Gebrochene Herzen in Gaza: Eine Lektion in nicht-investigativem Journalismus
Nicholas Kristof ist ein Journalist der New York Times, der eine sehr wichtige Nische ausfüllt: Er schreibt über Menschenrechtsmissbräuche und soziale Ungerechtigkeiten. Er hat zwei Pulitzerpreise gewonnen, einen für seine journalistischen Beiträge zum Tiananmenplatz, und den anderen für Darfur. Er gibt jenen eine Stimme, die nicht für sich selber sprechen können. Zusammen mit seiner Frau, Sheryl Wudunn, hat er ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Half the Sky: Turning Oppression into Opportunity for Women Worldwide.“ Dabei handelt es sich um eine eingehende Untersuchung der weltweiten Unterdrückung der Frauen.
Als also Mr. Kristof sowohl ein Video, als auch einen Artikel für die New York Times produzierte, die am 8. März 2015 erschienen, mit dem Titel „Gebrochene Herzen in Gaza“, so interessierte mich dieser Bericht sehr.
Er stellt das Stück mit den Worten vor, dass „mein Job als Journalist mich nach Gaza gebracht hat, um zu sehen, wie der letztjährige Krieg mit Israel die normalen Menschen beeinflusst.“ Ich erwartete, dass, nebst der grossen Zerstörung, keine Versuche des Wiederaufbaus und dem allgemeinen allgegenwärtigen Elend glückloser Menschen es auch ein Porträt der Hamas gäbe, wie sie Gaza regiert und wie die Gazaner von ihrer eigenen Regierungspolitik betroffen sind.
Das Video beginnt damit, wie Kristof eine junge Mutter und ihren kleinen Sohn interviewt. Obwohl sie im Gazastreifen leben, lebt der Ehemann und Vater des Jungen in der Westbank, und hat nie seinen Sohn gesehen.
Wie ist diese unglückliche Situation entstanden? Das Paar war offensichtlich irgendwann zusammen, lange genug, um zu heiraten und ein Kind zu zeugen. Doch die Frage wird nicht einmal angedeutet. Stattdessen fragt Kristof die Mutter: „Wie ist es, ein Kind, das seinen Vater nie gesehen hat, aufzuziehen?“ Er bekommt den jungen Vater ans Handy und wir sehen und hören, wie er seine Trauer über die Situation zum Ausdruck bringt.
Die einzige Erklärung, die Kristof bietet, ist „Israel verbietet den meisten Gazanern, Gaza zu verlassen.“ Warum kann der Vater nicht wieder nach Gaza? Wurde er von der Hamas deportiert? Von Israel? Ein kritisches Detail der Geschichte wurde ausgelassen und es wird der Eindruck erzeugt, dass Israel allein für die Unzufriedenheit der jungen Familie vollständig verantwortlich ist.
Dann besucht er eine Keks- und Schokoladenfabrik, die ein blühendes Unternehmen in Gaza war, vor dem Krieg mit Israel, mit Hunderten von Angestellten. Aber während des Krieges bombardierte es Israel. Jetzt funktioniert die Fabrik kaum noch. Maschinen stehen still, Ersatzteile können nicht bestellt werden, 150 Menschen wurden entlassen. Der Besitzer ist deutlich in bitterer Verzweiflung, und das ist auch verständlich.
Doch WARUM hat Israel diese Fabrik bombardiert? War es ein Fehler? Wurde sie von Hamas „Kämpfern“ benutzt als Startrampe für Raketen gegen Israel, wie sie das mit Krankenhäusern, Schulen, UN-Gebäuden und Privathäusern getan haben? Das ist eine kritische Frage. Kristof behandelt sie in einem Satz: „Ich weiss nicht, warum diese Fabrik bombardiert wurde.“ Was ist mit dem investigativen Journalismus passiert? Die Nicht-Beantwortung der Frage sagt dem Betrachter, dass sie nicht wichtig ist. Wichtig ist nur, dass Israel die Bombardierung durchführte.
Er spricht mit einer Frau, deren Haus beschädigt und deren Mann verletzt wurde. „Willst du, dass israelische Mütter dieselben Schmerzen erleiden, die Sie erlitten haben?“ fragt er sie, in einem schönen Beispiel einer Suggestivfrage. Sie antwortet, dass israelische Mütter nicht kämpfen und auch Angst um ihre Kinder haben. Er fragt beharrlich Leute, bis er zwei 14-jährige Jungen findet, von denen einer bereit wäre, sein Leben für den „Widerstand“ hinzugeben.
Kristof ist bereit, anzuerkennen, dass „Israel legitime Sicherheitsinteressen hat. Tunnel-Einbrüche sind real. Hamas-Raketen wurden von zivilen Orten abgefeuert… “ Tunnel-Einbrüche? Ein Einbruch ist eine geringe Störung. Ist das die Art, wie Kristof die Existenz und den Zweck der Tunnels interpretiert? Wie wäre es damit, zu töten oder so viele Israelis wie möglich als Geiseln zu nehmen? Oder um sich Materialien anzueignen, die dazu hätten verwendet werden können, ein besseres Leben für die Menschen in Gaza zu bauen? Und, ja, Hamas hat Raketen von zivilen Orten aus abgefeuert – mehr als 5’000 im Jahr 2014, und mehr als 11’000 seit Israel sich 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen hat.
Kristof fasst seine „Erkenntnisse“ so zusammen: „Israel und Hamas haben beide versagt, haben Kriegsrunde um Kriegsrunde geführt.“ Israel und Hamas sind also gleichermassen für die abgrundtiefe Lage im Gazastreifen verantwortlich zu machen. Obwohl er für seine leidenschaftlich Unterstützung der Menschenrechte bekannt ist, erwähnt er nicht ein einziges Mal die bekannten Hinrichtungen der Hamas von jedermann, von dem sie mutmawssen, dass er sie nicht unterstützt, und sicherlich ohne ordentliches Gerichtsverfahren; ihrer brutalen Entführung und Ermordung israelischer Zivilisten; ihren erfolgreichen Versuch, Gaza zu islamisieren, mit allen inhärenten Einschränkungen, insbesondere für Frauen. Er schlägt vor, dass der Weg, um den Teufelskreis zu durchbrechen, darin besteht, dass Israel das Embargo aufhebt. Das ist es. So einfach.
Im Druckerzeugnis, das das Video „Winde des Krieges“ begleitet, macht Kristof ein Zugeständnis. „Zwar ist die Hamas’sche Misswirtschaft von zentraler Bedeutung für das Problem, aber wir haben keinen Einfluss auf die Hamas; wir haben dagegen Einfluss auf Israel. “
Kristof mag ein brillanter Journalist sein mit Herz und Gewissen, doch nichts davon war in seine Berichterstattung aus dem Gazastreifen ersichtlich. Seine Berichterstattung war sehr im Einklang mit dem grössten Teil des Journalismus, der während der Operation Schutzrand herauskam, und noch mehr: es ist nachlässig, bequem, gekennzeichnet durch Auslassungen, Mangel an historischem Wissen und konfusem Denken. Durch den Feispruch der Hamas von jeglicher Verantwortung, hilft dieser fehlgeleitete Journalismus auf keine Weise, um das Leid der Palästinenser im Gazastreifen zu vermindern. Das einzige, was er tut, ist, die Hamas zu stärken.
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