J.B. Shurk, 31. Juli 2022, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
- Wenn Präsidenten und Premierminister unter dem Vorwand von „Notstandsbefugnissen“ ihre eigenen Gesetze erlassen und durchsetzen, dann dürfen sich die Bürger nicht wundern, wenn ihre Führer einen endlosen Vorrat an „Notfällen“ entdecken, die dringendes Handeln erfordern.
- Das Gegenteil von Tyrannei ist nicht Demokratie, sondern Freiheit und individuelle Rechte. Ist es da nicht erstaunlich, dass die westlichen Führer die Demokratie preisen, jedoch den persönlichen Freiheiten so wenig Beachtung schenken?
- Dennoch werden Freiheit und individuelle Rechte nur selten erwähnt. Stattdessen preisen die politischen Führer die „Tugenden“ der Demokratie und nur wenig anderes. Es ist, als ob ein sprachlicher Taschenspielertrick die westlichen Bürger ihres wertvollsten Erbes beraubt hätte.
- Ist es nicht seltsam, dass westliche Politiker die Demokratie gegenüber dem Autoritarismus loben, während sie gleichzeitig die Macht ihrer Wähler schmälern und die Autorität ausländischer Institutionen [wie der EU, der UNO und der WHO] stärken? Sollten „demokratische“ Nationen nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden?
- Warum sollten größere, umfassendere Formen der internationalen Regierung als tugendhafter und weniger korrupt angesehen werden als ihre nationalen Formen?… Und von wegen: Wäre es Hitlers Nazipartei gelungen, ganz Europa zu erobern, hätte dann seine „Europäische Union“ mehr Legitimität verdient als die nationalen Regierungen von Polen, Belgien oder Frankreich?
- Wenn nationalen Bevölkerungen die Selbstbestimmung verweigert wird und persönliche Freiheiten als Privilegien und nicht als Rechte behandelt werden, dann ist die Tyrannei nie weit davon entfernt, Fuss zu fassen.
Die politische Sprache manipuliert die politische Debatte. Abtreibungsgegner, die sich selbst als „Pro-Life“ definieren, machen Abtreibungsbefürworter semantisch zu „Pro-Death“. Abtreibungsbefürworter, die sich selbst als „Pro-Choice“ definieren, machen jede Opposition semantisch zu „Anti-Choice“. Wer will schon „Pro-Tod“ oder „Anti-Wahlmöglichkeit“ sein? Das ist das Wesen der Politik. Worte sind Waffen: Wenn sie geschickt eingesetzt werden, bestimmen sie das Schlachtfeld in unserem Kopf.
Was bedeutet es also, wenn westliche Politiker heutzutage so viel von Demokratie, aber so wenig von individuellen Rechten sprechen? Oder dass sie die Tugenden internationaler Institutionen predigen, während sie den Nationalismus als fremdenfeindlich und gefährlich verteufeln? Es bedeutet, dass die nationale Souveränität und die natürlichen, unantastbaren Rechte überall im Westen direkt angegriffen werden.
Für europäische und amerikanische Politiker ist es üblich geworden, die Welt in „demokratische“ und „autoritäre“ Nationen aufzuteilen, wobei die ersteren als von Natur aus gut und die letzteren als existenzbedrohend für den Planeten bezeichnet werden. Natürlich ist es nach mehr als zwei Jahren COVID-19-bezogener Masken-, Impf- und Reisevorschriften, die im Westen oft durch einseitige Exekutiv- oder Verwaltungsmaßnahmen – und nicht durch den Willen der Legislative oder ein öffentliches Referendum – durchgesetzt wurden, etwas schwierig zu behaupten, dass demokratische Nationen frei von autoritären Impulsen sind.
Wenn Präsidenten und Premierminister unter dem Vorwand von „Notstandsbefugnissen“ ihre eigenen Gesetze erlassen und durchsetzen, dann sollten die Bürger nicht überrascht sein, wenn ihre Führer einen endlosen Vorrat an „Notfällen“ entdecken, die dringende Maßnahmen erfordern. Sollte man an dieser Wahrheit zweifeln, braucht man nur einen Blick auf die eiserne Entscheidung des kanadischen Premierministers Justin Trudeau zu werfen, der Anfang des Jahres die friedlichen Proteste der Trucker des Freedom Convoy gegen experimentelle Impfstoffe mit der Beschlagnahmung von Bankkonten und gewaltsamen Verhaftungen niederschlug, ohne Rücksicht auf ein ordentliches Verfahren oder die Meinungsfreiheit der Kanadier. Der von Trudeau ausgerufene „Notstand“ übertrumpfte die individuellen Rechte der kanadischen Bürger.
