Giulio Meotti, 23.1.2021, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
- In Frankreich brodelt ein Krieg niedriger Intensität, der auf die Radikalisierung der Bildung abzielt.
- An der Pierre-Mendès-France-Schule in Saumur sagte ein Schüler zu seinem Lehrer: „Mein Vater wird Sie köpfen“. Es ist unmöglich geworden, auch nur eine genaue Liste dieser Vorfälle zu erstellen. Sie ereignen sich jeden Tag in Frankreich.
- „Was soll die freie Welt angesichts der islamistischen Einschüchterung tun?“ — Titel der Kolumne von Robert Redeker in Le Figaro im Jahr 2006. Wenige Tage später erhielt er Morddrohungen.
- Wenn Extremisten es geschafft haben, Frankreichs Schulen und Universitäten einzuschüchtern, warum sollten sie dann nicht in der Lage sein, die gesamte Gesellschaft zu unterwerfen?
„Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Oberst, und so vielen anderen, wird sich Mila niemals unterwerfen“, schrieb der Vater des französischen Teenagers in einem von Le Point veröffentlichten Brief an den Direktor ihrer Schule. Am 18. Januar 2020 machte die damals 16-jährige Mila O. während ihres Instagram-Livestreams beleidigende Kommentare über den Islam.
„Während ihres Livestreams fragte ein muslimischer Junge sie in den Kommentaren nach einem Date, aber sie wies ihn ab, weil sie lesbisch ist. Er reagierte, indem er sie des Rassismus beschuldigte und sie eine ‚dreckige Lesbe‘ nannte. In einem wütenden Nachfolge-Video, gestreamt unmittelbar, nachdem sie beleidigt wurde, reagierte Mila, indem sie sagte, sie ‚hasst Religion'“.
Mila fuhr fort: „Der Koran ist eine Religion des Hasses; darin gibt es nur Hass… Der Islam ist sch*tt…“ Seitdem hat sie etwa 50.000 Nachrichten und Briefe erhalten, die Drohungen enthalten, sie zu vergewaltigen, ihr die Kehle durchzuschneiden, sie zu foltern und zu enthaupten. Sie musste immer wieder von einer Schule zur anderen wechseln.
Jetzt steht Mila wieder einmal ohne Schule da. In einem sozialen Netzwerk gab sie versehentlich den Namen ihrer neuen Militärschule an. Deren Leitung schloss sie prompt aus, weil sie eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit der Schüler sei. „Ich bin am Boden zerstört über so viel Feigheit“, schrieb Milas Vater. „Nicht einmal die Armee kann sie beschützen und ihr erlauben, ihre Ausbildung fortzusetzen, was können wir tun, wir, ihre Eltern? Diese Beobachtung ist für uns ein Horrorfilm“.
Nicht einmal die französische Armee kann sie beschützen? „Sie ist 17 Jahre alt und lebt jetzt wie die Mitarbeiter von Charlie Hebdo, in einem Bunker; es ist unerträglich!“ sagte Milas Anwalt, Richard Malka.
Wenige Tage später erhielt „Caroline L.“, Professorin an der juristischen Fakultät der Universität Aix-Marseille, unzählige Morddrohungen, in denen ihr vorgeworfen wurde, „islamophob“ zu sein. Der Staatsanwalt von Aix-en-Provence eröffnete eine Untersuchung wegen „öffentlicher Beleidigung wegen Religionszugehörigkeit“. Ihr „Verbrechen“? Die Professorin hatte dort ihren Studenten erklärt:
„Im Islam gibt es keine Gewissensfreiheit. Wenn du von einem muslimischen Vater abstammst, bist du ein Muslim auf Lebenszeit. Eine Art sexuell übertragbare Religion. Eines der größten Probleme, die wir mit dem Islam haben, und leider ist es nicht das einzige, ist, dass der Islam die Gewissensfreiheit nicht anerkennt. Das ist absolut grauenhaft.“
Das Pierre-Joël-Bonté-Gymnasium in Riom (Puy-de-Dôme) wurde am 11. Januar aufgrund von „Beleidigungen und Todesdrohungen“ gegen Lehrer geschlossen. „Wir haben beschlossen, die Schule nach Beleidigungen und Todesdrohungen zu schließen, um Schüler und Mitarbeiter zu schützen“, erklärte ein Sprecher der Schule. Einige Stunden später bat eine Lehrerin in Toulouse, Fatiha Boudjahlat, um Polizeischutz, nachdem sie erhebliche Drohungen erhalten hatte.
