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Web 3.0 oder: Die #AltTech-Revolution!

Immer schamlosere Zensur-Versuche repressiver Regierungen und marktbeherrschender Technologie-Konzerne haben zwangsläufig (und definitiv unabsichtlich!) eine Entwicklung in Gang gesetzt, welche das Gesicht des Internets und unseren Umgang damit in der folgenden Dekade grundlegend verändern wird: Es ist der Beginn einer neuen Ära. Manche nennen sie bereits die „Alt-Tech“-Revolution.

Die „Nuller-Jahre“ des neuen Jahrtausends waren Jahre der Internet-Bequemlichkeit. Wir haben den Aufstieg neuer Kommunikations-Konzepte und -Dienste erlebt, die mit zunehmender Popularität omnipräsent wurden. Wir schauen YouTube, teilen der Welt unseren Gemütszustand über Twitter mit, vernetzen, teilen und „liken“ uns auf Facebook, schreiben E-Mail mit Gmail, zahlen mit PayPal, ergoogeln unser Wissen, lassen uns die Welt von Wikipedia erklären, chatten über WhatsApp usw. usf. Das alles wurde uns von den „Internet-Göttern“ wie in einem digitalen Garten Eden scheinbar bedingungslos und im Überfluss dargeboten. Aber es war ein vergiftetes Geschenk.

Genau genommen war es gar kein Geschenk. Wir haben dafür mit unseren Daten bezahlt. Unseren Kontakten. Unseren Gedanken. Es gibt sogar Zeitgenossen, die an der Supermarkt-Kasse empört auf die Frage „Sammeln sie Treuepunkte?“ reagieren (was sie natürlich nicht tun, weil sie kein gläserner Kunde werden möchten) — und dies dann anschließend in den sozialen Medien stolz proklamieren! Dieser trotzige Akt der Mikro-Rebellion hat schon etwas Tragikomisches an sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass Google bereits mehr über die eigenen (Einkaufs-)Gewohnheiten weiß, als es eine Kundenkarte je könnte, scheint dabei niemanden ernsthaft zu stören.

Und es war ja auch bequem und blieb mehr oder weniger ohne Konsequenzen. Vielleicht hätte man spätestens an der Stelle misstrauisch werden sollen, als Google seinen langjährigen Wahlspruch „Don’t be evil“ offiziell aufgegeben hat. Das war sprichwörtlich kein gutes Omen. Es ist schwer zu sagen, ob hinter all diesen Unternehmen von Anfang so etwas wie ein „finsterer Plan“ stand (außer viel Geld zu verdienen), oder ob sie schlichtweg genauso ideologisch „übernommen“ wurden wie große Teile der westlichen Gesellschaft und Politik. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. Vielleicht haben sich beide Phänomene gegenseitig verstärkt. Fakt ist: Jetzt haben wir den Salat.

Denn seit immer mehr Menschen es wagen, an den verbotenen Früchten vom Baum der Erkenntnis zu naschen, zeigt sich das digitale Paradies schnell von seiner unangenehmen Seite. Nicht selten findet man sich sogar unversehens vor die Tür gesetzt. Und draußen ist praktisch eine Wüste. Oder, genauer gesagt, draußen war eine Wüste. Denn je mehr Menschen aus dem Paradies vertrieben werden, desto größer wird der Bedarf an einem schönen Leben außerhalb. Und so beginnen dort nun die ersten Oasen zaghaft zu blühen und werden zu Keimzellen des neuen, echten Paradieses für alle. Nun, entweder das, oder beides vergeht und wird zu grauer Einöde; diese Möglichkeit sollte man der Fairness halber auch erwähnen…

Was braucht es nun, damit Letzteres nicht geschieht? Offensichtlich ist die Schwachstelle der momentanen Plattformen, dass sie zentral organisiert sind und sich in der Kontrolle weniger Menschen befinden. Das wird selbst dann zum Bumerang, wenn sich die Eigentümer wohlwollend und weitgehend neutral gegenüber ihren Kunden verhalten. Sie sind ein leichtes Ziel für Politiker, Lobbyisten, NGOs und anderes Geschmeiß. Im Zweifel wird dann, und das ist wirtschaftlich gesehen absolut vernünftig, auch ausufernden Zensur-Gelüsten nachgegeben, nur um im Geschäft zu bleiben. Im schlimmsten Fall kommen sie von selbst auf solche Ideen. Jegliche Konkurrenz, die in diesem Umfeld überleben will, muss also zwangsläufig einen neuen Ansatz wählen. Ein dezentrales Netz.

Unter dem Titel „Unsere Vision: Eine Zensur-sichere Plattform“ werden die Erfinder der Twitter-Alternative Gab am 15. August auf Medium zitiert: „Gab möchte die Schaffung einer neuen Stufe des Internet anführen. Wenn es im Web 2.0 um zentralisierte, soziale und mobile Netzwerke ging: Web 3.0 wird eine dezentrale, Blockchain-basierte, radikal transparente, basisdemokratische Internet-Infrastruktur sein.“ Zu diesem Zweck hat Gab in einer ersten Crowdfunding Finanzierungs-Runde innerhalb kürzester Zeit mehr als eine Million US-Dollar eingesammelt. Da auch Gab und zukünftige Inhalte-Anbieter nicht von Luft und Liebe oder dem Wohlwollen der Werbe-Wirtschaft leben können, werden alternative Bezahlsysteme (z.B. in Form dezentraler Krypto-Währungen) von Anfang an mitgedacht.

Das könnte das „nächste große Ding“ (oder eines davon) werden. Einen radikal neuen Ansatz verfolgt übrigens auch die YouTube-Alternative BitChute, die Videos in einem verteilten Netz (P2P) speichert, ohne dass sich der Nutzer darüber technische Gedanken machen muss. Das ist die Zukunft, sowas kann man nicht „wegmachen“, ohne das Internet abzuschalten. Seien wir ehrlich, der Markt stagniert, auch weil wir es ihm verdammt einfach gemacht haben. Den wahren Preis dafür bezahlen wir jetzt und es wird ohnehin mal wieder Zeit für eine technologische Revolution. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. Und nur diese Konkurrenz ist in der Lage, die etablierten Akteure zum Umdenken zu bewegen oder, besser noch, sie überflüssig zu machen.

Viele der neuen Dienste kranken übrigens an einem Phänomen, an dem wir auch eine Mitschuld tragen: Dem Henne-Ei-Paradoxon. Die Leute schauen kurz rein, finden ihre Freunde nicht und gehen wieder. Und dann schauen die nächsten rein, sehen, dass ihre Freunde da waren, aber schon wieder gegangen sind und… Ein Teufelskreis. Ja, es macht Sinn, dort zu sein, wo grad die Musik spielt. Das ist vernünftig. Es macht aber keinen Sinn, den digitalen Lebensmittelpunkt unbedingt dahin zu verlegen, wo man nicht erwünscht ist. Dort steht man immer wieder vor der Tür und bettelt um Einlass. Das bringt nichts. Außer Frust.

Seid flexibel, bleibt neugierig, betretet unerforschtes Terrain. Die Zeiten für Gemütlichkeit sind definitiv vorbei. Die können wir uns schlichtweg nicht mehr leisten.

@SinaLorenz

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