Es ist auch wahr, dass die Demokratie an sich keine Garantie für eine edle und gerechte Gesellschaft ist. In einer gut funktionierenden Demokratie mit hundert Bürgern können einundfünfzig darüber abstimmen, den anderen neunundvierzig Eigentum, Freiheit und sogar das Leben zu verweigern. Sollte ein Mitglied der Minderheit vom Staat versklavt oder zum Tode verurteilt werden, nur weil die Mehrheit es so will, wird es nicht das Lob der Demokratie singen, während ihm der Hals durch die Schlinge gezogen wird.
Die Grundsätze des Föderalismus (bei dem die Zuständigkeit der souveränen Regierung zwischen einer zentralen Behörde und ihren lokalen Bestandteilen aufgeteilt ist) und der Gewaltenteilung (bei der die Funktionen der Justiz, der Legislative und der Exekutive auf verschiedene und unabhängige Zweige der Regierung aufgeteilt sind) bieten starke Kontrollen gegen die Konzentration und den Missbrauch von zu viel Macht.
Den größten Schutz gegen ungerechte Regierungsgewalt (ob demokratisch oder nicht) bietet jedoch das traditionelle Bekenntnis des Westens zu den natürlichen Rechten, die unabhängig von der verfassungsmäßigen Autorität bestehen und ihr übergeordnet sind. Wenn die natürlichen Rechte als unantastbar angesehen werden, wie es in der Unabhängigkeitserklärung der USA der Fall ist, kann die freie Meinungsäußerung nicht einfach deshalb zensiert werden, weil die Regierung mit ihr nicht einverstanden ist. Wenn Privateigentum als inhärentes Recht des Einzelnen verstanden wird, könnte Trudeau nicht so einfach auf private Bankkonten zugreifen, wann immer er einen „Notfall“ ausrufen möchte. Wenn jedoch die natürlichen Rechte des Einzelnen als bloße „Geschenke“ der Regierung betrachtet werden, verschwinden sie schnell, wann immer die Regierung es für zweckmäßig hält.
Immer häufiger werden die Rechte des Einzelnen als „egoistisch“ und dem „Gemeinwohl“ zuwiderlaufend angegriffen. Sollten die Regierenden die Bürger davon überzeugen, dass persönliche Rechte nicht existieren oder nicht existieren sollten, dann werden autoritäre Regierungen mit verschiedenen Ausprägungen des Kommunismus oder Faschismus an die Tür klopfen.
Die Rechtsstaatlichkeit entschuldigt keine Tyrannei, nur weil etwas Unrechtes demokratisch beschlossen wurde. Wenn eine stimmberechtigte Minderheit den Launen der Mehrheit ausgeliefert ist, dann kommt dieser Minderheit auch eine demokratische Regierung äußerst autoritär vor. Und wenn Ihr Leben, Ihre Freiheit oder Ihr Eigentum auf dem Spiel stehen, ziehen Sie vielleicht die Beurteilung eines gütigen Diktators den Forderungen eines rachsüchtigen, aber „demokratischen“ Pöbels vor.
Das Gegenteil von Tyrannei ist nicht Demokratie, sondern Freiheit und individuelle Rechte. Ist es da nicht erstaunlich, dass westliche Führer die Demokratie preisen, aber den persönlichen Freiheiten so wenig Respekt zollen? Sicherlich sollte die westliche Zivilisation die hart erkämpften Siege der Redefreiheit, der Religionsfreiheit und des freien Willens würdigen. Sicherlich sollte der Fortschritt der menschlichen Freiheit als ein Triumph der Vernunft und Rationalität über feudale Machtsysteme und ihre herrischen Formen der Kontrolle gefeiert werden. Sicherlich unterscheidet sich jede „freie“ Gesellschaft von autoritären Regimen durch den unerschütterlichen Schutz unantastbarer Menschenrechte, die unabhängig vom gesetzlichen Recht gelten. Doch von Freiheit, Ungebundenheit und individuellen Rechten ist selten die Rede. Stattdessen preisen die politisch Verantwortlichen die „Tugenden“ der Demokratie an und sonst nichts. Es ist, als ob ein sprachlicher Taschenspielertrick die westlichen Bürger ihres wertvollsten Erbes beraubt hätte.
