Durch die Pusteblume sprechen
Dass immer dann, wenn in Syrien der Frieden aus- und damit der Zustrom von „Syrern“ in Deutschland einzubrechen droht, urplötzlich dieser Assad wieder… egal, das kennen wir ja schon. Einen wirklichen Lernwert (ich meine das völlig unironisch) hat allerdings die perfide Herangehensweise der Erziehungsjournalisten.
Da geht es beispielsweise nicht um Fakten. Das wäre auch kontraproduktiv für die zu vermittelnde Botschaft. Ganz im Gegenteil wird der Leser erstmal emotional abgeholt — den gewohnten Horrorfilm-Soundtrack vermeintlicher Staatsfernsehen-„Dokus“ denkt er sich selbst dazu. Beispiel:
„Ich muss auch nach über einem Jahr noch oft an die Frau im Bus denken. Sie saß mit ihrem kleinen Sohn dicht ans Fenster gepresst und schaute durch die schmutzige Scheibe. […] Den Moment, in dem sich unsere Blicke trafen, werde ich nie vergessen. Ich kann nicht einschätzen, wie alt die Frau war. Ihre Wangen waren eingefallen, ihre Augen von dunklen Schatten gezeichnet. In ihrem Blick lagen eine Leere und Apathie, wie sie Menschen haben, die auf nichts mehr hoffen. Sie ahnte wohl, was sie und ihren Sohn in Idlib erwarten würde: erneutes Bombardement, vermutlich wochenlanges Ausharren im Schutzbunker, kaum Essen und Medikamente, und dann, früher oder später, das Ende, wie auch immer es aussehen mochte.“ [1]
Dieses Drama zieht sich über geschlagene zwei Absätze am Anfang des Artikels. Die Tippse hat irgendwann mal irgendwo irgendeine Frau im Bus gesehen und erfindet eine rührige Geschichte dazu. Nichts davon ist geschehen (soweit ersichtlich), alles spielt sich nur im Kopf der Autorin ab. Aber wer für solch wohligen Grusel empfänglich ist, hängt bereits am Haken und ist bereit für Sätze wie:
„[…] es ist der zynische Höhepunkt eines Kriegs gegen das eigene Volk, den Assad seit acht Jahren führt. Nun will er auch den letzten Widerstand brechen und wieder über das ganze Land herrschen.“
Es liegt mir nun fern, den Herrn Assad als Musterdemokraten a la Macron oder Juncker hinzustellen. Die Gemengelage in Syrien ist (oder eher war) kompliziert. Nur, realistisch betrachtet, was soll er denn machen? Wenn ein Teil „seines Volkes“ sich beim IS, bei Kommunisten oder einfach nur so als Terroristen betätigt, kann er sie ja schlecht ihr Ding machen lassen. Genauso selbstverständlich wie Merkel ohne mit der Wampe zu zucken (und unter heftigem Beifall des selben Blattes) Dresden bombardieren lassen würde, sollte die AfD im Herbst… egal.
Der entscheidende Punkt ist: Viele Menschen sind für Fakten überhaupt nicht zugänglich. Das heißt nicht, dass man daher damit sorglos Schindluder treiben darf. Aber die Verpackung macht viel aus. Die Fakten (oder die Fragezeichen) zum Thema „Klimawandel“ beispielsweise sind relativ einfach zusammenzufassen und im Grunde für jeden zugänglich. Trotzdem wuchert der grüne Irrsinn sogar bei Leuten, die ihn selbst ausbaden müssen, ohne es sich leisten zu können. Anders gesagt:
„Wo einst ein sonnendurchflutetes Wäldchen stand, ragen nur noch die kahlen Stümpfe der Windräder aus dem nackten Boden. Ich erinnere mich noch genau an einen klaren Morgen im Mai; überall der liebliche Gesang unzähliger Vögel, das emsige Gebrummsel der Bienen in den Feldern am Waldrand. Heute brummen dort nur noch bedrohlich die Rotorblätter (sofern der Wind weht), die Vögel liegen verendet zu Füßen dieser Ökofleischwölfe…“ (das Ganze ließe sich noch steigern, indem man den Tieren Namen gibt und traurige Geschichten erfindet, z.B. wie die kleine Bärbel zu ihrem ersten Schultag flattert, Papa Detlev winkt noch mit feuchten Augen aus dem Nest hinterher und *häcksel* Blut spritzt!)
Dann — wirklich erst dann — wenn der Leser verzweifelt auf seinen Fingern herum kaut und tränenerstickt bettelt: „Nnnnein, nicht Bärbel! Macht, dass es aufhört!“ Dann ist er bereit für die Fakten. Keine Sekunde früher.