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Der Missbrauch der koptischen Christen in Ägypten

Salim Mansur, 7.7.2018, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

Ägyptens Präsident Abdel Fattah el-Sisi hielt am 28. Dezember 2014 an der Al-Azhar-Universität in Kairo eine historische Rede vor führenden islamischen Gelehrten und Geistlichen. (Bildquelle: MEMRI)

Wir haben die schrecklichen Aufnahmen von koptischen Christen, die von ISIS im Jahr 2015 in Libyen enthauptet wurden, und die wiederholten Bombenanschläge auf koptische Kirchen der letzten zwei Jahrzehnte in Ägypten gesehen und verabscheut. Wir haben vom Maspero-Massaker im Jahr 2011 gelesen, wo ägyptische Armeepanzer, die zum Schutz friedlicher christlicher Demonstranten eingesetzt wurden, sie stattdessen überfahren und viele zu Tode gequetscht haben. Und wir erhalten immer wieder Berichte über koptische Mädchen, die entführt und zur Konversion zum Islam und in Ehen mit Muslimen gezwungen werden.

Jedes Mal, wenn es Nachrichten über einen weiteren Akt hasserfüllter Gewalt gegen die Kopten oder andere religiöse Minderheiten gibt, erschaudern wir. Wenn es Angriffe gegen Jessiden im fruchtbaren Halbmond, gegen die Bahais im Iran und Christen und Ahmadis in Pakistan gibt, fragen wir uns, wie Muslime diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter dem Banner des Islam bejahen können.

Abgesehen davon, dass sie die sichtbare/demonstrative Bigotterie und Gewalt verurteilen – und westliche Regierungen um Hilfe bitten – sind Muslime, die gegen den islamistischen Extremismus sind, ratlos betreffs dessen, was getan werden muss, um die Regierungen Ägyptens und anderer Staaten mit muslimischer Mehrheit dafür verantwortlich zu machen, dass sie ihre religiösen Minderheiten nicht vor der sektiererischen Gewalt schützen, die sich regelmäßig gegen sie richtet.

Hier einige Vorbemerkungen zu den Kopten in Ägypten, die als Vorschlag dienen könnten, wie Muslime und Nicht-Muslime gemeinsam einen Ausweg aus dieser schrecklichen Situation finden und ihr gegenseitiges Überleben und friedliches Zusammenleben sichern könnten:

Was also ist angesichts der Situation der koptischen Christen in Ägypten und der religiösen Minderheiten in der gesamten muslimischen Ummah (Gemeinschaft) zu tun?

Welche konkrete politische Initiative auch immer ergriffen wird, um ihrer Notlage zu begegnen, es gibt eine unabdingbare Voraussetzung für die Zukunft. Mit den Worten des deutschen katholischen Theologen Hans Küng: „Kein Überleben ohne Weltethos. Kein Weltfrieden ohne Frieden zwischen den Religionen. Kein Frieden zwischen den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.“

Muslime in der Öffentlichkeit haben eine einfache, aber gewaltige Aufgabe vor sich: die Wahrheit darüber zu sagen, wie Muslime auf der ganzen Welt Gottes Wort in eine politische Ideologie und ihre Religion in eine nicht-enden-wollende Inquisition verwandelt haben.

Während einer Ansprache im Dezember 2014 an religiöse Gelehrte und Geistliche an der Al-Azhar-Universität in Kairo – der renommiertesten sunnitisch-muslimischen Bildungseinrichtung der islamischen Welt – erklärte der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi unmissverständlich:

„Ehrenwerter Imam [Großscheich der Al-Azhar], Sie tragen die Verantwortung vor Allah. Die Welt in ihrer Gesamtheit wartet auf Ihre Worte, denn die islamische Nation wird zerrissen, zerstört und geht auf die Verdammnis zu. Wir selbst bringen sie zur Verdammnis… Wir müssen die gegenwärtige Situation, in der wir uns befinden, genau unter die Lupe nehmen. Es ist unvorstellbar, dass die Ideologie, die wir heiligen, unsere ganze Nation zu einer Quelle der Sorge, der Gefahr, des Tötens und der Zerstörung in der ganzen Welt macht. Es ist unvorstellbar, dass diese Ideologie… Ich spreche nicht von „Religion“, sondern von „Ideologie“ – dem Körper von Ideen und Texten, die wir im Laufe der Jahrhunderte geheiligt haben, bis zu dem Punkt, dass es sehr schwierig geworden ist, sie herauszufordern“.

Dass ein politischer Führer des heutigen Ägypten versteht, dass muslimische Religionsgelehrte und Kleriker „Verantwortung tragen“ dafür, den Islam zu pervertieren, indem sie ihn in eine wilde politische Ideologie verwandeln, ist außergewöhnlich. Die Frage ist jedoch, ob diese Gelehrten und Geistlichen verstanden haben, was er sagte. Und was noch wichtiger ist: Haben sie die Integrität, sich der Herausforderung von al-Sisi zu stellen? Und was ist mit der Verantwortung des Westens in dieser Angelegenheit?

Wenn die westlichen Mächte ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Führung bei den Menschenrechten bewahren wollen, dürfen sie nicht die Augen verschließen vor dem, was in der muslimischen Welt vor sich geht. Muslime in Ägypten und anderswo wissen aus Erfahrung, bis zu welchem Ausmass westliche Mächte in der Praxis verraten haben, was sie theoretisch vertreten, wenn es um die Unterstützung von Menschen geht, die autoritären Regimes unterworfen sind.

Ägyptens Muslime kämpfen seit langem um die Modernisierung ihrer Gesellschaft. Der mangelnde Erfolg religiöser Reformer wie Muhammad Abduh (1849-1905) und Ali Abd al-Raziq (1888-1966) sowie säkularer Intellektueller wie Taha Hussein (1889-1973), Nasr Hamid Abu Zayd (1943-2010) und Hasan Hanafi (geb. 1935).) beim Herausholen Ägyptens aus der kulturellen Rückständigkeit der „Dritten Welt“ wurde noch verstärkt durch die komplizierte Geschichte des Landes und der Menschen, die in den Fängen kolonialer Interessen, antikolonialer Kämpfe, interarabischer Rivalitäten, Kriege gegen Israel und dem Wettbewerb des Kalten Krieges im Nahen Osten gefangen waren.

Was vom Westen längst überfällig ist, ist eine robuste Politik zur Verteidigung und Sicherung der Menschenrechte für alle, insbesondere für Minderheiten, in Ländern mit muslimischen Mehrheiten. Ironischerweise hat er mit dem Helsinki-Abkommen von 1975, das rückblickend zum Untergang des Kommunismus in der Sowjetunion und ihrer Satelliten in Osteuropa beigetragen hat, bereits eine bewährte Politik der Verteidigung und erfolgreichen Förderung der Achtung der Menschenrechte in totalitären Staaten verfolgt.

Eine Politik nach dem Vorbild des Helsinki-Abkommens und zugeschnitten auf die spezifische Situation in der muslimischen Welt, wie in Ägypten, durch die westlichen Mächte unter der Führung der Vereinigten Staaten, sollte den Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) als sine qua non präsentiert werden, wenn sie ein Verhältnis des gegenseitigen Respekts und der Unterstützung, beispielsweise mit den G7-Staaten, aufrechterhalten wollen. Als Unterzeichner der von der UNO verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 müssen die OIC-Mitgliedstaaten, einschließlich Ägypten, unmissverständlich darauf hingewiesen werden, dass ihre Mittäterschaft oder ihr Versäumnis, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, schwerwiegende Folgen haben wird.