Wenn die politischen Führer des Westens rhetorisches Voodoo benutzt haben, um die „individuelle Freiheit“ durch vage Vorstellungen von „Demokratie“ zu ersetzen, haben sie sich auf eine ähnliche Hexerei verlassen, um die nationale Souveränität durch internationale Regierungsformen zu ersetzen. Was sind die Europäische Union, die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation anderes als institutionelle Strukturen zur Schwächung des individuellen Wahlrechts der Bürger einer Nation, indem sie einst souveräne nationale Befugnisse an Nicht-Bürger abgeben?
Ist es nicht seltsam, dass westliche Führer die Demokratie gegenüber dem Autoritarismus loben, während sie gleichzeitig die Macht ihrer Wähler schmälern und die Autorität ausländischer Institutionen stärken? Sollten „demokratische“ Nationen nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden? Wenn nicht, wenn sie sich der Autorität der EU, der UNO oder der WHO beugen müssen, können einzelne Nationen dann noch behaupten, demokratisch regiert zu werden?
„Nationalismus“ ist heutzutage zu einem Schimpfwort verkommen, als ob alles, was im Interesse einer bestimmten Nation geschieht, per se verdächtig wäre. Bürger, die patriotischen Stolz auf ihre Kultur und nationale Geschichte zum Ausdruck bringen, werden oft als engstirnig oder geradezu bigott abgetan. Politische Bewegungen, die für nationale Selbstbestimmung eintreten (wie Präsident Trumps MAGA-Koalition in den USA und Brexit in Großbritannien), werden routinemäßig als „faschistisch“ oder „neonazistisch“ verspottet. Selbst wenn sie in demokratischen Wahlen siegen, werden sie als „Bedrohung“ für die Demokratie abgestempelt.
Warum aber sollten größere, umfassendere internationale Regierungsformen als tugendhafter und weniger korrupt angesehen werden als ihre nationalen Formen? Als die Römische Republik zum Römischen Reich wurde, wurden da die internationalen Institutionen von Natur aus vertrauenswürdiger? Als das Heilige Römische Reich große Teile Europas vereinigte, erschienen da seine Kaiser weniger autoritär? Wäre es Hitlers Nazipartei gelungen, ganz Europa zu erobern, hätte dann seine „Europäische Union“ mehr Legitimität verdient als die nationalen Regierungen von Polen, Belgien oder Frankreich?
Es ist sicherlich ebenso absurd, internationale Institutionen ohne Rücksicht auf ihre Form gegenüber nationalen Regierungen zu loben, wie es absurd ist, die Demokratie ohne Rücksicht auf persönliche Freiheiten und individuelle Rechte zu loben. Sicherlich ist es einfacher, die Taten eines lokalen Politikers zu überwachen, als einen weit entfernten Regierungsbeamten in Washington, D.C., New York City, Brüssel oder Genf zur Verantwortung zu ziehen. Dennoch wird internationalen Gremien heute großer Respekt gezollt, während nationale Gremien oft mit Geringschätzung behandelt werden. Es ist, als sei die nationale Souveränität zerstört worden, weil man den Stimmen der demokratischen Nationen nicht trauen kann, wenn es um internationale Interessen geht. Wenn die westlichen Staats- und Regierungschefs die Sprache des Weltwirtschaftsforums nachplappern, scheint es nicht so, als ob sie ihre Marschbefehle von ihren eigenen Wählern erhalten. Sich auf nicht gewählte, intransparente und nicht rechenschaftspflichtige Organisationen zu verlassen, scheint ein ziemlich seltsamer Weg zu sein, um Autoritarismus zu bekämpfen.
Wenn nationalen Bevölkerungen die Selbstbestimmung verweigert wird und persönliche Freiheiten als Privilegien und nicht als Rechte behandelt werden, dann ist die Tyrannei nie weit davon entfernt, Fuss zu fassen. Diese Realität hinter sprachlichen Manipulationen zu verstecken, ändert nichts an ihrer starken Wahrheit. Damit werden lediglich strittige politische Kämpfe auf einen späteren, brisanteren Tag verschoben.
JB Shurk schreibt über Politik und Gesellschaft.
Erstveröffentlichung bei Gatestone Institute. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung.