Die andauernde Nakba: Zwei arabische Flüchtlinge
Joe Samuels, 20. Mai 2015, The Times of Israel Blogs
Beide wurden aus ihren Häusern und ihrem Land vertrieben, sie wurden entwurzelt und verloren ihr Familienvermögen. Beide wurden obdachlos, mittellose Flüchtlinge; ihre Welt wurde auf den Kopf gestellt, ihre Träume und Zukunftspläne zerschlagen.
Samir wurde in Bayt Daras, Palästina, geboren, während der britischen Herrschaft. Arabisch war seine Muttersprache. Islamische Kultur und Geschichte war Teil seiner Ausbildung. Er wurde im islamischen Glauben erzogen. Seine Familie, wohlhabende Landbesitzer, lebte in Palästina seit vielen Jahrhunderten.
Yusuf wurde 1930 in Taht El Takia, in der Altstadt von Bagdad, im Irak geboren. Arabisch war seine Muttersprache. Islamische Kultur und Geschichte waren Teil seiner Ausbildung. Er wurde im jüdischen Glauben erzogen. Seine Familie, Importeure von Woll- und Seidentuch, konnten ihre Abstammung 26 Jahrhunderte zurück bis nach Babylonien verfolgen, dem Land aus dem Altertum, das heute als Irak bekannt ist.
Obwohl beide Jugendliche vor der gleichen Nakba standen, sah, fühlte, interpretierte und reagierte jeder von ihnen ganz unterschiedlich auf dasselbe Ereignis. Ihre Einstellung beeinflusste das Leben ihrer Familien und zukünftigen Generationen.
Alles begann am 27. November 1947. Die UNO stimmte in der Resolution 181 dafür, Palästina in zwei unabhängige Staaten, einen arabischen und einen jüdischen, die Seite an Seite leben würden, aufzuteilen. Die jüdische Führung akzeptierte den Teilungsplan. Die palästinensische und arabische Führung lehnte den Plan ab und begann, sich auf Krieg vorzubereiten. Am 15. Mai 1948, am Tag, an dem Juden ihren unabhängigen Staat erklärten, an diesem Tag erklärten fünf arabischen Staaten mit einer Bevölkerung von mehr als 20 Millionen – Irak, Syrien, Jordanien, Libanon und Ägypten – den Krieg und drangen in den neu geschaffenen Staat Israel, mit einer Bevölkerung von rund 600’000, ein.
Der Krieg von 1948 drehte sich nicht um die wahrgenommene Ungleichheit des UNO-Teilungsplans, der den Palästinensern weniger Land gab, als sie wollten. Dieser Krieg war eine Deklaration, dass ein jüdischer Staat – selbst von der Größe einer Briefmarke – nicht existieren darf. Die arabischen Armeen versäumten, ganz Palästina zu übernehmen. Der jüdische Staat Israel überlebte. Der 15. Mai 1948, Israels Unabhängigkeitstag, wird von den Palästinensern als Yom Al Nakba, der Tag der Katastrophe, erinnert.
Schätzungsweise 650’000 arabischen Palästinenser von 750’000 wurden von ihren arabischen Führern genötigt oder gezwungen, aus Angst vor Vergeltung durch israelische Extremisten zu fliehen. Sie hinterliessen ihre Häuser, Grundstücke und Geschäfte. Sie wurden zu Flüchtlingen.
Nicht alle Palästinenser flohen aus ihren Häusern und wurden zu Flüchtlingen. Etwa 100’000 einheimische palästinensische Araber weigerten sich zu gehen und blieben. Sie wurden israelische Bürger.
Samir und seine Familie fürchten um ihr Leben vor vorrückenden israelischen Kämpfern und flohen nach Gaza, etwa 25 Meilen entfernt. Um den Zustrom von Tausenden von flüchtenden palästinensisch-arabischen Flüchtlingen unterzubringen, wurden rasch Zeltstädte errichtet. Samir wurde zum obdachlosen, mittellosen Flüchtling.
Yusuf bekam seinen Abschluss im Juni 1948 vom Al A’adadia Gymnasium in Bagdad. Er erhielt ein Visum für die Vereinigten Staaten, um dort die Hochschulbildung zu verfolgen. Aber leider wurde ihm ein Ausreisevisum, um den Irak zu verlassen, verweigert, weil er Jude war. Iraks Versagen in diesem Krieg wandte die irakische Regierung gegen seine jüdischen Bürger. Anklage des Zionismus und summarische Festnahmen, Folter und Hinrichtung erzeugten Angst in jedem irakisch-jüdischen Herzen.
Im Dezember 1949, im Alter von 19, wurden Yusuf und sein 16-jähriger Bruder Nory aus dem Irak in den Iran geschmuggelt. Von dort wurde er nach Israel ausgeflogen.
Samir wurde ins Jabalia Flüchtlingslager im Norden des Gazastreifens gebracht; Yusuf wurde ins Beit Leed Flüchtlingslager, etwa 5 Meilen von der Stadt Netanya entfernt, gebracht. Beide lebten in Zelten, im Sand verankert, schliefen auf Strohsäcken und standen in der Schlange für Nahrung.
Samir in Gaza sprach weiterhin seine Muttersprache, Arabisch. Yusuf in Israel musste Hebräisch lernen, eine andere Sprache als Arabisch, seine Muttersprache. Selbst sein Name wurde auf Yosef geändert. Unter ägyptischer Herrschaft in Gaza wurde Samir staatenlos. In Israel wurde Yosef israelischer Staatsbürger am Tag seiner Ankunft.
„Die arabischen Armeen werden sich in Kürze neu gruppieren, reorganisieren, und Israel angreifen und die Juden ins Meer werfen,“ versicherten die arabischen Führer Samir. Er erinnerte sich an das gute Leben mit seiner Familie und Freunden. Er wartete wie besessen auf Yom Al Awda (der Tag der Rückkehr) in sein Heimatdorf Bayt Daras, jetzt Teil von Israel. Sein Leben im Lager war vorübergehend.
„Ich werde nie nach Bagdad zurückkehren“ schloss Yusuf. „Die Rückkehr ist nichts wert, wenn mein Leben in Gefahr ist.“ Yusef erinnerte sich an das Trauma des Farhud. Am 1. und 2. Juni 1941 plünderten muslimische Mobs und verbrannten jüdische Häuser und Geschäfte, ermordeten rund 180 jüdische Männer, vergewaltigten und töteten die Frauen und warfen Babys in den Tigris. Er war 11 Jahre alt. Es war niemand da, zu dem man zurückkehren könnte, und nirgendwo hinzugehen. In Israel, schmeckte er die Freiheit zum ersten Mal in seinem Leben. Es war sein Gelobtes Land.
Samir litt weiter im Flüchtlingslager im Gazastreifen. Er versetzte sein Leben in den Wartezustand. Gaza war nicht seine Heimat und nicht der Platz, um seine Zukunft zu bauen. Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen wurden Monate, und aus Monaten wurden Jahre. Seine Geduld zerrann. Das war ein Leben der Erniedrigung und der Opferrolle. Langeweile verwandelte sich in Wut.
Obwohl Samir und Yusuf mit einer ähnlichen Tragödie konfrontiert waren, führten ihre unterschiedlichen Entscheidungen ihre Leben in ganz andere Richtungen. Samir wartete, um nach Beit Daras nach Hause zu gehen, um seine Zukunft gestalten können; Yusuf verlangte nie danach, wieder nach Bagdad zu gehen, um sein Haus wieder in Anspruch zu nehmen. Israel war seine Heimat und seine Zukunft.
Nachdem er sechs Jahre in Israel verbracht hatte, darunter zwei Jahre und vier Monate in der israelischen Marine, reiste Yosef nach Kanada auf der Suche nach seinem Traum von einer College-Ausbildung. Aber ohne Geld und ohne Hilfe schob er seinen Traum von der Teilnahme am College in den Hintergrund. Er konzentrierte sich ganz in den Lebensunterhalt und den Aufbau einer Familie. Bis 1967 war er verheiratet, hatte drei Kinder, und lebte in Montreal. Er war voller Hoffnung, seinen Kindern das beste Leben und die beste Ausbildung geben zu können.
Im Laufe der Jahre wurde Samir immer mehr angewidert vom Warten, seine Langeweile verwandelte sich in Frustration, seine Verzweiflung verwandelte sich in Wut. Eine neue Hoffnung erfüllte Samir und die palästinensischen Flüchtlinge, als Gamal Abdel Nasser Präsident von Ägypten wurde nach dem Staatsstreich von 1953. Nasser verstaatlichte den Suezkanal und schmiedete ein Bündnis mit den Russen, um sich mit Waffen zu versorgen. „Die Zeit ist gekommen, dass jüdisches Blut ins Meer fliesst und die Palästinenser siegreich in ihre Häuser zurückkehren,“ prahlte Radio Kairo im Mai 1967.
Während Yusef und seine Familie in Montreal die Expo 67 durchstreiften, brach im Juni 1967 der Sechstagekrieg aus. Es war eine entscheidende Niederlage für Ägypten, Jordanien und Syrien. Israel besetzten Sinai, das Westjordanland, die Golanhöhen und Gaza. 19 Jahre lang lebte Samir unter ägyptischer Herrschaft in Gaza als Staatenloser. Jetzt sah er eine neue Realität. Er kam unter israelische Besatzung. Er fuhr fort, das Leben mit seinen Kindern mit Unterstützung durch UNRWA, United Nations Relief and Work Agency, zu leben. Seine Hoffnungen auf baldige die Rückkehr nach Beiyt Daras waren düster.
Yusef kam mit seinem Bruder Elisha und seiner Schwester Marcelle und ihre Familien in Montreal zusammen. Mit sehr wenig Geld und in schwerer Kälte kämpften sie alle, um ihre Familien durch harte Arbeit zu ernähren. Sie waren voller Hoffnung für die Zukunft ihrer Kinder.
