Offener Brief an Ben Affleck
Eiynah, Pakistan Today, 25. Oktober 2014
Lieber Ben,
Ich schreibe dir heute als Frau, die im Islam geboren und aufgewachsen ist. Ich sah deine Diskussion mit Bill Maher und Sam Harris, und ich muss sagen, dass du mir einen grossen Bärendienst erwiesen hast an jenem Tag. Dein Herz war am richtigen Fleck, natürlich, und es war nett von dir, für ‚meine Leute‘ einzutreten.
Was du tatsächlich getan hast, vielleicht unabsichtlich, war das Gespräch abzuwürgen, das gerade anfängt. Zwei Menschen haben versucht, einen Dialog zu beginnen und du hast nicht mal zugehört. Warum soll irgend eine Menge an Ideen über jeglicher Kritik stehen, Ben?
Warum werden Muslime ‚bewahrt‘ in einer Art Zeitkapsel, die aus vergangenen Jahrhunderten stammt? Warum ist es in Ordnung, dass wir weiterleben in einer Welt, wo unsere Frauen verglichen werden mit Zucker, der darauf wartet, konsumiert zu werden? Warum ist es in Ordnung für die Frauen im Rest der Welt, für Freiheit und Gleichwertigkeit zu kämpfen, während man uns sagt, wir sollen unsere beschämenden Körper bedecken? Siehst du nicht, dass man uns davon abhält, Mitglieder zu werden in diesem Eliteklub namens 21stes Jahrhundert?
Noble Linke wie du selbst stehen immer ein für die falsch dargestellten Muslime und wehren sich gegen die Islamophoben, was toll ist, aber wer stellt sich in meine Ecke und steht ein für die anderen, die sich von der Religion unterdrückt fühlen? Jedes Mal, wenn wir unsere Stimme erheben, wird eine von uns getötet oder bedroht. Ich bin eine Bloggerin und Zeichnerin, für niemanden eine Gefahr, Ben, ausser für jene, die Angst haben vor Worten und Zeichnungen. Ich will die Freiheit, mich ausdrücken zu dürfen, ohne die sehr reale Gefahr, dass ich dafür getötet werden könnte. Ist das zuviel verlangt?
Als ich ein Kinderbuch schrieb mit der Botschaft der Diversität und Einschliesslichkeit für jedermann, da hat sich mein Leben verändert. Mein Buch ‚Mein Chacha (Onkel) ist schwul‘ hat die unschuldige anti-homophobie-Botschaft, dass ‚Liebe jedem gehört‘. Das war für viele meiner muslimischen Brüder und Schwester unverdaulich.
Seit diesem Projekt bin ich zum ‚Feind Gottes‘ erklärt und des Todes würdig befunden worden. Alles, weil ich helfen wollte, eine Welt zu erschaffen, in der auch südasiatische Kinder ihre Geschichten erzählt bekommen können, damit auch sie hören können, dass Liebe in vielerlei Formen daherkommt, und dass das in Ordnung ist. Meine muslimischen Brüder und Schwestern wurden hart getroffen von dieser Arbeit, weil sie das Thema Homophobie in unserer Gesellschaft anspricht. Das ist nicht etwas, was sie leichtfertig als ‚westliche‘ Unmoral abtun können. Genauso, wie sie verneinen, dass es Problembereiche gibt mit der Doktrin des Islam, so verneinen viele, dass Homosexualität existiert unter guten, ‚moralischen‘ Muslimen. Einfach so wird Millionen von Menschen die Existenz aberkannt. Bitte verteidige nicht Menschen, die so denken, und lass mich dir sagen, Ben, viele ‚gute‘ Muslime denken so.
Was du getan hast, indem du ‚Rassist!‘ schriest, war, dass du das Gespräch abgewürgt hast, auf das viele von uns nur gewartet haben. Du hast jenen geholfen, die verneinen wollen, dass es solche Themen überhaupt gibt, sie zu verneinen. Du bist ein unmittelbarer Held geworden, ein Verteidiger des Islam. Das ist nett, wirklich. I verstehe es, weil auch ich geplagt und betroffen bin von den Dingen, die aufgrund von tatsächlicher Islamophobie passieren. Ich habe einen muslimischen Namen und braunee Haut; meine friedlichen Verwandten sind in der U-Bahn herumgeschubst und grundlos ‚Terrorist‘ genannt worden.
Das verstehe ich.
Wir müssen unterscheiden zwischen der Kritik an einer Ideologie dafür, dass sie hasserfüllt ist, gegenüber der Kritik an einer Gruppe von Menschen. Und aus diesem Grund denke ich, dass das Angehen der Probleme innerhalb des Islam zweifaltig sein sollte. Sie müssen angesprochen werden, aber gleichzeitig sollten wir auch betonen, dass die Schuld für diese Probleme nicht Individuen angelastet werden kann.
