Raymond Ibrahim, 28.10.2018, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
- „Ich bin stolz darauf, Iraker zu sein, ich liebe mein Land. Aber mein Land ist nicht stolz darauf, dass ich ein Teil von ihm bin. Was mit meinem Volk (Christen) geschieht, ist nichts anderes als Völkermord… Wacht auf!“ – Pater Douglas al-Bazi, irakisch-katholischer Pfarrer in Erbil.
- „Beim Kontakt mit den Behörden werden wir gezwungen, uns als Christen zu identifizieren, und wir sind nicht sicher, ob einige der Menschen, die uns bedrohen, nicht gena die Menschen aus den Regierungsbüros sind, die uns schützen sollen.“ – Irakischer Christ, der erklärt, warum sich Christen im Irak nicht um Schutz an die Regierungsbehörden wenden.
- Von der Regierung geförderte Lehrpläne präsentieren einheimische Christen als unerwünschte „Ausländer“, obwohl der Irak Jahrhunderte lang christlich war, bevor er im siebten Jahrhundert von Muslimen erobert wurde.
„Eine weitere Welle der Verfolgung wird das Ende des Christentums im Irak nach 2.000 Jahren sein“, sagte ein irakischer christlicher Führer kürzlich. In einem Interview Anfang dieses Monats diskutierte der chaldäische Erzbischof Habib Nafali von Basra darüber, wie mehr als ein Jahrzehnt gewaltsamer Verfolgung die christliche Minderheit des Irak praktisch vernichtet hat. Seit der von den USA geführten Invasion im Jahr 2003 ist die christliche Bevölkerung von 1,5 Millionen auf etwa 250.000 zurückgegangen – eine Verringerung um 85 %. In diesen 15 Jahren wurden Christen entführt, versklavt, vergewaltigt und abgeschlachtet, manchmal durch Kreuzigung; etwa alle 40 Tage wurde eine Kirche oder ein Kloster zerstört, sagte der Erzbischof.
Während oft davon ausgegangen wird, dass der Islamische Staat (ISIS) die Quelle der Verfolgung war, hat sich die Situation für Christen seit dem Rückzug dieser Terrorgruppe aus dem Irak kaum verbessert. Wie der Erzbischof sagte, leiden die Christen weiterhin unter „systematischer Gewalt“, die darauf abzielt, „ihre Sprache zu zerstören, ihre Familien zu trennen und sie dazu zu bringen, den Irak zu verlassen“.
Laut dem Bericht „World Watch List 2018“ erfahren Christen im Irak – der achtschlimmsten Nation der Welt für Christen – „extreme Verfolgung“, und zwar nicht nur von „Extremisten“.
Obwohl „Gewalttätige Religionsgemeinschaften“ (wie der islamische Staat) „sehr stark“ dafür verantwortlich sind, sind zwei weitere gesellschaftliche Klassen, die selten mit der Verfolgung von Christen im Irak in Verbindung gebracht werden, ebenfalls „sehr stark“ verantwortlich, so der Bericht: 1) „Regierungsbeamte auf jeder Ebene, von lokal bis national“, und 2) „Nichtchristliche religiöse Führer auf jeder Ebene, von lokal bis national“. Auch drei weitere gesellschaftliche Gruppen — 1) „Führer von ethnischen Gruppen“, 2) „Normale Bürger (Menschen aus der Öffentlichkeit), einschließlich Mobs“ und 3) „Politische Parteien auf allen Ebenen von lokal bis national“ — sind alle „stark“ für die Verfolgung von Christen im Irak verantwortlich. Mit anderen Worten, fast jeder ist beteiligt.
