Endlich gefunden: Die drei Affen!
Ich hatte schon Angst, dass mich die Märchenpresse heute im Stich lässt. Auf den ersten, flüchtigen Blick: Nichts Ungewöhnliches. Ganz oben Trump; wie an jedem Tag, seit er vor knapp einem Jahr gewählt wurde. Darunter die übliche Mischung aus Mord und Totschlag, Politiker auf der Flucht (leider in Spanien), irgendwas mit Wetter und Klima. Jamaika kommt auch nicht in die Pötte und macht das einzig Sinnvolle, was Sachen ohne Hand und Fuß tun können: Rumkugeln.
Keine meiner „bevorzugten Nachrichtenquellen“ taucht auch nur ansatzweise auf. Jemals. Und nein, keine Sorge, das ist nur ein skurriles Experiment. Ich weiß, dass Google News manipuliert, deshalb schaue ich ja dort rein. Die gesamte Propaganda des Tages fein säuberlich sortiert. Unbezahlbar. Die spannende Frage ist eigentlich nur: Wann taucht sie endlich auf, die außergewöhnlich dämliche Schlagzeile? Doch endlich hat das Warten ein Ende. „Jetzt kontern die Merkel-Fans: CDU-Abgeordnete legen Anti-Rechtsruck-Papier vor“
„Nach der Wahl entspann sich eine Debatte über die Ausrichtung insbesondere der CDU: Einige forderten einen Rechtsruck, um AfD-Wähler zurückzugewinnen. Vereinzelt gab es auch Rufe nach personeller Erneuerung: Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel möge sich rechtzeitig um einen Nachfolger kümmern. Dem setzen drei Bundestagsabgeordnete nun ein eigenes Papier entgegen, das FOCUS Online vorliegt.“ [1]
Glück gehabt. Gerade rechtzeitig, bevor jemand die CDU zur Besinnung bringt und Angie entsorgt wird, meldet sich der geballte Widerstand in Form von drei völlig unbekannten Hinterbänklern zu Wort und attestiert: Mutti hat alles richtig gemacht. Und sie möge doch bitte einfach so weitermachen. Ich hätte nie gedacht, mich das mal sagen zu hören, aber das hoffe ich auch. Die Wähler müssen es auf die harte Tour lernen. Wohin die CDU ruckt ist im Hinblick auf die AfD ohnehin egal — einen Merkel-wählenden AfD-Anhänger kann ich mir auch mit viel Phantasie nicht vorstellen.
„Die Bundestagsabgeordneten sprechen sich für den von Merkel eingeschlagenen Mitte-Kurs aus, von einem Rechtsruck halten sie dagegen nichts: ‚Die Union muss aus unserer Sicht die Volkspartei der Mitte bleiben‘, schreiben sie. ‚Der Ratschlag, konservativ zu werden oder nach rechts zu rücken, führt nach unserer Überzeugung nur dazu, dass wir in der Mitte der Gesellschaft an Boden verlieren.‘ “
Bitte was? Merkel hat einen „Mitte-Kurs“ eingeschlagen? Wann ist das passiert? Vor oder nach der Ehe für alle? Oder so wie in… mitten in die Katastrophe? Ich frage mich, was wohl geschehen würde, wenn man dieses Pamphlet 20-30 Jahre zurück in die Vergangenheit faxen könnte. Das gäbe ein brüllendes Gelächter in der Parteizentrale. Eine CDU, die konservativ werden könnte? Igitt. Unvorstellbar! Wer kommt denn auf solche Ideen?
Dass die Union irgendwann mal nicht mehr die „Volkspartei der Mitte“ sein könnte (die drei Affen haben es anscheinend nicht bemerkt) und das schlechtestes Ergebnis seit Beginn der Bundesrepublik einfährt, eben weil sie kampflos gemeinsam mit CSU und FDP den mittigen Boden aufgegeben hat, hätte man sich damals sicherlich auch nicht vorstellen können. Kennt noch jemand den Spruch „rechts von der CSU darf es keine Partei geben“? Dort stößt man heute gerade so an den linken Rand der AfD. Und das liegt nicht daran, dass die AfD besonders rechts wäre.
