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Houston, wir haben… zwei Probleme!

Stell Dir vor, Du gründest eine eigene Kommunikations-Plattform, weil es mit der Meinungsfreiheit in den (a)sozialen Netzwerken nicht mehr weit her ist. Nennen wir diese Plattform einfach Schwafel. Ist auch völlig egal, wie sie heißt. Und weil man das so macht, baust Du für Deine neue Plattform entsprechende Apps für die verbreiteten Smartphone-Betriebssysteme (Anroid & iOS). Schwafel startet also voll durch, weil es der neue heiße Scheiß ist, auf den die geknebelte Kundschaft gewartet hat wie die Wüste auf das Wasser. Jetzt müssen sie nur noch in die entsprechenden App-Stores der Marktführer (Google & Apple) und Apple sagt einfach mal „Nö!“. Apple ist sensibel. Apple lässt sich nicht jeden rein. Gut, können sie machen. Es ist deren App-Shop und da gelten deren Regeln. Wer im Apple-Universum zu Hause ist, hat sich auf die eine odere andere Art mit dieser Form von betreutem 21. Jahrhundert irgendwie arrangiert. Schwafel bleibt also den eher abenteurlicher veranlagten Zeitgenossen im Google-Universum vorbehalten. „Und wo ist das Problem?“, fragen gewitzte Zeitgenossen. Apple hat mit iOS schließlich nur einen Martkanteil von 14,7 Prozent. „Das ist ja kein Monopol, nicht mal ansatzweise!“ Stimmt.

Derweil wächst und gedeiht Deine Schwafel-App prächtig außerhalb des Obstgartens. Bis Google plötzlich auch die Reißleine zieht und die App aus seinem Store wirft. Weil sie es halt können. Einfach so. Zu ungezähmt, zu unbequem, zu Dingens… Mit anderen Worten: „Wer hier (nicht) zensiert, bestimmen immer noch wir!“. Okay, können sie machen, ist deren App-Shop und da gelten deren Regeln und… da wird es zum Problem. Google hat mit Android einen Marktanteil von 85,0 Prozent. Jetzt addieren wir das mal zusammen. Die beiden Markführer kommen zusammen auf 99,7 Prozent. Die restlichen 0,3 Prozent entfallen auf Windows Mobile, intelligente Linux-Backöfen und andere gescheiterte Existenzen.

99,7 Prozent. Das ist definitiv ein Duopol. Klar, bei Android ist das mit den Apps nicht so tragisch, die kann man auch ohne Store installieren, aber alles in Allem bedeutet es für das Gros der Anwender: Aus den Augen, aus dem Sinn! Weil zwei Firmen der Meinung sind, dass sie besser als ihre Kunden wissen, was gut für selbige ist. Oder sein sollte. Oder muss… Das ist offensichtlich ein Problem. Zwei Firmen entscheiden, was sein darf, und was nicht sein darf. Und Schwafel darf nicht sein. Damit haben sie zwar juristisch gesehen Recht, andererseits stimmt dann aber entweder mit den Gesetzen irgendwas nicht (mehr) oder hier wartet ein knackiges Kartellverfahren sehnsüchtig auf seine Eröffnung.

Und ich bin diesem Gedanken tatsächlich nicht abgeneigt. Eigentlich sollte der Markt das regeln, aber er tut es nicht. Zumindest noch nicht. Dafür sitzen die beiden Elefanten zu bequem auf der Maus. Wer diese Idee abwegig findet, stelle sich folgendes Bild vor: Es gibt zwei Wasserversorger in der Stadt und einen öffentlich zugänglichen Brunnen zehn Kilometer außerhalb. Beide Anbieter verweigern die Versorgung, weil sie aus irgendeinem Grund den Kunden nicht mögen (und dieser Grund hat in diesem Beispiel nichts mit Zahlungsunlust zu tun). Das nennt man Vertragsfreiheit. Und immerhin kann der Kunde ja auch zum Brunnen latschen und sich ein Eimerchen Wasser holen…

Ernsthaft? Jeder klar denkende Mensch bekommt bei dieser Vorstellung zumindest ein mulmiges Gefühl. Wobei vielen Leuten die zusätzliche Bewegung gar nicht schaden würde, sofern sie noch können… Der Punkt ist aber: Es könnte jeden treffen. Willkürlich. Ob es nun Wasser ist, oder Schwafel, oder (Twitter-Alternative) Gab.ai oder das etablierte reddit. Zufällig war es in in diesem Fall Schwafel, pardon Gab.ai, was ungefähr so nachvollziehbar ist wie fliegende Kühe. Ein Flüchtiger Blick in reddit genügt und die ganzen vermeintlichen Gründe „gegen die Konkurrenz“ implodieren von allein. Da wird genauso viel Müll gelabert und halbherzig bis gar nicht moderiert. Scheint aber niemanden zu stören, nicht mal die Mimosen bei Apple.

Ob man das nun mag oder nicht, aber die Kommunikationsnetze und Software-Plattformen sind die Wasserleitungen, die Nervenbahnen der modernen Informations-Gesellschaft, sie stellen neben den Internet-Anbietern auch eine Art digitaler Grundversorgung dar. So wie vor Jahrzehnten die Telefonkonzerne. Dem Wettbewerb in diesem Bereich hat deren Zerschlagung (wem das Wort zu hart ist: „Deregulierung“) ihrer Monopole, praktisch weltweit, äußerst gut getan. Niemand würde das bestreiten. Nur mal so als Idee.

Wer sich jetzt fragt: Was will mir dieser technisch angehauchte Artikel eigentlich sagen? Ich habe ja gar keine Schwafel-App. Ja, und Du kriegst auch keine. Weil das andere Leute für Dich entschieden haben! Das ist einer der Gründe, warum es diesen Blog gibt. Weil andere Leute entschieden haben, welche Meinungen man der Allgemeinheit zumuten kann und welche nicht. Wer im Internet eine Stimme hat und wer nicht. Ich schaue dabei nicht Facebook an. Könnte ich machen, aber ich mache es nicht. Na gut, warum nicht. Ich schaue Facebook an. Ziemlich intensiv sogar. Lohnt sich.

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