Der Bericht führt weiter aus:
„Gewalttätige religiöse Gruppen wie IS und andere radikale Kämpfer sind dafür bekannt, dass sie Christen und andere religiöse Minderheiten durch Entführungen und Morde angreifen. Eine weitere Quelle der Verfolgung sind islamische Führer auf allen Ebenen, meist in Form von Hassreden in Moscheen. Es wird berichtet, dass Regierungsbeamte auf allen Ebenen Christen bedrohen und sie zur Auswanderung „ermutigen“. Auch normale Bürger im Norden haben Berichten zufolge in der Öffentlichkeit Bemerkungen gemacht und sich gefragt, warum Christen immer noch im Irak sind.“
Mehrere regionale christliche Leiter bestätigen diese Ergebnisse. Laut dem syrisch-orthodoxen Bischof George Saliba:
„Was im Irak passiert, ist eine seltsame Sache, aber es ist normal für Muslime, weil sie Christen nie gut behandelt haben, und sie haben immer eine offensive und diffamierende Haltung gegen Christen eingenommen… Wir lebten und koexistierten früher mit Muslimen, aber dann offenbarten sie ihre Zähne… [Sie haben nicht] das Recht, Häuser zu stürmen, zu stehlen und die Ehre der Christen anzugreifen. Die meisten Muslime tun dies, die Osmanen haben uns getötet und danach haben die herrschenden Nationalstaaten zwar die Umstände verstanden, haben den Muslimen aber immer Vorteile verschafft. Der Islam hat sich nie verändert.“
Pater Douglas al-Bazi – ein irakischer katholischer Pfarrer aus Erbil, der noch immer die Narben der Folter trägt, deren er 9 Jahre zuvor ausgesetzt worden war – machte die gleiche Beobachtung:
Ich bin stolz darauf, Iraker zu sein, ich liebe mein Land. Aber mein Land ist nicht stolz darauf, dass ich ein Teil von ihm bin. Was mit meinem Volk (Christen) geschieht, ist nichts anderes als Völkermord. Ich bitte dich: Nenne es nicht einen Konflikt. Es ist Völkermord … Wenn der Islam unter euch lebt, könnte die Situation akzeptabel erscheinen. Aber wenn man inmitten von Muslimen [als Minderheit] lebt, wird alles unmöglich … Wacht auf! Der Krebs steht vor deiner Tür. Sie werden dich zerstören. Wir, die Christen im Nahen Osten, sind die einzige Gruppe, die das Gesicht des Bösen gesehen hat: Islam.
Die irakische Regierung ist mitschuldig an der Verfolgung, wenn sie nicht sogar aktiv daran teilnimmt. Wie ein Christ auf die Frage, warum sich Christen im Irak nicht an die Regierungsbehörden wenden, um Schutz zu erhalten, erklärte:
„Beim Kontakt mit den Behörden werden wir gezwungen, uns als Christen zu identifizieren, und wir sind nicht sicher, ob einige der Menschen, die uns bedrohen, nicht genau die Menschen in den Regierungsbüros sind, die uns schützen sollen.“
Wenn Christen das Risiko eingehen, sich an die örtlichen Behörden zu wenden, rügt die Polizei sie manchmal mit Kommentaren wie: „[Sie] sollten nicht im Irak sein, weil es muslimisches Gebiet ist“.
Die irakische Regierung hat nur dazu beigetragen, solche antichristlichen Gefühle zu fördern. So hat sie Ende 2015 ein Gesetz verabschiedet, das christliche und alle anderen nicht-muslimischen Kinder rechtlich verpflichtet, Moslem zu werden, wenn ihre Väter zum Islam konvertieren oder wenn ihre christlichen Mütter einen Moslem heiraten.