„Außerdem schließen sie für die CDU als christliche Partei ‚jene nationalistischen und fremdenfeindlichen Töne‘ aus, die für sie der ‚gemeinsame Nenner der rechten Bewegungen in Europa‘ sind.“ Okay, das „C“ hatte ich gar nicht mit dem Christentum in Verbindung gebracht, aber ein interessanter Gedanke. Auch hier wieder: Sie merken es nicht. Vielleicht merken sie es, wenn ihre Partei IDU (islamisch dominierte Union) heißt, aber dann nutzt diese Erkenntnis auch nicht mehr viel. Vielleicht sollte man die CDU auch einfach in Ruhe absterben lassen, ich weiß es nicht.
„Die Abgeordneten widersprechen Vorwürfen, Angela Merkel sei für das schwache Unions-Wahlergebnis verantwortlich.“ (Logisch, doch nicht Mutti!) „Stattdessen sehen sie zwei Gründe: ein ‚Protestwahlverhalten, das nicht nur die Union getroffen hat‘, die ‚Erwartung, die Union werde die Wahl ohnehin gewinnen‘ Letzteres habe dazu geführt, dass Wähler eher für kleinere Parteien als für die CDU gestimmt hätten.“
Ernsthaft? Geht das so im Kopf von Unionswählern zu? „Hey, wir gewinnen so oder so, lass uns mal was Kleines zwischenschieben!“ — „Super Idee, ich ertrage diese großen Zahlen eh nicht!“ Die Vorstellung, dass die Wähler die CDU deshalb nicht gewählt haben, weil sie nicht die CDU haben wollten, scheint außerhalb der geistigen Reichweite jener Abgeordneten zu liegen. Ebenso der Gedanke, dass man andere Parteien möglicherweise für ihr anderes Programm wählt. Sagen wir mal ein mittiges, konservatives. Was, aus ihrer Sicht, beinahe Sinn ergibt, denn dort vermuten sie ja die CDU.
„Vorwürfe, Merkel habe in der Flüchtlingspolitik die Wünsche der Bevölkerung nicht ernstgenommen und nicht rechtzeitig umgesteuert, lassen die Abgeordneten nicht gelten: ‚Der bisweilen erhobene Vorwurf, die Bundeskanzlerin habe ihre Lehren aus der Flüchtlingskrise nicht gezogen, ist falsch.‘ Die Bundesregierung habe in der Flüchtlingspolitik unter Führung von Merkel ‚entschlossen‘ Maßnahmen umgesetzt, damit sich die Flüchtlingskrise von 2015 nicht wiederhole.“
*schenkelklopf*
Nee, ist klar… Ich denke, das muss ich nicht weiter kommentieren. Natürlich wiederholt sich die „Flüchtlings“krise von 2015 nicht. 2015 ist schließlich vorbei. Was man von der Krise nicht behaupten kann. An deren Nachwirkungen werden wir noch Jahre bis Jahrzehnte zu knabbern haben und dann stehen schon wieder die Nächsten vor der Tür (Spoiler: diesmal werden es mehr sein). Dass 2017 zu keinem ähnlich chaotischen Ansturm kam, war im Übrigen vor allem den widerborstigen „fremdenfeindlichen“ und „nationalistischen“ Staaten zu verdanken, die jetzt gegen Merkels Willen unsere Grenzen schützen.
„Die drei Abgeordneten sind außerhalb ihrer Wahlkreise wenig bekannt.“, fügt der FOCUS noch süffisant an. Ich vermute, dieser Umstand war für die drei Kasperköppe nicht mehr tragbar. „Dennoch zeigt ihr Papier, dass es durchaus einige in der CDU gibt, die von der Rechtsruck-Debatte nichts halten und es zu einfach finden, die Schuld für das enttäuschende Wahlergebnis allein bei Merkel abzuladen.“
Davon halte ich auch nichts. Immerhin regiert Merkel nicht allein. Mein Gott, die Frau kann kaum einen zusammenhängenden Satz ohne ihren Zettel zurechtstammeln. Ohne Heerschaaren von Speichelleckern und Opportunisten wäre sie völlig aufgeschmissen! Wie man dann allerdings zu der Schlussfolgerung gelangt, dass „Weiter so!“ das richtige Konzept ist, um noch mal so richtig was zu reißen, bleibt wohl das Geheimnis der drei Provinzrebellen.
Nichts sehen, nichts hören, nichts Sinnvolles sagen. CDU 2017. Da kann man eigentlich nur hoffen, dass sich Blindgänger diesen Kalibers parteiintern durchsetzen. Dann steht „sächsischen Ergebnissen“ bis 2021 nicht mehr viel im Weg…