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Sind die Märchen aus Tausendundeiner Nacht Kinderliteratur?

Eine Freundin von mir hatte festgestellt, dass dieser Klassiker in der Bearbeitung von Urs Widmer in der Pestalozzi-Bibliothek Limmatcity/Zürich als Kinder-Vorleseliteratur angeboten wurde. Nach kurzem Schmökern stiess sie auf befremdliche Stellen.

Auf ihre erste Reklamation hin bekam sie nur eine kulturrelativistisch heruntergebrochene & “bereicherungserziehende” Mail: Das Buch bleibt im Sortiment – in der Kinderabteilung! Es brauchte ein Nachhaken ein paar Monate später, bis die verantwortlichen Bibliothekarinnen die Konsequenzen zogen.

Hier ein Lesemuster:

Weil sie eine solche (Vorlese-) Lektüre für ganz und gar nicht kindgerecht hält, hat sich eine Freundin an die Bibliotheksleitung gewandt mit der Bitte, das Buch zur Erwachsenenliteratur zu stellen. Das erste Mal Anfangs Jahr. Darauf hat sich folgender Emailverkehr entsponnen (Namen involvierter Personen und Orte geändert):


Gesendet: Dienstag, 16. Januar 2018 16:12

Guten Tag Frau Lambert

Besten Dank für Ihre Rückmeldung betreffend dem obengenannten Kinderbuch. Gemeinsam mit der Leiterin der Bibliothek Neustadt, Corinne Kalbermatten, haben wir das Märchenbuch angeschaut und möchten es weiterhin in unserem Märchenbuch-Bestand stehen lassen.

Märchen sind häufig etwas brutal und die Sitten im alten Orient sicher für uns heute teilweise schockierend. Deshalb steht das Buch ja auch neben den Kinder-Klassikern. Die Idee ist, dass die Eltern, die ihren Kindern Bücher vorlesen, den Text ja allenfalls altersgemäss abkürzen oder einzelne Textstellen auslassen können. Sie werden dasselbe sicher auch in anderen Ausgaben von Tausendundeiner Nacht finden.

Dasselbe gilt auch für den Rassismus-Vorwurf, welcher immer wieder bei Klassikern auftaucht. Wir haben solche Klassiker, welche auch immer wieder neu aufgelegt werden, in unserem Kinderbuch-Bestand. Ich bin Mutter von zwei dunkelhäutigen Kindern und bin in dieser Beziehung sicher sensibel. Als ich meinen Kindern z.B. die Turnach-Kinder oder andere Klassiker vorgelesen habe, habe ich ihnen erklärt, dass man früher Begriffe wie «Neger» verwendet hat oder habe einzelne Kapitel des Buches weggelassen.

Falls Sie weitere Fragen haben, können Sie gerne mit Frau Kalbermatten Kontakt aufnehmen.

Freundliche Grüsse

Angelika Mombu
Bibliothekarin | Berufsbildnerin PBZ Neustadt PBZ Pestalozzi-Bibliothek Zürich


Gesendet: Donnerstag, 18. Januar 2018 18:39

Danke Frau Mombu, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Ich teile Ihre Meinung allerdings  nicht:  Der Text dieses Buches ist abstossend. Aber freundliche Grüsse einewäg Eïrene Lambert


Gesendet: Mittwoch, 12. September 2018 17:13 (also mehr als sechs Monate später)

Guten Tag Frau Kalbermatten

Ich beziehe mich auf den Mailverkehr, den ich im vergangenen Januar mit Frau Mombu hatte, die mich – wie ich finde – ziemlich belehrt hatte und ausserdem Privates einbrachte, das nichts zur Sache tut. Offenbar erzählte sie ihren dunkelhäutigen Kindern  „Die Turnachkinder“  und war dann gezwungen, sich für das N-Wort zu erklären… Nun ist es aber so, dass heute in Zeiten der unheiligen „Political Correctness“ – vollkommen unnötig – selbst Klassiker wie Pippi Langstrumpf umgeschrieben werden. Die 1001-Fassung von Urs Widmer hätte allerdings nicht einmal umgeschrieben werden müssen, sie gehört einfach nicht auf das Regal der Kinder-Vorlesebücher. Nachdem ein Post über das Buch auf meiner FB-Seite heftigste Reaktionen ausgelöst hatte (der Empörung natürlich), habe ich  mich heute wieder einmal in der PBZ Limmatcity erkundigt: Das Buch ist tatsächlich nicht mehr da, dem Anschein nach jedoch, weil es bereits 10 Jahre alt war.  Die junge Bibliothekarin am Tresen musste ziemlich leer schlucken, als ich ihr die angehängte Leseprobe gab. Dazu teilte sie mir mit, dass das Buch immer noch in den PBZ Bibliotheken Neustadt, Altstetten, Oerlikon, Riesbach, Schwammendingen und Wittikon ausleihbar sind. Ich finde das nach wie vor skandalös und inakzeptabel.

