Website-Icon Politisches & Wissenswertes

Frankreich: Stille Wiedereinführung des Verbrechens der Blasphemie

Giulio Meotti, 9.2.2020, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger

Heute führen in Frankreich, dem Land, das die Meinungsfreiheit und das Recht auf Kritik an Religion und Ideologien stets geheiligt hat, manche innerhalb des Justizsystems still und leise de facto das Verbrechen der Blasphemie wieder ein. (Bildquelle: Pixabay. Das Bild ist illustrativ und stellt keine im Artikel genannte Person dar).

Frankreich war gerade aus dem fünften Jahrestag des Massakers in seiner satirischen Zeitschrift Charlie Hebdo herausgekommen, als es in einen ähnlichen Fall gestürzt wurde. Am 18. Januar machte Mila O., ein 16-jähriges französisches Mädchen, in einem Livestream auf Instagram beleidigende Bemerkungen über den Islam.

„Während ihres Livestreams fragte sie ein muslimischer Junge in den Kommentaren nach einem Date, aber sie lehnte ab, weil sie homosexuell sei. Er reagierte, indem er sie des Rassismus bezichtigte und sie als ’schmutzige Lesbe‘ bezeichnete. In einem wütenden zweiten Video, das unmittelbar nach ihrer Beleidigung gestreamt wurde, reagierte Mila mit der Aussage, dass sie ‚die Religion hasst'“.

Mila fuhr fort und sagte unter anderem:

„Bist Du mit der Meinungsfreiheit vertraut? Ich habe nicht gezögert, meine Meinung zu sagen. Ich hasse die Religion. Der Koran ist eine Religion des Hasses; es gibt in ihm nur Hass. Das ist meine Meinung. Ich sage, was ich denke… Der Islam ist sch*t… Ich bin überhaupt kein Rassist. Man kann einfach nicht rassistisch sein gegen eine Religion… Ich sage, was ich will, ich sage, was ich denke. Eure Religion ist scheiße. „Ich würde den Finger ins A**l**ch deines Gottes stecken…“

Was sie gesagt hat, könnte man als etwas rauh empfinden, aber hat sie das Recht, es zu sagen? Schließlich werden Juden als Nachkommen von Schweinen und Affen bezeichnet, ohne dass die Sprachpolizei einen Schlaganfall hat.

Nach ihren Aussagen wurde Mila in sozialen Netzwerken zur Zielscheibe, wo das Video weit verbreitet wurde; sie erhielt zahlreiche Morddrohungen, und ihr Name, ihre Adresse und der Name ihrer Schule wurden veröffentlicht. Mila wurde zu ihrer eigenen Sicherheit gezwungen, die Schule zu verlassen.

Jetzt steht Mila unter Polizeischutz und ist derart gefährdet, dass vorerst keine französische Schule sie aufnehmen kann. „Ich kann keinen Fuß mehr in meine High School setzen und ich kann nicht einmal die Schule wechseln, weil ganz Frankreich hinter mir her ist“, sagte sie. Da sie nicht verstanden hat, was allen klar ist – dass der Islam eine „Religion des Friedens“ ist – wird sie mit Tod, Vergewaltigung und dem Durchschneiden ihrer Kehle bedroht.

Sind wir in Frankreich oder in Pakistan?„, fragte der französische Intellektuelle Jacques Julliard. Willkommen im Frankreich des Jahres 2020, wo die Zeitschriften Schlagzeilen wie „Mila, 16 Jahre alt, wegen Kritik am Islam mit dem Tod bedroht“ bringen. Der Islamismus wird unter den französischen Muslimen immer weiter verbreitet. Da Frankreich ihn nicht bekämpft hat, kann sein Einfluss auf Frankreich nur zunehmen.

„Kommen wir auf den Punkt: Die progressive Intelligentsia will an ein multikulturelles Zusammenleben glauben, auch wenn die Realität dies verneint und eine Gesellschaft offenbart, in der die Vielfalt in eine soziale und identitätsbezogene Fragmentierung übersetzt wird“, schrieb der kanadische Philosoph Mathieu Bock-Côté. Wenn Multikulturalismus zu einer Bedrohung der Meinungsfreiheit wird, stellen sich Multikulturalisten gefährlich auf die Seite der Islamisten. Der Fall Mila repräsentiert alle Risse in der Auflösung der französischen Gesellschaft. Nach Ansicht des französischen Journalisten Dominique Nora ist der Fall Mila ein Beispiel für die Risse, die der Zerfall der französischen Gesellschaft hinterlässt:

„Wenige Wochen nach dem Gedenken an das Massaker von Charlie [Hebdo] zeigt die ‚Mila-Affäre‘ die beunruhigende Asymmetrie, die in Frankreich in Bezug auf Meinungsfreiheit, oder genauer gesagt, Blasphemie, herrscht.

Milas Geschichte hätte mit den Morddrohungen enden können – wie die Morddrohungen gegen Salman Rushdie vor 31 Jahren hätten enden können – wenn alle staatlichen Behörden sofort zur Unterstützung von Mila geeilt wären und wenn Frankreich als Gesellschaft die barbarische Aggression gegen das Schulmädchen unisono verurteilt hätte. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Vermeidung der „Stigmatisierung der Muslime“ ist zur offiziellen Entschuldigung der Politiker geworden, um das Aussetzen der Opfer gewaltsamer islamistischer Drohungen wie Mila zu rechtfertigen.

Nicht eine, sondern zwei Ermittlungen wurden eingeleitet, eine wegen der Morddrohungen, die Mila erhalten hatte, und die andere gegen Mila wegen „Provokation von religiösem Hass“ (später eingestellt). Die Kontroverse verstärkte sich, als der Generaldelegierte des französischen Rates für den Islamischen Kult, Abdallah Zekri, sagte, das Mädchen habe „nach Ärger gesucht“: „Sie muss die Folgen ihrer Äußerungen tragen. Wer Wind sät, erntet Sturm“. Islamisten testen täglich die Widerstandsfähigkeit unserer demokratischen Gesellschaften.

Die Kontroverse um Mila erhielt eine neue Dimension, als Justizministerin Nicole Belloubet, nachdem sie zunächst die Morddrohungen verurteilt hatte, die Mila erhalten hatte, erklärte: „Die Beleidigung der Religion ist offensichtlich ein Angriff auf die Gewissensfreiheit; sie ist schwerwiegend.“ Unglücklicherweise für Belloubet, aber zum Glück für Frankreich, ist dies (noch) kein Verbrechen. Belloubet gab später ihren „Fehler“ zu. Dennoch war der Schaden immens. Ségolène Royal, eine ehemalige Ministerin und Präsidentschaftskandidatin, sagte, Mila habe es an „Respekt“ gefehlt.

„Nein, Sie sind nicht Mila; Sie, Frau Ségolène Royal, haben keinen Mut“, twitterte der Philosoph Raphaël Enthoven als Antwort. Martine Aubry, die sozialistische Bürgermeisterin von Lille, forderte Mila auf, „Zurückhaltung zu üben und diese Art von Gesprächen zu vermeiden, auch wenn die Drohungen inakzeptabel sind“. Frankreich geht rasch von Laizität (Säkularismus) zu Lâcheté (Feigheit) über; von der Meinungsfreiheit zur bedingungslosen Kapitulation. Frankreich versucht immer wieder zu zögern, während der Islamismus davon lebt, dass die Eliten ihre jüdisch-christlichen Werte rasch aufgeben.

Es gab sogar solche, wie der Religionshistoriker Oden Vallet, die behaupteten, Mila sei für künftige Terroranschläge „verantwortlich“.

„Nein, Sie sind nicht Mila; Sie, Frau Ségolène Royal, haben keinen Mut“, twitterte der Philosoph Raphaël Enthoven als Antwort. Martine Aubry, die sozialistische Bürgermeisterin von Lille, forderte Mila auf, „Zurückhaltung zu üben und diese Art von Gesprächen zu vermeiden, auch wenn die Drohungen inakzeptabel sind“. Frankreich geht rasch von laïcité (Säkularismus) zu lâcheté (Feigheit) über; von der Meinungsfreiheit zur bedingungslosen Kapitulation. Frankreich versucht immer wieder zu zögern, während der Islamismus davon lebt, dass die Eliten ihre jüdisch-christlichen Werte rasch aufgeben.

Es gab sogar solche, wie der Religionshistoriker Oden Vallet, die behaupteten, Mila sei für künftige Terroranschläge „verantwortlich“.

Ein ehemaliger Karikaturist von Charlie Hebdo, Delfeil de Ton, beschuldigte nach dem Massaker an seinen Kollegen im Jahr 2015 den verstorbenen Herausgeber Stéphane Charbonnier schändlich, das Personal in das Gemetzel „hineingezogen“ zu haben, indem er Mohammed persifliert habe.

Milas Fall ähnelt dem eines französischen Philosophen, Robert Redeker, der 2006 in Le Figaro eine äußerst islamkritische Stellungnahme veröffentlichte. Daraufhin erhielt Redeker, der Lehrer an einer öffentlichen Schule in Toulouse war, Todesdrohungen per Telefon, E-Mail und über Al Hesbah, ein passwortgeschütztes Forum mit Verbindungen zu Al Qaida. „Ich kann nicht arbeiten, ich kann nicht kommen und gehen und bin verpflichtet, mich zu verstecken“, sagte Redeker von einem nicht genannten Ort aus. „So ist es den Islamisten in gewisser Weise gelungen, mich auf dem Territorium der Republik zu bestrafen, als wäre ich eines Verbrechens der Redefreiheit schuldig“. Das war die „Fatwa im Land Voltaires„.

Fünfzehn Jahre später zeigt der Fall Mila, wie sehr das den Islamisten tatsächlich gelungen ist.