Im Jahr 2015 kündigte der Islamische Staat an, dass französische Schulen angegriffen werden müssen und forderte seine Anhänger auf, „die Lehrer zu töten„. Laut Gilles Kepel, einem Experten für Islamismus, „ist die Schule für die Anhänger des politischen Islam zu einer Zitadelle geworden, die es einzureißen gilt.“
Ein Artikel in L’Express zeigt auf tragische Weise auf, dass Schulen überall auf der Welt das Ziel von Gewaltkampagnen der Islamisten sind. Im Jahr 2014 wurde eine Militärschule in Peshawar, Pakistan, Ziel eines tödlichen islamistischen Anschlags, der 132 Schüler das Leben kostete. Die pakistanische Taliban-Bewegung hat laut einem Bericht der NGO International Crisis Group zwischen 2009 und 2012 900 Schulen angegriffen. Die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, bekannt für ihren Kampf um die Bildung von Mädchen, wurde von den Taliban in Swat in den Kopf geschossen. Boko Haram, verantwortlich für zahlreiche Anschläge in Nigeria, nimmt in Anspruch, 276 Highschool-Mädchen in Chibok entführt zu haben. Bei einem Angriff von mit al-Qaida verbundenen Islamisten auf die kenianische Universität Garissa wurden 142 Studenten getötet. In Burkina Faso haben mehr als 2.000 Schulen ihre Türen geschlossen.
In Frankreich brodelt ein Krieg niedriger Intensität, der auf eine Radikalisierung der Bildung abzielt. Obwohl viele Muslime eine solche Veränderung nicht unterstützen würden, scheint der aktuelle Versuch 1989 begonnen zu haben, während der Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution und der französischen Veröffentlichung von Salman Rushdies fiktivem Roman „Die satanischen Verse“. Ein College in Creil verweigerte drei Schülerinnen, die den islamischen Schleier trugen, die Zulassung. Die französischen Behörden versuchten durch Dialog und Beschwichtigung, die Situation zu beruhigen. In einem Aufruf, der von Le Nouvel Observateur veröffentlicht und von den Autoren Alain Finkielkraut und Elisabeth Badinter unterzeichnet wurde, prangerten jedoch mehrere Intellektuelle das „München der republikanischen Schule“ an.
Die Islamisierung des französischen Bildungswesens schreitet nun in rasantem Tempo voran. 1989 lautete der Aufschrei: „Lehrer, lasst uns nicht kapitulieren!„. Seitdem haben einige französische Lehrer, die sich geweigert haben zu kapitulieren, mit ihrem Leben bezahlt.
Im Oktober 2020 wurde ein französischer Geschichtslehrer, Samuel Paty, von einem tschetschenischen Terroristen enthauptet, weil er seine Arbeit getan hatte: seine Schüler dazu zu erziehen, die Grundwerte der westlichen Gesellschaften und die über den Türen ihrer Schule angebrachten Worte (Liberté, égalité, fraternité) zu respektieren, weil er mit ihnen über Meinungsfreiheit diskutiert und ihnen die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo gezeigt hatte.
„Das Zusammenleben ist eine Fabel“, schrieb Alain Finkielkraut nach der Enthauptung von Paty, „die verlorenen Gebiete der Republik sind die Gebiete, die der Hass auf Frankreich erobert hat. Die Augen haben sich geöffnet, die Beweise können nicht mehr versteckt werden“.
Der französische Bildungsminister Jean Michel Blanquer enthüllte, dass es nach der Enthauptung von Paty zu 800 islamistischen „Zwischenfällen“ an französischen Schulen gekommen ist.
An der Battières-Schule in Lyon, wo Samuel Paty seine Karriere begonnen hatte, wurde ein anderer Lehrer physisch bedroht. Dieser Geschichts- und Geografielehrer hatte vor einer fünften Klasse eine Unterrichtsstunde zum Thema Meinungsfreiheit gehalten, die den Lehrplänen der Schule entsprach. Dabei wies er unter anderem darauf hin, dass Emmanuel Macron nicht „islamfeindlich“ sei. Der Vater eines Schülers suchte den Lehrer auf und forderte ihn vor Zeugen verbal heraus. „Er war lautstark und sehr aufdringlich, was er in seinem Unterricht sagen dürfe und was nicht“, sagte ein Zeuge. Der schockierte Lehrer wurde krankgeschrieben und gebeten, die Schule zu wechseln.
An einem Gymnasium in Caluire-et-Cuire, in der Nähe von Lyon, drohte ein Schüler einem Lehrer, ihm „den Kopf abzuschneiden“. In Gisors verteilte ein Mädchen ein Foto der Enthauptung von Paty an ihre Mitschüler. In Albertville, Savoyen, musste die Polizei vier zehnjährige Kinder und ihre Eltern vorladen, weil sie im Klassenzimmer sagten: „Dieser Lehrer hat den Tod verdient“. In Grenoble wurde ein extremistischer Muslim verhaftet, weil er gedroht hatte, einen Geschichts- und Geografielehrer namens Laurent, der in einer Reality-TV-Show auftritt, zu enthaupten. „Ich werde dich enthaupten“, sagte er. Laurent war offenbar dabei, ein Video zu Ehren von Paty vorzubereiten. An der Pierre-Mendès-France-Schule in Saumur sagte ein Schüler zu seinem Lehrer: „Mein Vater wird dich enthaupten“.
Es ist sogar unmöglich geworden, eine genaue Liste dieser Vorfälle zu erstellen. Sie passieren jeden Tag in Frankreich.
Eine neue Umfrage offenbart das Ausmaß der Selbstzensur unter französischen Lehrern. Um mögliche Vorfälle zu vermeiden, gibt jeder zweite Lehrer zu, sich im Unterricht selbst zu zensieren. Mittels Angst, Terror und Einschüchterung erntet der Islamismus, was er gesät hat.
Wie wir den Islamismus in die Schule lassen, lautet der Titel des neuen Buches von Jean-Pierre Obin über den Aufstieg des Islamismus an französischen Schulen. Obin, ein ehemaliger Generalinspekteur des nationalen Bildungswesens, koordinierte 2004 einen Bericht über Erscheinungsformen religiöser Zugehörigkeit an Schulen. Es war nicht der erste Bericht eines französischen Bildungsinsiders. Bernard Ravet war 15 Jahre lang Direktor von drei der problematischsten Schulen in Marseille. In seinem Buch „Schuldirektor oder Imam der Republik?“ schrieb Ravet:
„Seit mehr als zehn Jahren klopft der Fanatismus an die Tür von Dutzenden von Einrichtungen… Er hat Zentimeter für Zentimeter in das physische Territorium der Republik einzudringen versucht, indem er seine Zeichen und Normen durchgesetzt hat“
Der französische Philosoph Robert Redeker schrieb im Jahr 2006:
„Der Islam versucht, Europa seine Regeln aufzuzwingen: die Öffnung von Schwimmbädern zu bestimmten Zeiten ausschließlich für Frauen, das Verbot, diese Religion zu karikieren, die Forderung nach einer besonderen diätetischen Behandlung muslimischer Kinder, der Kampf für das Tragen des Schleiers in der Schule, der Vorwurf der Islamophobie gegen Freigeister.“
Seine Kolumne in Le Figaro trug den Titel „Angesichts der islamistischen Einschüchterung, was sollte die freie Welt tun?“ Einige Tage später begann Redeker, Morddrohungen zu erhalten. „Ich kann nicht arbeiten und bin gezwungen, mich zu verstecken“, sagte Redeker. „So haben es die Islamisten irgendwie geschafft, mich auf dem Territorium der Republik zu bestrafen, als wäre ich eines Meinungsverbrechens schuldig.“
Wir hätten diesem ersten Fall mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Es war der erste in einer langen Reihe von Angriffen auf französische Lehrer und Schulen. Vierzehn Jahre später hat Samuel Paty mit seinem Leben bezahlt, ein Universitätsprofessor erhielt gerade erst Personenschutz und ein anderer musste nach Drohungen seine Schule verlassen. Wenn Extremisten es geschafft haben, Frankreichs Schulen und Universitäten einzuschüchtern, warum sollten sie dann nicht in der Lage sein, die gesamte Gesellschaft zu unterwerfen?
Giulio Meotti, Kulturredaktor für Il Foglio, ist ein italienischer Journalist und Autor.
Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.