Im Interesse dessen, politisch Korrekt und ‚links‘ zu sein, unterdrücken wir die Stimmen von Millionen. Ich wende mich an dich, weil du zum Instrument geworden bist beim Beginn dieser Konversation. Jene von uns, die Reformen wollen, werden von Extremisten zum Schweigen gebracht, genauso aber auch von jenen Linken, die uns verraten im Namen des Multikulturalismus.
ISIS malt ein furchterregendes Bild, weshalb ich die Kurzschlussreaktion verstehe, die jegliche Verbindung leugnet. Die meisten Muslime entscheiden sich dafür, die heilige Schrift auf friedliche Weise zu interpretieren, aber das bedeutet nicht, dass das Rohmaterial für jene, die sich für den Weg der Gewalt entscheiden, nicht auch da ist. Mit diesem Material muss man umgehen.
Können wir eine Sekunde über die eklatanten doppelten Standards reden und über die Verletzung der Menschenrechte? Moscheen werden in allen westlichen Ländern gebaut, gewöhnlich ohne grosse Probleme. Doch im Herzen des Islam, in Saudi Arabien, darf niemand ausser den Muslimen offiziell seinen Glauben ausüben. Da gibt es keine Kirchen, Tempel, oder Synagogen, weil Saudi Arabien keinen nicht-muslimischen Ort der Anbetung zulässt. Wer zieht sie zur Verantwortung für solche Ungerechtigkeit, wenn wir jeden, der gegen den Islam spricht, sofort zum Schweigen bringen?
Was ist so falsch daran, in das aktuelle Jahrhundert eintreten zu wollen? Es sollte da keine Scham geben. Es lässt sich nicht leugnen, dass Gewalt, Frauenfeindlichkeit und Homophobie in allen religiösen Texten vorhanden sind, doch der Islam ist die einzige Religion, die sich wörtlich daran hält, bis zum heutigen Tag.
In eurer Kultur habt ihr den Luxus, solche Leute, die den Text wörtlich auslegen, als ‚Wahnsinnige‘ bezeichnen zu dürfen, wie beispielsweise die Westboro Baptist Church. In meiner Kultur werden solche Werte von viel mehr Menschen hochgehalten als wir meinen. Viele werden versuchen, es zu leugnen, aber bitte hört auf mich wenn ich sage, dass das keine Randständigen sind. Es ist offensichtlich ersichtlich an der fehlenden Anzahl Muslime, die bereit sind, sich gegen das archaische Scharia-Gesetz auszusprechen. Die Bestrafung für Blasphemie und Apostasie, usw. sind Werkzeuge der Unterdrückung. Warum spricht man das nicht an, nicht einmal jene friedliebenden Leute, die nicht fanatisch sind, die nur ein paar Sandwiches essen und fünf Mal am Tag beten wollen? Wo sind die muslimischen Demonstranten gegen die Blasphemie-/Apostasiegesetze? Wo sind all die Muslime, die aufstehen gegen die strenge Interpretation der Scharia? Diese Sandwich-essenden friedlichen Leute verteidigen diejenigen, die im Namen des Islams leiden, nicht, Ben, und darin liegt unser Problem.
Vielleicht sind die Punkte, die Maher und Harris ansprechen wollten, leichter verdaulich, wenn sie aus der Gemeinschaft selber kommen, das kann ich durchaus schätzen. Genau deshalb schreibe ich dir, als jemand, der persönlich verletzt worden ist durch den Mangel an Anerkennung dieser Themen.
Wenn Muslime nicht ihre eigenen Gräueltaten kritisieren, dann tun es Leute von ausserhalb, und ihre Botschaft wird nicht gehört, ganz einfach weil sie die sind, die sie sind. Das ist ein Teufelskreis, und er kann nur durchbrochen werden, wenn, wie Harris gesagt hat, auf wahre Reformer gehört wird und sie Macht bekommen.
Ich bitte dich und jeden, der dies liest, eine Anstrengung zu leisten und Reformer innerhalb eurer Gemeinschaft zu suchen, und sie auf jedwede Weise zu unterstützen.
Wenn es mir erlaubt wäre, unbegleitet einen Mann zu treffen, der nicht mein Vater, Bruder oder Ehemann wäre, dann würde ich es lieben, all dies über ein paar Drinks (für die ich auch keine Erlaubnis habe) mit dir zu diskutieren. Und darum siehst du, dass sich die Dinge ändern müssen.
Hochachtungsvoll,
Eiynah
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