Im Jahr 1993 wurde das Oslo-Abkommen in Washington DC unterzeichnet. Israel übergab die Regierung des Gazastreifens an die Palästinensische Autonomiebehörde. Bis zum Jahr 2005 zog sich Israel völlig aus Gaza zurück. Samir, in seinen 70er Jahren, wartet noch immer auf Yom Al Awda. Sein Leben ist immer noch in der Warteschleife.
Im Jahr 1978 zog Yusef mit seiner Frau und drei Kindern im Teenageralter nach Santa Monica, Kalifornien. Sein Bruder und seine Schwester leben weiterhin in Montreal. Als loyale Bürger haben sie sich alle auf den Aufbau guter und erfolgreicher Leben für sich und ihre Kinder konzentriert.
Yusef, sein Bruder Elisha, und seine Schwester Marcelle hatten acht Kinder zusammen: vier sind MDs, zwei Doktoranden, eine Lehrerin und eines Gewinner eines Weltpreises im Rätsellösen. Es ist bemerkenswert, dass nicht einer der drei Eltern einen Bachelor-Abschluss hat.
Das einzige Mal, dass wir von Samir hören, ist durch seine Enkelin in einem Artikel, der im Wall Street Journal erschien. Sie detailliert ihre Schmerzen und die Härten des Lebens in einem Flüchtlingslager mit ihrer Familie, und der Sehnsucht, nach Bayt Daras zurückzukehren.
Die Mikrogeschichten von Samir und Yusuf sind nur ein Vorgeschmack auf die Makrorealität der beiden Völker.
Zunächst sind etwa 650’000 Palästinenser, die aus Palästina im Jahre 1948 geflohen sind, immer noch in Flüchtlingslagern in Syrien, Irak, Libanon, Kuwait, Ägypten und anderen arabischen Ländern. Sie leben immer noch als Staatenlose in ihren arabischenn Gastländern. Nach 67 Jahren sind sie immer noch abhängig von der UNRWA für kostenlose Lebensmittel, Gesundheitsversorgung, Unterkunft, Schulbildung und andere Notwendigkeiten des Lebens. Im Jahr 2015 wird ihre Zahl mit ihren Nachkommen schätzungsweise um die 4 bis 5 Millionen sein.
Im Gegensatz dazu lebten schätzungsweise 850’000 Juden in arabischen Ländern vor dem Krieg von 1948. Im Jahr 2014 sind weniger als 4’000 übrig geblieben. Etwa 650’000 haben Zuflucht und eine neue Heimat in Israel gefunden. Der Rest wurde in ganz Europa, Kanada und den USA verteilt. Es gibt nicht einen einzigen jüdischen Flüchtling von 1948, der noch in einem Flüchtlingslager lebt. Keiner von ihnen oder ihren Nachkommen wünscht, in die Länder, aus denen sie vertrieben wurden, zurückzukehren und die Häuser und Vermögenswerte, die sie hinter sich liessen im Irak, Syrien, Ägypten oder einem arabischen Land zu beanspruchen.
Sie wurden gezwungen, vor Belästigung, Verfolgung, Folter, Haft und öffentlichen Hinrichtungen zu fliehen. Ihre Häuser, Immobilien, geschäftlichen Einrichtungen wurden beschlagnahmt. Sie hinterliessen bis zu 2500 Jahre alte Kultur und Geschichte.
Derzeit wird die Population von 100’000 Arabern, die Israel im Jahr 1948 zu verlassen verweigerten, auf 1,2 Millionen geschätzt. Sie geniessen die besten Gesundheitsprogramme, qualitativ hochwertige Bildung und mehr politische Freiheit als ihre Brüder in jedem arabischen Land. In den letzten israelischen Wahlen gewann die arabische Partei 13 Sitze und wurde die drittgrösste politische Partei in der Knesset, dem israelischen Parlament.
Die Kriege und Konflikte des zwanzigsten Jahrhunderts führten zu mehr als 100 Millionen Flüchtlingen weltweit. Das UNHCR (Hohes Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen) unterstützte die ständige Wiederansiedlung von Flüchtlingen, anstatt sie in provisorischen Lagern auf unbestimmte Zeit zu behalten.
Eine neue UNO-Agentur, die UNRWA, wurde 1948 gegründet, um sich ausschliesslich um die 650’000 palästinensischen Flüchtlinge zu kümmern. Im Gegensatz zum UNHCR ist sein Zweck, Nahrung, Unterkunft, Gesundheit und anderen Programmen zur Verfügung zu stellen, nicht, um sie dauerhaft niederzulassen. Es gibt 21 arabische Ländern; viele davon schwimmen im Ölreichtum. Sie könnten leicht Anstrengungen unternehmen, um ihre arabischen Flüchtlingsbrüder umzusiedeln und ihnen einen Weg, Bürger zu werden, zu bieten.
Es gibt nur eine jüdische Land: Israel. Es hat eine weit grössere Zahl von jüdischen Flüchtlingen aus arabischen Ländern absorbiert und umgesiedelt, als palästinensische Flüchtlinge zu beklagen sind. Seit Jahrzehnten lebt keiner von ihnen mehr in einem Flüchtlingslager. Eine Frage: Warum können ihre Brüder, die palästinensischen Flüchtlinge, nicht ebenso glücklich sein?
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