit einer Frau bewusst sind, sich aber dafür entscheiden, sie zu ignorieren; und diejenigen, die sexuelle Lust daraus gewinnen, die Menschlichkeit der Frauen, die sie kaufen, zu zermalmen.

Unsere Kultur, durch anspruchsvolle Formen der Propaganda manipuliert, durch kommerziell erzeugte Bilder, die Gewalt und sexuelle Ausbeutung und Ausnutzung verherrlichen, hypnotisiert, kann die Fantasie nicht von der Realität entwirren. Viele, vielleicht die meisten, Männer wurden von Pornographie indoktriniert. Pornographie hat sie gelehrt, dass ihre persönliche Befriedigung auf Kosten und Erniedrigung eines anderen ein Menschenrecht ist. Diese Indoktrination hat den Feminismus, der einst für die unterdrückten Frauen und Mädchen kämpfte, in ein Accessoire der Frauenfeindlichkeit verdreht. Warum sollten echte Feministinnen „Schlampenmärsche“ organisieren oder dabei teilnehmen? Warum ist die Wahl eines weiblichen Präsidenten oder die Bestellung eines weiblichen CEO ein Fortschritt, wenn zur gleichen Zeit – oft in Zusammenarbeit mit Elite-Frauen – soziale und staatliche Programme, die Hilfe für arme und arbeitende Frauen vorsehen, aufgehoben werden? Die aktuelle Generation der neoliberalen „Feministinnen“ zitiert die Stärkung einer kleinen, überwiegend weissen weiblichen Elite als Nachweis des feministischen Fortschritts. Frauen und Mädchen, die arm, rassisch unterdrückt oder Teil der Arbeiterklasse sind, wie alle der Schwächsten in unserer Zeit des Raubtierkapitalismus, werden ignoriert und entsorgt, zusammen mit den meisten ihrer Fürsprecher. Dies ist kein Fortschritt für die Frauen. Es ist ein tiefgreifender Rückschlag.

„Kapitalismus und Prostitution sind die neue Methode von Imperialismus und Kolonisation“, sagte Alice Lee, Mitglied der Asian Women Coalition Ending Prostitution, die ich in Vancouver erreichte. „Es ist kein Zufall, dass Pornographie und Prostitution rassische Stereotypen benutzen, um Frauen zu verkaufen und auszunutzen. Prostitution ist ein Werkzeug, das Frauen unterwirft, vor allem farbige Frauen, das Sexismus und die globale Rassenhierarchie stärkt. Die Normalisierung des sexualisierten Rassismus verstärkt die Idee in allen Nationen, dass farbige und arme Frauen entbehrlich / Wegwerfware sind. Der globale Norden muss unser Land nicht mehr besetzen. Sie können unseren Körper besetzen und unseren Wert definieren. Dieser Mechanismus ermöglicht es ihnen, uns als weniger menschlich anzusehen.“

Die Welt wurde auf den Kopf gestellt. Jeder Satz von der pro-Prostitutionslobby – dass es bei Prostitution um eine freiwillige Entscheidung geht, dass Prostitution zu einer Stärkung führt, dass die Legalisierung der Prostitution Frauen schützt – ist eine Lüge. Aber wir sind eine Kultur, die von Lügen überflutet ist, und inmitten dieser Flut ist es für viele schwer,  Illusion von der Realität zu trennen.

Prostituiert zu sein bedeutet unbefristete Vergewaltigung. Prostituiert zu sein bedeutet, dass deine Öffnungen ein Dutzend oder mehr Mal pro Nacht von Fremden penetriert werden, die dich oft beleidigen, roh behandeln und schlagen. Dies geschieht in den Autos, in den Gassen, in „Massagesalons,“ in Bordellen, in Motelzimmern. Und diejenigen, die echtes Geld verdienen, sind nicht die ausgebeuteten und missbrauchten, sondern die Zuhälter, Menschenhändler, Bordellbesitzer und Massagesalonbesitzer. Prostituiert sein bedeutet vaginale und anale Risse, Prellungen, Knochenbrüche, sexuell übertragbare Krankheiten, einschliesslich HIV, und schwere psychische Schäden. Und es kann den Tod bedeuten. Es bedeutet fast immer frühen Tod. Diejenigen, die diesen Missbrauch ertragen müssen, sind fast immer farbige Frauen, viele von Menschenhändlern aus armen Ländern in relativ wohlhabende Länder geliefert für den alleinigen Zweck der sexuellen Ausbeutung.