Von der Regierung geförderte Lehrpläne präsentieren einheimische Christen als unerwünschte „Ausländer“, obwohl der Irak Jahrhunderte lang christlich war, bevor er im siebten Jahrhundert von Muslimen erobert wurde. Wie ein christlicher Politiker im irakischen Bildungsministerium erklärte:
„Es gibt fast nichts über uns [Christen] in unseren Geschichtsbüchern, und was es gibt, ist völlig falsch. Es hat nichts damit zu tun, dass wir schon vor dem Islam hier waren. Die einzigen Christen, die erwähnt werden, kommen aus dem Westen. Viele Iraker glauben, dass wir hierher gezogen sind. Aus dem Westen. Dass wir Gäste in diesem Land sind.“
„Wenn die Kinder in der Schule sagen, dass sie an Jesus glauben“, schreibt ein Bericht, „erfahren sie von ihren Lehrern Prügel und Verachtung.“
Am aufschlussreichsten ist, dass die irakische Regierung radikale Kleriker, deren Lehren fast identisch mit denen des islamischen Staates sind, einstellt und ihnen Plattformen gibt. Großayatollah Ahmad al-Baghdadi zum Beispiel, einer der führenden schiitischen Kleriker der Nation, erklärte in einem im Fernsehen übertragenen Interview die Stellung von Nicht-Muslimen, die unter muslimischer Herrschaft leben:
„Wenn sie Menschen des Buches [Juden und Christen] sind, fordern wir von ihnen die Jizya [eine Steuer auf Nicht-Muslime] – und wenn sie sich weigern, dann kämpfen wir gegen sie. Das heißt, wenn jemand Christ ist, dann hat er drei Möglichkeiten: Entweder er konvertiert zum Islam, oder, wenn er sich weigert und christlich bleiben will, dann bezahlt er die Jizya. Doch wenn sie sich immer noch weigern – dann bekämpfen wir sie, und wir entführen ihre Frauen und zerstören ihre Kirchen – das ist der Islam … Das ist das Wort Allahs!“
In Anbetracht der Tatsache, dass Muslime im Irak von frühester Jugend an durch solche antichristliche Rhetorik indoktriniert werden – angefangen in den Schulräumen bis hin zu den Moscheen – sollte es wahrscheinlich keine Überraschung sein, dass sich viele Muslime gegen benachbarte Christen wenden, wenn sich die Gelegenheit bietet.
In einem Video erzählt zum Beispiel eine traumatisierte christliche Familie aus dem Irak, wie ihre kleinen Kinder ermordet wurden – lebendig verbrannt, „nur weil sie das Kreuz trugen“. Die Mutter erklärte, wie die „ISIS“, die ihre Kinder angriff und ermordete, ihre eigenen muslimischen Nachbarn waren, mit denen sie aßen, lachten und denen sie sogar pädagogische und medizinische Hilfe geleistet hatten – die sich aber gegen sie wandten.
Auf die Frage, wer genau die Christen bedroht und aus Mosul vertrieben habe, sagte ein anderer christlicher Flüchtling:
„Wir verließen Mosul, weil ISIS in die Stadt kam. Das [sunnitisch muslimische] Volk von Mosul umarmte ISIS und vertrieb die Christen aus der Stadt. Als ISIS in Mosul eintraf, hiessen die Leute sie willkommen und vertrieben die Christen … Die Menschen, die ISIS angenommen haben sind die Menschen, die dort mit uns gelebt haben … Ja, meine Nachbarn. Unsere Nachbarn und andere Menschen haben uns bedroht. Sie sagten: ‚Geh, bevor ISIS dich erwischt.‘ Was bedeutet das? Wo sollen wir hin?… Christen haben im Irak keine Unterstützung. Wer behauptet, die Christen zu schützen, ist ein Lügner. Ein Lügner!“
Die Christen im Irak stehen am Rande des Aussterbens, weniger wegen ISIS, sondern mehr, weil praktisch jede Stufe der irakischen Gesellschaft auf ihnen herumhackte und dies immer noch tut.
„Wenn das kein Völkermord ist“, sagte der chaldäische Erzbischof Habib Nafali gegen Ende eines kürzlichen Interviews, „was dann?“
Raymond Ibrahim, Autor des neuen Buches, Sword and Scimitar, Fourteen Centuries of War between Islam and the West, ist ein Distinguished Senior Fellow am Gatestone Institute und Judith Rosen Friedman Fellow am Middle East Forum.
Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.