Bitte überdenken Sie Ihre Ausleihepraxis nochmals bzw. überlegen sich genau, auf welchem Regal diese abstossende Lektüre abgestellt werden sollte.

Ich bin keineswegs prüde, Mutter eines Vorlesekindes hingegen schon.

Freundliche Grüsse
Eïrene Lambert


Gesendet: Montag, 17. September 2018 11:29

Sehr geehrte Frau Lambert

Das Buch ist inzwischen auch aus der PBZ Neustadt entfernt worden, aus Altersgründen.

Ein Buch und dessen Inhalt ist immer auch ein zeitgeschichtliches Dokument. Das trifft auf Märchen aus 1001 Nacht ebenso zu wie auf die derzeit umstrittenen Bücher von Thilo Sarrazin. Wir bieten eine breite Palette von Medien an, auch als Diskussionsgrundlage. Unseren Kund/innen steht es frei, die Medien auszuleihen oder lieber im Gestell stehen zu lassen.

Ich danke Ihnen für Ihren Input und Ihr Verständnis für unsere Vorgehensweise.

Freundliche Grüsse

Conny Kalbermatten
Chefbibliothekarin | Geschäftsleitung
Bibliotheksleiterin PBZ Neustadt


Gesendet: Montag, 17. September 2018 16:56

Guten Tag Frau Kalbermatten

Danke für Ihre Antwort, die für mich allerdings in keinster Art und Weise befriedigend ist. Ich werde jedenfalls nicht locker lassen.

Mein einziger Kritikpunkt war, dass dieses Buch definitiv nicht auf das Vorleseregal für Kinderbücher gehört. Daher ist auch Ihr Gratisratschlag, es stehe den KundInnen frei, ob sie ein Buch ausleihen oder nicht, völlig obsolet. Denn wenn ich ein Kinderbuch zum Vorlesen nachhause nehme, muss ich mich schlicht darauf verlassen können, dass dessen Inhalt auch kindergerecht ist, schliesslich sollten sich ja ausgewiesene Fachleute mit der Bücherauswahl befasst haben…  Ich habe heute mit der Bibliothekarin unserer Schulbibliothek gesprochen. Sie sagte mir, selbstverständlich könne auch sie nicht für den Inhalt jedes Buches der Primarschulhausbibliothek garantieren, aber wenn sie einen solchen Hinweis bekommen würde, würde sie sich an erster Stelle bei der meldenden Person bedanken und dann das Buch entfernen (da Schulbibliothek, es gibt kein passenderes Regal). Sie hingegen hätten die Möglichkeit, das Buch dorthin zu stellen, wo es hingehört =  zur illustrierten Erwachsenenliteratur.

Dass Sie mich obendrein noch mit Thilo Sarrazin belehren bzw. sich gedrängt fühlen, auf dessen Umstrittenheit hinzuweisen – bitte sehr: Ich sehe das als eine Auszeichnung und werde  demnächst  sein neuestes Buch in der Bibliothek Neustadt mit höchstem Vergnügen ausleihen.

Freundliche Grüsse

Eïrene Lambert


Gesendet: Montag, 17. September 2018 17:10

Guten Abend Frau Lambert

Danke für Ihr Mail.
Ihren Input hatte ich falsch verstanden. Ich gehe mit Ihnen einig, dass es sich bei dem Buch von Urs Widmer um ein Erwachsenen-Buch und nicht um ein Kinder- bzw. Jugendbuch handelt. Ich werde das so den zuständigen Stellen innerhalb der PBZ weiterleiten.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und grüsse Sie freundlich.

Conny Kalbermatten
Chefbibliothekarin | Geschäftsleitung
Bibliotheksleiterin PBZ Neustadt


Gesendet: Montag, 17. September 2018 20:51

Da bin ich aber unglaublich erleichtert, Frau Kalbermatten, und ebenso erbaut über die späte – aber immerhin – Einsicht. Herrgottine, wie ist es möglich, dass zwei so belesene Fachfrauen wie Sie und Frau Mombu, denn davon gehe ich bei Bibliothekarinnen aus (ausserdem hatte ich die pikante Leseprobe mitgeschickt), nicht umgehend reagiert hatten…? Aber ich bin froh darüber, dass ich mich nach der Januarmail nochmals bei Ihnen gemeldet hatte. Ich wünsche Ihnen einen erspriesslichen Abend mit hoffentlich passender Lektüre.

Freundliche Grüsse

Eïrene Lambert

 

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