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Hat der Papst Europa gegen den Islam im Stich gelassen?

Giulio Meotti, 26.5.2016, Gatestone Institute

Im Jahr 2006 sagte Papst Benedikt XVI (links), was kein Papst zuvor jemals zu sagen gewagt hatte – dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Gewalt und Islam. Zehn Jahre später ruft Papst Franziskus (rechts) nie diejenigen, die verantwortlich sind für die Gewalt gegen Christen, beim Namen und erwähnt nie das Wort „Islam“. (Bildquelle: Benedikt: Flickr / Katholische Kirche von England | Franziskus: Wikimedia Commons / korea.net)

Wenn man durch die Liste der apostolischen Reisen von Papst Franziskus geht – Brasilien, Südkorea, Albanien, Türkei, Sri Lanka, Ecuador, Kuba, USA, Mexiko, Kenia, Uganda, Philippinen – so könnte man sagen, dass Europa nicht gerade an der Spitze seiner Tagesordnung steht.

Die beiden vorhergehenden Päpste kämpften beide für die Wiege der Christenheit. Papst Johannes Paul II nahm es mit dem Kommunismus auf und stürzte die Berliner Mauer und den Eisernen Vorhang. Benedikt XVI nahm „die Diktatur des Relativismus“ aufs Korn (der Glaube, dass die Wahrheit im Auge des Betrachters liegt) und setzte alles auf Re-Evangelisierung des Kontinents durch Reisen (er besuchte Spanien dreimal) und in Reden wie die prächtigen in Regensburg, wo er unverblümt über die Bedrohung durch den Islam sprach, und dem deutschen Bundestag, wo er die versammelten Politiker vor sinkender Religiosität warnte und davor, „ihre eigenen Ideale im Interesse der Macht zu opfern.“

Papst Franziskus dagegen ignoriert Europa einfach, als ob er es bereits für verloren hält. Dieser ehemalige argentinische Kardinal, ein Vertreter des Christentums des „globalen Südens“, machte spektakuläre Ausflüge auf die Migranteninseln Lampedusa (Italien) und Lesbos (Griechenland), doch nie ins Herz des alten Kontinents. Papst Franziskus hat es auch Anglikanern schwer gemacht, in die katholische Kirche einzutreten, indem er den Dialog mit ihnen herunterspielte.

Am wichtigsten ist jedoch, dass er in seiner wichtigen 6. Mai Rede für den Karlspreis vor europäischen Staats- und Regierungschefs Europa wegen der Migranten geisselte und die Führer bat, grosszügiger zu sein mit ihnen. Als nächstes führte er etwas Revolutionäres in die Debatte ein: „Die Identität Europas ist und war immer eine multikulturelle Identität“, sagte er. Dieser Gedanke ist fragwürdig.

Multikulturalismus ist eine spezifische Politik, die in den 1970er Jahren formuliert wurde. Und der Begriff fehlte im politischen Vokabular von Schuman und Adenauer, zwei Gründervätern Europas. Jetzt wurde er vom Papst intoniert, der von der Notwendigkeit einer neuen Synthese sprach. Worum geht es?

Heute erscheint das Christentum marginal und irrelevant in Europa. Die Religion steht vor einer islamischen demographischen und ideologischen Herausforderung, während die Post-Auschwitz-Reste der jüdischen Gemeinden vor dem neuen Antisemitismus fliehen. Unter diesen Bedingungen wäre eine Synthese zwischen dem alten Kontinent und dem Islam eine Kapitulation von Europas Anspruch auf die Zukunft.

„Multikulturalismus“ ist die Moschee, die auf den Ruinen der Kirche steht. Es ist nicht die Synthese, die sich der Papst wünscht. Es ist der Weg zur Ausrottung.

Die Forderung, Europa müsse „multikulturell“ sein, während es eine dramatische Entchristlichung erlebt, ist ausserdem äusserst riskant. In Deutschland fand eine neue Umfrage soeben heraus, dass „Deutschland demographisch ein multireligiöses Land geworden ist.“ Im Vereinigten Königreich erklärte eine grosse Umfrage vor kurzem, dass „Grossbritannien nicht mehr ein christliches Land ist.“ In Frankreich überholt der Islam ebenfalls das Christentum als die dominierende Religion. Sie finden den gleichen Trend überall, vom protestantischen Skandinavien bis zum katholischen Belgien. Deshalb war Papst Benedikt davon überzeugt, dass Europa „neu evangelisiert“ werden müsse. Franziskus versucht nicht einmal, Europa neu zu evangelisieren oder zurückzuerobern. Stattdessen scheint er zutiefst zu glauben, dass die Zukunft des Christentums in den Philippinen, Brasilien und Afrika liegt.

Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund verbringt der Papst wenig Zeit damit, das schreckliche Schicksal der Christen im Nahen Osten anzuprangern. Sandro Magister, Italiens wichtigster Vatikanbeobachter, wirft ein Licht auf das Schweigen des Papstes:

„Er blieb stumm bei den Hunderten von in Nigeria von Boko Haram entführten Schülerinnen. Er blieb stumm bei der jungen Mutter Meriam im Sudan, die allein wegen ihres Christentums zum Tode verurteilt und schliesslich durch das Eingreifen anderer befreit wurde. Er bleibt stumm bei der pakistanischen Mutter Asia Bibi, die seit fünf Jahren in der Todeszelle gewesen ist, weil auch sie eine „Ungläubige“ ist, und [er] antwortet nicht einmal auf die beiden herzzerreissenden Briefe, die sie ihm dieses Jahr geschrieben hat, vor und nach der erneuten Bestätigung des Urteils.“

Im Jahr 2006 sagte Papst Benedikt XVI in seiner Regensburger Vorlesung, was kein Papst zuvor jemals zu sagen gewagt hatte – dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Gewalt und Islam. Zehn Jahre später nennt Franziskus die Verantwortlichen für die Gewalt gegen Christen nie beim Namen, und nie erwähnt er das Wort „Islam“. Franziskus anerkannte auch vor kurzem den „Staat Palästina“ – bevor er überhaupt existiert – ein symbolischer und noch nie da gewesener Erstlingsakt. Der Papst verzichtet augenscheinlich auch auf die lange kirchliche Tradition des „gerechten Krieges„, eines Krieges, der als moralisch oder theologisch vertretbar gilt. Franziskus spricht immer vom „Europa der Völker“, aber nie vom „Europa der Nationen.“ Er plädiert dafür, Migranten willkommen zu heissen und wäscht ihnen die Füsse, während er ignoriert, dass diese unkontrollierten demographischen Wellen Europa Stück für Stück in einen islamischen Staat verwandeln.

Das ist die Bedeutung von Franziskus‘ Reisen zu den Inseln Lampedusa, Italien und Lesbos, Griechenland – beide Symbole einer dramatischen geographischen und zivilisatorischen Grenze. Das ist auch die Bedeutung der Papstrede für den Karlspreis .

Hat der Vorsteher des Christentums Europa als christlichen Ort aufgegeben?

Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist ein italienischer Journalist und Autor.


Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.

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