Der Hass der Linken auf die Juden macht mir Schüttelfrost bis auf die Knochen
Stephen Pollard, 28.4.2016, The Telegraph
Als Junge dachte ich immer, meine Oma sei sehr seltsam. In ihrem Schlafzimmer hatte sie einen Koffer, gepackt und bereit für eine sofortige Abreise. „Nur für den Fall,“ pflegte sie mir zu sagen, wenn ich fragte, wohin sie denn jederzeit zu gehen erwarte. „Man weiss nie, wann sie sich gegen die Juden wenden.“
Ihr Haus in Northwood war der Inbegriff vorstädtischen Komforts, und ich konnte nicht verstehen, was um Himmels willen sie meinte. Bis, heisst das, ich etwas Geschichte lernte – einschliesslich der Geschichte der Juden. Die, kurz gesagt, darin besteht, dass sie sich so ziemlich überall gegen die Juden gewandt haben.
Ab meiner Jugend durch meine zwanziger und dreissiger Jahre hindurch bedeutete mir die Tatsache, dass ich jüdisch bin, wenig über den Jonathan-Miller-Sinn des Jüdisch-Seins hinaus. Ich liebte Beigels, Matzohbälle, Seinfeld und Woody Allen mehr als der durchschnittliche Nichtjude denken würde, dass sie es verdient hätten. Und das war es in etwa. Wenn Sie mich gefragt hätten, dann hätte ich Ihnen gesagt, dass seit dem Holocaust wirklicher, ernsthafter Antisemitismus – von der Art, in der Juden getötet werden, weil sie Juden sind, nicht nur die gelegentliche fiese Bemerkung – ein Ding der Vergangenheit ist, zumindest im zivilisierten Europa.
Dann geschah etwas. 9/11, um genau zu sein. Ich erkannte, dass da etwas im Busch ist, was ich nicht wirklich verstand. Also las und las und las ich. Und dann las ich noch mehr – vor allem die Worte der Terroristen und ihrer Islamistenkollegen. Sie waren explizit und geradeheraus. Juden waren der Feind. Alle ihre „Probleme“ mit dem Westen kulminierten, am Ende, in ihrem Judenhass. Also tauchte ich noch mehr in die Fragen rund um den Terrorismus und Islamismus ein. Denn, sehen Sie, es zählte.
Es zählt, natürlich, für uns alle, weil – wie wir bei 9/11 und seitdem gesehen haben, der islamistische Terrorismus in seinen Zielen nicht spezifisch ist. Aber mir ist es noch wichtiger, würde ich sagen, als alles, was ich denken kann. Denn obwohl diese Wahnsinnigen glücklich jeden beliebigen töten, sagen sie, und ihre anschliessenden Morde zeigen, dass – ganz konkret – sie mich töten wollen. Einen Juden. Auf gewisser Ebene bin ich nicht im geringsten schockiert, noch überrascht davon, dass Judenhass in den letzten Jahren als Ding wieder aufgetaucht ist. Durch welche Arroganz würden wir denken, dass unsere Generation, allein in der Geschichte, vom ältesten Hass befreit wären?
Doch auf einer anderen, mehr auf einer Eingeweide-Ebene, macht es mir Schüttelfrost bis auf die Knochen. Und es sind nicht die Terroristen. Sie drohen mir, natürlich, wie sie uns alle bedrohen. Doch für mich kommt die wirkliche Kälte von ihren Mitreisenden – den nützlichen Idioten der Terroristen und Judenmörder, die sagen, dass sie keinen rassistischen Knochen in ihrem Körper hätten, aber wenn es um Juden geht, dann haben sie da einen blinden Fleck. Leute, offen gesagt, wie der jetzt suspendierte Ken Livingstone, der behauptet, dass ihm in der Labour Party kein einziges Beispiel von Anti-Semitismus untergekommen sei. Er hat eindeutig nie in den Spiegel geschaut. Es wurde viel geschrieben – besonders von dem brillanten Nick Cohen – über die „Rot / Grün-Allianz“; dem Phänomen, bei dem eine Schwade von Linken sich mit dem radikalen Islam verbündet, was zu dem bizarren Schauspiel der Linken Feministinnen führt, die Islamisten unterstützen, die Bücher lesenden Frauen die Hände abschlagen wollen.