Es gibt ein paar mutige Schriftsteller, die Mila verteidigt haben. In einem Artikel für das Journal du Dimanche schrieb der ehemalige Charlie-Hebdo-Anwalt Richard Malka über „Milas Fall oder den Triumph der Angst“.

„Es gibt keine Reaktion von Ministerinnen und großen Feministinnen oder LGBT-Verbänden, Künstlerinnen und ‚Progressiven‘. Drehen Sie den Kopf, pfeifen Sie, schauen Sie auf Ihre Schuhe, bevor Sie modische Empörung wählen, die Sie mit umso größerer Begeisterung aufnehmen werden, solange Sie sich keinem Risiko aussetzen“.

Malka schrieb auch, dass „keine Menschenrechtsorganisationen protestiert oder sich mit dem Mädchen, dessen Leben sich plötzlich derart verändert hat, dass es untertauchen musste, solidarisch erklärt haben“. Feministische Organisationen, die sonst so rasch „toxische Männlichkeit“ und „patriarchalische Herrschaftsstrukturen“ anprangern, schwiegen ebenfalls.

Heute gibt es viele Länder, in denen Menschen getötet werden, weil sie es wagen, den Islam zu kritisieren. In der Islamischen Republik Pakistan, einem Land, in dem Blasphemie mit dem Tod bestraft wird, wurden Richter zum Tode verurteilt, später aber Asia Bibi diesen „Verbrechens“ freigesprochen. Heute führen in Frankreich, dem Land der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, das die Meinungsfreiheit und das Recht auf Kritik an Religion und Ideologien stets geheiligt hat, manche innerhalb des Justizsystems – im Namen eines fehlgeleiteten, militanten Antirassismus – das Verbrechen der Blasphemie still und leise de facto wieder ein. „Die Mila-Affäre: Geben wir vor, ein Verbrechen der Blasphemie im französischen Recht zu schaffen?“, so die Frage eines Appells, der vom Figaro veröffentlicht wurde.

Heute ist es in Frankreich eindeutig ein äußerst gefährlicher Akt, die Meinungsfreiheit zu nutzen, um den Islam zu kritisieren, selbst wenn man, wie Mila, ein Kind ist. Diejenigen, die sich von Mila distanzieren, tragen Masken der Unterwerfung.

Franz-Olivier Giesbert, ein einflussreicher Kommentator und ehemaliger Herausgeber des Figaro, warf Justizministerin Belloubet vor, Islamisten zu beschwichtigen, und verglich ihr Vorgehen mit dem des Vichy-Regimes, das mit Hitler kollaborierte. „Ist Frankreich noch Frankreich?“, fragte Giesbert in einem Leitartikel des Nachrichtenmagazins Le Point.

„An manchen Tagen fragt man sich. In islamischen Republiken wie Pakistan oder dem Iran wären [Belloubet’s Kommentare] normal. Aber sie sind nicht normal in Frankreich, dem Land der Aufklärung, wo es ein Recht auf Blasphemie gibt“.

Wenn man alle französischen Journalisten, Karikaturisten und Schriftsteller zählt, die derzeit unter Polizeischutz stehen, weil sie den Islam kritisieren, dann, ja, Frankreich wird zum neuen Pakistan. Éric Zemmour, der Autor von „Le Suicide Français„, wird von zwei Polizeibeamten begleitet, wohin er auch geht; Charlie Hebdos Direktor „Riss“ und die übrigen Karikaturisten leben unter Polizeischutz, ebenso wie Philippe Val, der ehemalige Direktor von Charlie Hebdo, der 2006 beschloss, die Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen. Der Journalist Zineb Rhazaoui ist von sechs Polizisten umgeben. Bereits 2002 wurden zwei namhafte Autoren in Frankreich wegen ihrer Ideen zum Islam vor Gericht gestellt: Oriana Fallaci und Michel Houellebecq.

Fünf große französische Intellektuelle – Elisabeth Badinter, Elisabeth de Fontenay, Marcel Gauchet, Jacques Julliard und Jean-Pierre Le Goff – veröffentlichten in L’Express einen Pro-Mila-Appell, in dem sie „die Feigheit der Justiz und der Politik, die jetzt von Akrobatik rund um die Meinungsfreiheit besessen sind, wenn es um den Islam geht“, anprangerten. „Wir werden für diese Feigheit teuer bezahlen.“

Nach dem Massaker von Charlie Hebdo sagte Papst Franziskus: „Verfluche meine Mutter, erwarte einen Schlag“, und gab den Karikaturisten die Schuld an ihrem eigenen Mord. Die Islamisten gewinnen den ideologischen Kampf, und wir verhalten uns wie Feiglinge. Muss die 16-jährige Mila ermordet werden, um die Menschen so zusammenzubringen, dass die Feiglinge für 24 Stunden „Je suis Mila“ sagen können?

Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist ein italienische Journalist und Autor.


Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.

Die mobile Version verlassen