Die westlichen Mächte sollten auch kategorisch klarstellen, dass die 1990 von der OIC verabschiedete Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam inakzeptabel ist, denn in Artikel 24 des Dokuments heißt es: „Alle in dieser Erklärung genannten Rechte und Freiheiten stehen im Einklang mit den Regeln des islamischen Gesetzes.“ Mit anderen Worten, die Erklärung von Kairo macht das Scharia-Gesetz zur Grundlage für Rechte und Freiheiten innerhalb der Länder mit muslimischen Mehrheiten. Dies sollte für die westlichen Mächte, insbesondere die Vereinigten Staaten als wichtigstes Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, völlig inakzeptabel sein – ebenso wenig wie für Muslime, die die Unvereinbarkeit der Scharia mit den Anforderungen der modernen Welt verstehen.

Die Scharia ist ein veraltetes Produkt des Geistes der Menschen des frühen Mittelalters. Die Kopten, wie auch andere religiöse Minderheiten unter den Mitgliedstaaten der OIC, und viele Muslime werden täglich auf der Grundlage der Scharia in Ägypten zum Opfer gemacht. Es kann keine Gnadenfrist für sie geben, solange die Regierung weiterhin die von der Scharia gelenkten Regeln und Vorschriften im ganzen Land durchsetzt und die ägyptische Gesellschaft sich daran hält.

Die Vereinigten Staaten müssen unaufhörlich aufgefordert werden, die G7 dazu zu bewegen, in ihren Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der OIC eine Art Helsinki-Abkommen zu schließen. Ein solches Abkommen hätte schließlich eine ähnliche Wirkung auf die muslimische Welt – in Bezug auf die Menschenrechte, den Schutz religiöser Minderheiten, die Gleichstellung der Frauen und die Meinungsfreiheit als wesentliche Voraussetzung für die Förderung der Demokratie – wie das Helsinki-Abkommen zur Befreiung der Menschen unter dem Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und in Osteuropa.

Die Behandlung der Kopten in Ägypten ist eine moralische Empörung für jeden Moslem, der sich der religiösen Tradition bewusst ist, die ihm von seinem Propheten hinterlassen wurde. Zu dieser Tradition gehört Mohammeds Zuneigung zu den Kopten durch seine Heirat mit Maria, einer koptischen Tochter, die ihm den Sohn Ibrahim (gestorben im Kindesalter) gebar, den er so sehr wollte. Als Ergebnis dieser glücklicherweise gesegneten Beziehung wurden die Kopten als Volk zu Mohammeds erweiterter Familie, seine Freunde und Verwandte. Wenn ägyptische Muslime die Barmherzigkeit Gottes suchen, müssen sie sich daran erinnern, dass es damit beginnt, dass sie für ihr Fehlverhalten gegen die Kopten büßen und um Vergebung bitten. Die Führung der Al-Azhar-Universität in Kairo könnte einen Anfang machen, indem sie dem Beispiel von Präsident al-Sisi folgt, als er kürzlich sagte, die Kopten mit offenen Armen als Mitglieder der ägyptischen Familie willkommen heißend:

„Wir lieben auch Euch. Ihr seid unsere Familie, Ihr seid von uns, wir sind eins und niemand wird uns trennen.“

Salim Mansur ist Distinguished Senior Fellow am Gatestone Institute. Er lehrt am Institut für Politikwissenschaft der Western University in London, Ontario, und ist Autor von „Das Problem Koran und Islamismus“ („The Qur’an Problem and Islamism“), „Das Dilemma des Islam: Perspektiven eines dissidenten Moslems“ („Islam’s Predicament: Perspectives of a Dissident Muslim“) und „Köstliche Lüge: Eine liberale Zurückweisung des Multikulturalismus“ („Delectable Lie: A Liberal Repudiation of Multiculturalism“).

Dieser Artikel basiert auf Kommentaren, die der Autor auf der 9. Jahrestagung der Koptischen Solidarität, die vom 21. bis 22. Juni in Washington D.C. stattfand, machte.


Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.

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