StartseiteEin offener Brief an den französischen Präsidenten von einem palästinensischen Journalisten in Ramallah

15. Januar 2015, Anonym

Staatenlenker dieser Welt stehen Arm in Arm bei der Antiterror-Demonstration in Paris am 11. Januar 2015. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas steht rechts aussen in der ersten Reihe (Bildquelle: RT video screenshot)

Staatenlenker dieser Welt stehen Arm in Arm bei der Antiterror-Demonstration in Paris am 11. Januar 2015. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas steht rechts aussen in der ersten Reihe (Bildquelle: RT video screenshot)

Ihre Exzellenz, viele Palästinenser fielen fast vom Stuhl beim Anblick ihres Präsidenten in der ersten Reihe einer Kundgebung in Ihrer Kapitale, um gegen Terrorismus und Angriffe auf die Freiheit der Medien zu protestieren. Ohne Zweifel sind Sie sich der Tatsache, dass Präsident Abbas persönlich für die Bestrafung von palästinensischen Journalisten, die ihn kritisieren oder ihre Ansichten in der Öffentlichkeit darzulegen wagen, verantwortlich ist. Jeden Tag sehen wir, dass die westlichen Medien, darunter französische Zeitungen und Zeitschriften, sich nicht um solche Verletzungen kümmern, es sei denn sie werden von Israel begangen.

Exzellenz, Sie irren sich komplett, wenn Sie glauben, dass Abbas und seine palästinensische Autonomiebehörde tolerant sind gegenüber Satire oder jeder Form von Kritik. Während er am Protestmarsch teilnahm veröffentlichte eine Menschenrechtsgruppe einen Bericht, der der Palästinensischen Autonomiebehörde „Krieg“ gegen die Studenten in der Westbank vorwirft.

Präsident Abbas hat es wieder einmal geschafft, Sie und den Rest der internationalen Gemeinschaft zu täuschen. Er hat es so hinbekommen, dass Sie den falschen Eindruck haben, dass er sich um Meinungsfreiheit und unabhängigen Journalismus kümmert. Palästinenser wie ich werden jetzt einen schweren Preis bezahlen, weil Abbas ermutigt wurde er nun seine Angriffe verstärken wird. Frankreich wird dazu beigetragen haben, eine weitere korrupte und repressive arabischen Diktatur zu errichten – eine, die Terroristen verherrlicht und belohnt, die sich nicht unterscheiden von  denjenigen, die die Angriffe in Paris durchgeführt haben.

Ich hoffe nun, Eure Exzellenz versteht, warum ich zu viel Angst habe, meine Identität zu offenbaren.

Ihre Exzellenz, François Hollande

Sehr geehrter Herr Präsident,

Zuallererst möchte ich mein tiefstes Beileid aussprechen zur Ermordung unschuldiger Bürger im jüngsten terroristischen Angriff in Paris.

Zweitens möchte ich bei Ihrer Exzellenz dafür entschuldigen, dass ich Ihnen meine wahre Identität nicht zeigen kann. Nachdem Sie meinen Brief gelesen haben werden sie wissen, warum Menschen wie ich Angst davor haben, ihre wahre Identität offenzulegen.

Ich habe mich dazu entschieden, Ihnen diesen offenen Brief zu schreiben, nachdem ich hörte, wie mein Präsident, Mahmoud Abbas, erklärt hat, dass Sie ihn eingeladen haben, am Antiterror-Protestmarsch in Paris früher diese Woche teilzunehmen.

Wie viele Palästinenser sehe ich die Teilnahme von Präsident Abbas an einer Demonstration gegen Terrorismus und gegen die Angriffe gegen die Meinungsfreiheit als einen Akt der Heuchelei an — ein Zustand, der der Führung der palästinensischen Autonomiebehörde nicht fremd ist.

In der Tat, viele Palästinenser sind fast von ihren Stühlen gefallen, als sie ihren Präsidenten in der vordersten Reihe marschieren sahen in Ihrer Hauptstadt, im Protest gegen Terrorismus und gegen die Angriffe gegen Pressefreiheit.

Die Teilnahme von Abbas in der Demonstration ist eine Beleidigung der Opfer der Terrorattacken. Sie ist ebenfalls eine Beleidigung der westlichen Werte, einschliesslich der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, und Demokratie.

Ihre Exzellenz, ich selber und weitere Journalisten, die unter der Herrschaft der palästinensischen Autonomiebehörde in der Westbank leben, wir waren die ersten, die durch diese Einladung an Präsident Abbas zur Antiterror-Demo beleidigt waren.

Zweifellos ist Ihnen nicht bewusst, dass Abbas persönlich verantwortlich ist für die Bestrafung palästinensischer Journalisten, die es gewagt hatten, ihn zu kritisieren oder ihre Ansichen in der Öffentlichkeit auszubreiten. Natürlich, Eure Exzellenz, können wir Ihnen keine Schuld geben dafür, seines Angriffs auf die öffentliche Freiheit nicht bewusst zu sein, weil die Mainstream-Medien, einschliesslich der französischen Zeitungen und Magazine bewusst vor diesen Praktiken ihre Augen verschliessen. Jeden Tag sehen wir, dass die westlichen Medien sich einen Deut um solche Menschenrechtsverletzungen scheren, ausser sie werden von Israel begangen.

Deshalb, Eure Exzellenz, sind Ihnen warhscheinlich auch nicht die Fälle bewusst von mehreren palästinensischen Journalisten, die von Präsident Abbas‘ Sicherheitskräften verhaftet und eingeschüchtert wurden in den letzten paar Jahren. Ja, das ist derselbe Abbas, der nach Paris gekommen ist, um sein Mitgefühl über die brutale Tötung der Charlie-Hebdo-Journalisten auszudrücken.

Das letzte Beispiel von Abbas‘ Niederschlagung von palästinensischen Journalisten ist erst kurz vor Ihrem Anruf mit Ihrer Einladung Paris geschehen. In diesem Fall ging es um eine weibliche Kollegin von mir, Majdolin Hassouneh, die dafür inhaftiert wurde, „ihre Zunge zu eifrig bewegt“ zu haben, oder Präsident Abbas beleidigt zu haben.

Ihre Exzellenz, bitte erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, dass Sie völlig falsch liegen, wenn Sie je dachten, dass Präsident Abbas und seine palästinensische Autonomiebehörde tolerant sind für Satire oder jeglicher Art von Kritik. Und natürlich haben Sie nichts von der Entscheidung der palästinensischen Autonomiebehörde gehört, die einzige bekannte Satiresendung im palästinensischen Fernsehen, Watan ala Watar (Land an einem Faden) abzusetzen.

Die Show wurde 2011 vom Äther gezwungen, weil Präsident Abbas glaubte, dass sie „eine Grenze überschritten“ habe, indem sie seine ranghöchsten Offiziellen in Ramallah verspottete. Das ist derselbe Abbas, der nach Parais kam, um gegen das Massaker im Satiremagazin Charlie Hebdo zu protestieren.

Und, Ihre Exzellenz, wenn Sie mehr Beweise von Präsident Abbas‘ Beeinflussung von politischer Satire wollen, dann fragen Sie die palästinensischen Komiker Abdel Rahman Daher und Mahmoud Rizek. Diese beiden Männer sind aktuell in Jordanien, weil sie Angst haben, in die Westbank zurückzukehren. Nein, Ihre Exzellenz, sie haben nicht Angst vor Israel. Sie haben Angst davor, von Präsident Abbas‘ Sicherheitskräften verhaftet zu werden, die die beiden Männer beschuldigen, ihren Führer beleidigt zu haben.

Präsident Abbas, Ihre Exzellenz, sollte der letzte Mensch sein, der in einem Marsch zu Ehren von Journalisten, die massakriert wurden aufgrund ihrer satirischen Arbeit, mitmarschieren sollte. Seine Teilnahme im Pariser Protestmarsch ist nicht nur eine Beleidigung an das Gedenken der geschlachteten Journalisten, sondern auch für all jene, die an die Meinungsfreiheit und an die Pressefreiheit glauben.

Ich möchte ebenfalls zu Ihrer Aufmerksamkeit bringen, Eure Exzellenz, dass während der Teilnahme von Präsident Mahmoud Abbas am Protestmarsch in Paris eine Gruppe von Menschenrechtsaktivisten einen Bericht veröffentlicht hat, der die palästinensische Autonomiebehörde anschuldigt, einen „Krieg zu führen“ gegen Unistudenten in der Westbank. Gemäss diesem Bericht sind in den letzten Wochen 24 Studenten von Abbas‘ Sicherheitskräften verhaftet worden aus „politischen Gründen.“

Noch einmal, ich bin sicher, Ihre Exzellenz hat von dieser Niederschlagung auf Universitätsgelände nichts gehört, weil die westlichen Medien und hier stationierten ausländischen Journalisten solche Geschichten nicht bringen. Sie lesen und hören von solchen Ereignissen nur dann, wenn die israelische Armee oder Polizei involviert sind.

Ich will nicht allzu viel Ihrer wertvollen Zeit beanspruchen, Eure Exzellenz, indem ich Ihnen von Präsiden Abbas‘ doppelten Standards erzähle und von der Heuchelei in Sachen Terrorismus. Man kann darüber eine Menge lernen, wenn man ins Internet geht und mit eigenen Augen danach sucht, wie unser Präsident oft Terrorismus und Terroristen gutheisst und glorifiziert.