„Vergewaltigung, Ehefrauenmisshandlung und Pornographie dient dazu, Frauen in ihre Schranken zu weisen“, sagte Lee. „Das ist die Funktion der männlichen Gewalt gegen Frauen. Wenn Frauen hören und sehen, wie andere Frauen vergewaltigt, misshandelt oder prostituiert werden, dann wissen wir, dies könnte leicht mit uns geschehen. Manchmal hört man unter den pro-Prostitutionsargumenten, dass dank Prostitution Männer von der Vergewaltigung gewöhnlicher Frauen abgehalten werden. Aber durch die Annahme der Prostitution akzeptieren wir eine Klasse von Frauen, die entbehrlich sind, als ob das verhindern würde, dass wir von Männern geschlagen und vergewaltigt werden. Nur wenn alle Frauen Freiheit und Autonomie erreichen, können wir frei sein.“

Ich leide unter post-traumatischen Belastungsstörungen aus meiner Zeit als Kriegsberichterstatterin. Ich erkannte sofort Leidensgenossen von PTSD in prostituierten Frauen und Mädchen, als ich sie in Flüchtlings- und Umsiedlungslagern in Lateinamerika, Afrika und auf dem Balkan interviewte. Prostituierte Frauen sind in und in der Nähe von Kriegsgebieten so alltäglich wie Leichen. Wenn eine Kultur einmal in die Krankheit von Gewalt absteigt, sobald eine Kultur es Menschen ermöglicht, rassifizierte Objekte der Ausbeutung zu werden, gibt es eine Explosion von Vergewaltigungen und Prostitution, zusammen mit Pornografie. Krieg, wie die neoliberale Ökonomie, sieht nur Rohstoffe, nicht fühlende Wesen mit der Fähigkeit, Schmerz und Freude zu fühlen. Und Krieg gegen die Menschen, als auch den Planeten, zu führen, ist das Herzstück der neoliberalen Ökonomie.

Frauen und Mädchen zu prostituieren ist ein lukratives Geschäft. Deutschland, das die Prostitution im Jahr 2002 legalisiert hat, wird jetzt als „Europas grösstes Bordell“ betitelt. Es hat die sexuelle Ausbeutung mit einer erschreckenden unternehmerischen Effizienz industrialisiert. Mehr als eine Million Männer pro Tag machen in diesen Transaktionen mit und beuten Frauen und Mädchen sexuell aus, vor allem solche aus den armen Ländern in Afrika und Osteuropa. Diese Frauen und Mädchen sind nach Deutschland geschickt worden, um die physischen Bedürfnisse der Wohlhabenden zu sättigen und die Zuhälter und Menschenhändler, die sie kontrollieren, zu bereichern. Die Frauen und Mädchen tun dies nicht, weil sie eine Wahl haben. Sie tun dies, weil sie verzweifelt und arm sind. Das deutsche Magazin Spiegel veröffentlichte eine Untersuchung, die diesen Missbrauch im Detail auslegt: „Wie Legalisierte Prostitution fehlgeschlagen ist.“

Amnesty International hat im Wesentlichen die Waffe der männlichen Objektivierung und Gewalt im Krieg gegen Frauen legitimiert. Diese Waffe existiert unabhängig von den Übeln des globalen Kapitalismus. Der Kampf, um männliche Gewalt gegen Frauen zu beenden, muss integraler Bestandteil sein für diejenigen von uns, die auch gegen den globalen Kapitalismus kämpfen. Wir brauchen die Befreiung der Frauen und Mädchen, einschliesslich derer, die arm und farbig sind. Frauen können im Kampf für eine bessere Welt nicht mitmachen, bis männliche Gewalt und männlicher Anspruch ausgerottet sind. Freiheit von Ausbeutung, vor allem für Frauen und Mädchen, wird den Erfolg oder Misserfolg unseres Kampfes definieren. Antikapitalistisch zu sein, ein Mitglied der authentischen Linken, die allen Unterdrückten beisteht, zu sein, bedeutet, den radikalen Feminismus zu umarmen – nicht den Scheinfeminismus des Neoliberalismus, sondern den wahren Feminismus von Andrea Dworkin. Es ist anzuerkennen, dass kein Angriff gegen den Kapitalismus möglich ist, oder auch nur moralisch zulässig ist, wenn er nicht durch einen Angriff gegen männliche Gewalt und der Ausbeutung von Frauen und Mädchen begleitet wird.

„Der Kapitalismus ist nicht böse oder grausam, wenn die Ware die Hure ist,“ schrieb Dworkin. „Gewinn ist nicht böse oder grausam, wenn der entfremdete Arbeiter ein weibliches Stück Fleisch ist; Blutsaugende Unternehmen sind nicht böse oder grausam, wenn die in Frage stehenden Unternehmen, die organisierte Kriminalität und deren Organisationen, Fotzen verkaufen; Rassismus ist nicht böse oder grausam, wenn die schwarze Fotze oder gelbe oder rote Fotze oder hispanische Fotze oder jüdische Fotze ihre Beine zum Vergnügen jedes Mannes breit macht; Armut ist nicht böse oder grausam, wenn es die Armut der besitzlosen Frauen ist, die nur sich selbst zu verkaufen haben; Gewalt der Mächtigen gegen die Machtlosen ist nicht böse oder grausam, wenn sie Sex genannt wird; Sklaverei ist nicht böse oder grausam, wenn es sexuelle Sklaverei ist; Folter ist nicht böse oder grausam, wenn die gequälten Frauen, Huren, Fotzen sind. Die neue Pornografie ist Links; und die neue Pornographie ist ein riesiger Friedhof, wo die Linke hingegangen ist, um zu sterben. Die Linke kann nicht ihre Huren und ihre Politik gleichzeitig haben.“

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