Mit „anti-westlichem Imperialismus“ als Teil des Leims, der die Allianz zusammenhält, fällt alles andere an seinen Platz. Hamas und Hisbollah könnten sehr wohl die Beseitigung eines ganzen Volkes vom Angesicht der Erde als ihr definierendes Ziel haben, doch diese unglückliche Folge für die Juden ist nebensächlich, weil Hamas und Hisbollah Freiheitskämpfer sind.
Und weil Israel Teil des westlichen Imperiums ist, sowie ein zentrales Ziel für Islamisten, ist es auch der Feind Nummer eins für die Progressiven. Deshalb wird eine obsessive Beschäftigung mit dem jüdischen Staat zur Standardposition der Linken. China, Simbabwe, Saudi-Arabien – pah! Der Fokus muss allein auf Israel und nur auf Israel sein. Daraus entspringt eine ganze Weltsicht, die „zionistische“ Kontrolle der Medien, der Wirtschaft, die alles umfasst. Und man kann uns nicht anklagen, dass wir auf Juden losgehen, weil wir das Wort nicht benutzen. Wir sagen Zionist, nicht Jude.
Dermassen tief geht diese Verwerfung von dem, was es bedeutet, links und progressiv zu sein, bereits, dass es fast prosaisch ist, zionistische Kontrolle geltend zu machen. Doch jetzt, um es zu toppen, haben wir einen Labour-Führer, dessen gesamte politische Karriere in diesem Milieu gewesen ist – sie nährend, wachsen lassend, pushend.
Seit Monaten, Woche für Woche, sind Beispiele von geschnittenem und getrocknetem Antisemitismus aufgetaucht – die meisten, ach-so-klug, verkleidet als Antizionismus, doch vieles davon machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu verstecken. Und die Antwort des Labour-Führers auf die Kritik, dass er zu weich sei im Umgang mit Antisemitismus, und dass es seine politische Einstellung sei, dem dieser Aufstieg zu verdanken sei, lautet, den Antisemitismus nicht zu schwer zu nehmen. Es ist irritierend.
Das ist nicht irgendeine akademische Übung oder interessante politische Theorie. Das ist die Realität – die Realität, dass die Labour-Partei jetzt von einem Kader geführt wird, für den Antisemitismus wirklich in Ordnung ist, solange er sich als Antizionismus verkleidet. Weil Zionismus der Feind aller guten Menschen ist.
Sollte ich zugeben, dass ich Angst habe? Weil es so ist. Mein Leben besteht nicht nur aus Angst. Ich würde das nicht schreiben oder meinen Job erledigen, wenn es so wäre. Aber wie, ganz rational, kann ich nicht Angst haben, wenn Juden auf den Strassen von Europa ermordet werden, einfach weil sie Juden sind; wenn antisemitische Redensarten und Diskurse Teil des Mainstreams der politischen Debatte werden; und wenn eine unserer wichtigsten politischen Parteien von einem Mann geführt wird, der dies nicht bloss schwären lässt, sondern recht eigentlich Vertreter von Terrorgruppen als „Freunde“ beschreibt?
Wenn das die Ebene ist, die wir heute erreicht haben, dann fürchte ich nicht nur um mich selbst, sondern viel mehr um meine Kinder. Die Geschichte zeigt, dass, wenn der Antisemitismus wurzeln schlägt, dass er nicht verwelkt; sondern wächst. Ja, Grossbritannien ist ein wunderbares Zuhause für Juden, wie es das für alle Minderheiten ist. Ja, wir haben die volle Unterstützung des Gesetzes und der Behörden. Aber ja, ich schaue über meine Schulter. Würden Sie das nicht auch tun?
Stephen Pollard ist Redaktor des The Jewish Chronicle.
Wer ignorant ist, ist unschuldig – oder kommt sich so vor.