Sie werden sogar entdecken, dass unser Präsident, der bald seinen 80sten Geburtstag feiert, darauf vorbereitet ist, die ganze Nacht wach zu bleiben und Palästinenser willkommen zu heissen, die aus israelischen Gefängnissen entlassen werden, die im Gefängnis sassen, weil sie Juden ermordeten und Terrorangriffe verübten, die keineswegs weniger ernst waren, als diejenigen in Ihrem Land von letzter Woche.

Sie werden ebenfalls entdecken, Eure Exzellenz, dass unser Präsident Terroristen belohnt und ihnen monatliche Saläre und weitere Privilegien zukommen lässt.

Was wäre Ihre Reaktion, Ihre Exzellenz, wenn jemand entscheiden würde, die Familien der Terroristen, die in Paris unschuldige Paristen massakriert haben, finanziell zu belohnen?

Ihre Exzellenz, vielleicht ist es nicht zu spät, über die Entscheidung, Präsident Abbas an die Antiterror-Demo einzuladen, zu reden. Der Schaden ist zwar bereits angerichtet, soweit es mich und viele Palästinenser betrifft. Wir sehen die Sache so: Präsident Abbas hat es einmal mehr geschafft, Sie und den Rest der internationalen Gemeinschaft zu täuschen, indem er sich an die Seite der Guten gestellt hat in ihrem Kampf gegen Terrorismus und Extremismus. Noch schlimmer, Präsident Abbas hat es geschafft, den falschen Eindruck zu erwecken, dass ihm Meinungsfreiheit und unabhängigen Journalismus wichtig sind.

Zweifellos werden Palästinenser wie ich jetzt einen höheren Preis bezahlen, weil Präsident Abbas ermutigt worden ist durch seine Teilnahme am Marsch in Paris. Präsident Abbas wird jetzt seine Angriffe auf die öffentlichen Freiheiten erhöhen, weil er weiss, dass die internationale Gemeinschaft nur die Fotos sieht, wie er vereint mit Ihrer Exzellenz und anderen Weltenführern marschiert zur Verteidigung der Meinungsfreiheit.

Durch das Aussprechen der Einladung an Präsident Abbas haben Sie Palästinenser wie mich geschädigt, die gehofft hatten, dass jemand — vielleicht sogar ein Führer wie Sie — endlich die Diktatur der palästinensischen Autonomiebehöre entlarvt für was sie ist. Präsident Abbas‘ Teilnahme im Pariser Marsch ist ein harter Schlag für Menschen wie mich, die echt gegen Terrorismus und die Unterdrückung der Redefreiheit sind.

Ihre Exzellenz, jetzt, wo der Schaden angerichtet ist, bleibt allen Menschen wie mir, Sie zu bitten, all die Dinge, die ich Ihnen oben erklärt habe, in ihren zukünftigen Handlungen bezüglich Präsident Abbas zu berücksichtigen. Bitte zögern Sie nicht, diese Themen mit Präsident Abbas anzusprechen, wenn er das nächste Mal um Unterstützung für die Erschaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates bittet. Anderenfalls hilft Frankreich mit, eine weitere korrupte und repressive arabische Diktatur zu errichten — eine, die Terroristen glorifiziert und belohnt, die sich nicht Unterscheiden von denjenigen, die die Pariser Angriffe ausgeführt haben.

Und schlussendlich, Ihre Exzellenz, hoffe ich, dass Sie jetzt die Gründe verstehen, warum ich so Angst habe, meine Identität preiszugeben.

Hochachtungsvoll,

Ein palästinensischer Journalist ohne Namen und ohne Stimme

 

Ein Hinweis an die Leser von den Herausgebern des Gatestone Institutes, 14. Januar 2015, um 14:30

Ein paar Leser haben die Autentizität einiger Gatestone-Artikel angezweifelt, wie beispielsweise vom „offenen Brief an den französischen Präsidenten“ von heute Morgen. Unglücklicherweise müssen Schriftsteller in vielen Teilen der Welt anonym bleiben, um ihre Sicherheit zu schützen. Wenn wir ihre Privatsphäre nicht schützen können, dann gäbe es keine Brief oder Artikel von solchen Orten — von jenen Orten, von denen wir sie am meisten brauchen. Deshalb ziehen wir es vor, sie trotzdem zu publizieren. Kritiker werden auf jeden Fall gegen einen Artikel antreten, selbst wenn der Name des Autor draufsteht. Wir fragen uns auch, ob die Menschen, die sich auf die Identität des Autoren konzentrieren, statt auf den Inhalt, die Aufmerksamkeit vom Inhalt weglenken wollen, egal wie präzis oder gut belegt er auch sein mag.


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