Rückblick: Ein weiterer heiliger Krieg auf amerikanischem Boden
Newsweek Magazine, 27.2.1994
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
MOSLEMS SIND KEINE TERRORISTEN!“ schreit die Schlagzeile in einer Ausgabe von Insight vom Januar 1992, der Zeitung, die von einer Gruppe namens „Muslims of the Americas“ (MOA) aus ihrem abgelegenen Lager im Hinterland von New York herausgegeben wird. Doch der begleitende Artikel fügt einen drohenden Vorbehalt hinzu. „Einfach gesagt, ein Moslem muss zur Verteidigung von Al-Islam, seinem Leben und Eigentum gegen den Unterdrücker oder Transgressor kämpfen… Erinnert euch, ‚Tumult und Unterdrückung sind schlimmer als Schlachten.'“
Ermittler des Bundes kennen die Muslims of America unter einem anderen Namen: „Al-Fuqra„, arabisch für „die Verarmten“. Einst als unbedeutende Splittergruppe abgeschrieben, gilt Al-Fuqra heute als die vielleicht gefährlichste fundamentalistische Sekte in den Vereinigten Staaten. Scheich Omar Abdel Rahman, der angeblich die spirituelle Inspiration für den Bombenanschlag auf das World Trade Center war, ist der wohl berüchtigtste islamische Geistliche auf amerikanischem Boden sein. Doch Al-Fuqra und sein pakistanischer Gründer, Scheich Mubarak Shah Jilani, haben viel mehr Chaos angerichtet. Strafverfolgungsbeamte sagen, dass sie für eine jahrzehntelange Reihe von Attentaten und Bombenanschlägen im Namen der islamischen Reinheit verantwortlich sind.
Al-Fuqras eigentliche Agenda ist düster. Jilani und seine geschätzten 3.000 US-Anhänger – meist afroamerikanische Muslime – kennen eine lange und weitreichende Liste von Feinden. Die Liste der Transgressoren umfasst Hindus und Hare Krishnas, Israel, die Jewish Defense League und sogar die Nation of Islam. Die Sekte entstand in den frühen 1980er Jahren, als Jilani in einer Moschee in Brooklyn eine Anhängerschaft errichtete, die charismatischen Fundamentalismus mit Aufrufen an junge Männer vermischte, sich den afghanischen Guerillas in ihrem Kampf gegen die Sowjetunion anzuschließen. Aber Forscher sagen, dass Jilanis Schüler auch heiligen Krieg auf amerikanischem Boden führten. Ein angeblicher Al-Fuqra-Führer, Stephen Paster, hat sich den grössten Teil von einer Hand weggesprengt beim Vorbereiten von Sprengstoff für den Brandbombenanschlag vom Juli 1983 auf ein Hotel in Portland, Oregon, das Bhagwan Shree Rajneesh, dem verstorbenen indischen Guru, gehörte. Er saß vier Jahre im Gefängnis für den Anschlag. Später in diesem Sommer wurde der Anführer einer kleinen muslimischen Sekte in Detroit erschossen. Behörden sagen, dass seine Angreifer Al-Fuqra Mitglieder waren, die bei einem anschließenden Brandbombenanschlag auf das Hauptquartier der Sekte starben.
Die gewalttätige Vergangenheit der Gruppe gelangte ins volle Scheinwerferlicht, als die Polizei von Colorado Springs 1989 einen Lagerraum durchsuchte. Sie fanden ein Lager von Schusswaffen, Granaten, Plastiksprengstoff und Zielübungssilhouetten mit der Beschriftung ZIONISTENSCHWEIN und FBI ANTI-TERRORIST TEAM. Ermittler fanden auch Al-Fuqra Dokumente, die die Gruppe mit einem Muster des Chaos verband, einschließlich der 1984 Brandbombenanschläge der Hare Krishna Tempel in Philadelphia und in Denver und Pläne für den Mord an Imam Rashid Khalifa, einem Kleriker aus Tucson, Arizona, der predigte, daß der Koran von Menschen, nicht Allah geschrieben wurde. Eine handgeschriebene Passage weist darauf hin, dass Khalifa „auf leiseste Weise exekutiert werden soll: Messer, Garrotte….“, um die Polizei in die Irre zu führen. Die Anmerkungen fügen hinzu, dass jeder, der vor Khalifa am Tatort auftaucht, dasselbe Schicksal erleiden würde. „Während wir warten, muss jeder, der kommt, eliminiert werden…“ Khalifa war gewarnt, doch vier Monate später, wie in den Dokumenten vorgeschrieben, trotzdem erstochen. Letzten Oktober verurteilte eine Jury aus Colorado Springs James Williams, ein Mitglied der Sekte, wegen Verschwörung zu diesem Mord.
Die kanadischen Behörden begannen Al-Fuqra 1991 ernst zu nehmen, als fünf mutmaßliche Anhänger wegen Verschwörung zur Sprengung eines indischen Theaters und Hindu-Tempels in Toronto verhaftet wurden. Die Beweise im Prozess von 1993 beinhalteten ein Video mit dem Titel „Soldat Allahs“. Scheich Jilani ermahnt unterdrückte Muslime auf der ganzen Welt, sich zu verteidigen. Drei der Angeklagten, die wegen Verschwörung zur Gefährdung des Lebens verurteilt wurden, leugneten jede Verbindung zur Sekte. Aber Jilani sagte einem Journalisten auf einem radikal-islamischen Gipfel in Khartum im vergangenen Jahr, dass einer der verurteilten Angeklagten und zwei freigesprochene Personen bei ihm in Pakistan studiert hätten.
Ermittler haben auch Clement Rodney Hampton-El, einen Mann aus Brooklyn, der in Nachrichtenberichten als Al-Fuqra-Mitglied genannt wird, mit dem letztjährigen Bombenattentat auf das World Trade Center in Verbindung gebracht. Sie sagen, er prahlte vor einem Bundesinformanten mit dem Testen von Dynamit, das bei der Explosion benutzt wurde. Hampton-El, ein afghanischer Kriegsveteran, wurde in diesem Fall nie angeklagt, und sein Anwalt sagt, er habe keine Beziehung zu Al-Fuqra. Im vergangenen Juni war er einer von acht Verdächtigen, die wegen der angeblichen Planung eines Terroranschlags verhaftet wurden, um andere Standorte in New York zu zerstören.
Jilani leugnet jede Verbindung zu dieser Gewalt und bestreitet die Existenz einer Gruppe namens Al-Fuqra. Er sagt, dass er ein Gelehrter ist, der versucht, den jungen Männern, die sich in den Zweigen seiner Koranic Open University in Lahore, Pakistan, im Hinterland von New York und an mindestens drei anderen Orten in den Vereinigten Staaten einschreiben, islamische Disziplin beizubringen. „Sobald sie unserer Universität beitreten, werden sie echt gute Bürger“, sagte er der Canadian Broadcasting Corporation Anfang des Monats. „Sie hören auf zu rauchen, sie hören auf zu stehlen, sie leben nicht mehr von Sozialhilfe. Das ist es, was ich ihnen beibringe.“
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