J.D. Vances „inakzeptable“ Rede
Die europäischen Eliten hasste sie.
Bruce Bawer, 17. Februar 2025, Frontpagemag.com
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
Am 5. März 1946 hielt Winston Churchill, der im Jahr zuvor kurzerhand als Premierminister abgesetzt worden war, nachdem er Großbritannien triumphierend durch den Zweiten Weltkrieg geführt hatte, am Westminster College in Fulton, Missouri, eine Rede, die noch Generationen nachhallen sollte. Die Vereinigten Staaten, so sagte er seinem Publikum, stünden nun „auf dem Gipfel der Weltmacht“, eine Rolle, die ihnen „eine ehrfurchtgebietende Verantwortung für die Zukunft“ auferlege. Die Frage war nun: „Was ist also das allgemeine strategische Konzept, das wir uns heute zu eigen machen sollten?“ Die Nationen des Westens, gerade erst vom Schrecken des Nationalsozialismus befreit, sahen sich nun zwei gewaltigen Bedrohungen gegenüber: „Krieg und Tyrannei“. In der unmittelbaren Zukunft würde die Atombombe die freie Welt vor ersterer schützen; was letztere betrifft, warnte Churchill, dass „von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria ein Eiserner Vorhang über den Kontinent gefallen ist.“ Die „alten Staaten Mittel- und Osteuropas“ stünden nun unter der Kontrolle von „Polizeiregierungen“, die Marionetten des Kremls seien. Dies, betonte Churchill, sei nicht „das befreite Europa, für dessen Aufbau wir gekämpft hatten“. Und die einzige Möglichkeit, diesem Problem zu begegnen, bestehe darin, dass die noch freien Länder des Westens, allen voran Amerika und Großbritannien, ihre militärische Stärke und ihr festes Bündnis aufrechterhielten.
Die Bedeutung von Churchills Rede wurde sofort auf der ganzen Welt erkannt. Das galt auch für die Rede, die Vizepräsident J.D. Vance letzten Freitag auf der Münchner Sicherheitskonferenz hielt. Wie Churchill brachte Vance seinen Hintergrund als Militärveteran, politischer Führer und begabter Autor in diesen Moment ein. Wie Churchill nutzte Vance die Gelegenheit nicht, um seinem Publikum aus europäischen Politikern und Militärs für ihre vergangenen Leistungen zu schmeicheln, sondern um sie mit einigen schwierigen Worten über die Zukunft herauszufordern. Und wie Churchill sorgte Vance für Aufregung. Weniger als ein Jahr nach dem V-E- und V-J-Day waren viele Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks kriegsmüde und wollten den Konflikt hinter sich lassen. Das Letzte, was sie wollten, war, gesagt zu bekommen, sie müssten wachsam bleiben, ihre Streitkräfte stärken und ihre ehemaligen russischen Verbündeten als Gegner betrachten. Viele Diplomaten sahen in den neu gegründeten Vereinten Nationen auch eine Chance für die westlichen Verbündeten und den Ostblock, langfristig als Freunde zusammenzuarbeiten. Churchills Rede war ein Weckruf und sollte in den folgenden Jahrzehnten als solcher erkannt werden, aber damals war sie für viele eine unwillkommene Provokation.
Und Vance? Seine Rede, die knapp zwanzig Minuten dauerte, war ebenfalls ein Weckruf – und eine unwillkommene Provokation. Wie Churchill sprach auch er über Sicherheit. Nebenbei äußerte er die Hoffnung auf eine „vernünftige Lösung zwischen Russland und der Ukraine“. Aber er sagte weiter, die größte Sorge, die er in Bezug auf Europa habe, sei „die Bedrohung von innen“. Er erwähnte „den Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt“ – ein Rückzug, der sich beispielhaft zeige am „ehemaligen EU-Kommissar“, der „erfreut“ war, als Rumänien „eine ganze Wahl annullierte“ und sagte, dasselbe könne in Deutschland passieren; an den Plänen der Europäischen Union, „soziale Medien abzuschalten“, wenn sie „hasserfüllte Inhalte“ nicht zensieren; an den Razzien der deutschen Regierung in den Wohnungen von „Antifeministen“; an der Verurteilung eines christlichen Aktivisten in Schweden, der einen Koran verbrannt hatte; an dem britischen Veteranen, der für schuldig befunden wurde, in der Nähe einer Abtreibungsklinik still gebetet zu haben; und an der Warnung der schottischen Regierung an ihre Bevölkerung, dass private Gebete in ihren eigenen vier Wänden unter bestimmten Umständen gegen das Gesetz verstoßen können.
Vance räumte ein, dass solche Vorkommnisse auch in den USA ein Problem darstellen, wo etwa die Biden-Regierung Social-Media-Unternehmen dazu genötigt hatte, die Wahrheit über den Ursprung von Covid-19 zu verschweigen. Aber er fügte hinzu, unter Trump werde man den umgekehrten Ansatz verfolgen. „Wir sind vielleicht nicht mit Ihren Ansichten einverstanden“, sagte er, „aber wir werden dafür kämpfen, Ihr Recht zu verteidigen, sie in der Öffentlichkeit zu vertreten.“ Das war direkt von Voltaire. Es war eine Erklärung, für die eine Versammlung der Staats- und Regierungschefs freier Länder vor ein paar Jahrzehnten herzhaft applaudiert hätte. Diesmal jedoch erntete Vances Aussage nur erbärmlichen Beifall. Vance fuhr fort und bemerkte, dass die Münchner Konferenz selbst die Teilnahme einiger Parteien sowohl des linken als auch des rechten Spektrums verboten hatte. Er kritisierte diese Entscheidung und beharrte darauf, dass politische Führer im Dialog mit Menschen stehen müssten, die die wahre Wählerschaft repräsentieren. Ja, räumte er ein, es sei wichtig, über Verteidigungsausgaben und dergleichen zu reden; doch wenn uns die Sicherheit unserer Nationen am Herzen liegt, ist es auch wichtig zu wissen, „was wir überhaupt verteidigen“. Was, so fragte er, „ist die positive Vision, die diesem gemeinsamen Sicherheitspakt zugrunde liegt?“ Es gebe keine Sicherheit, beharrte er, „wenn man Angst vor den Stimmen, den Meinungen und dem Gewissen hat, die das eigene Volk leiten.“
An dieser Stelle sprach er das Thema Masseneinwanderung an. Erst am Tag zuvor war ein 24-jähriger afghanischer Asylbewerber mit einem Auto in eine Menschenmenge in der Münchner Innenstadt gefahren. Berichten zufolge rief er „Allahu akbar“. Es gab mindestens dreißig Verletzte. Sowohl in Europa als auch in Amerika, so Vance, seien zu viele solcher Gräueltaten erlebt worden, die, wie er erklärte, das Ergebnis „bewusster Entscheidungen der Politiker“ seien. Kein einziger Wähler auf dem europäischen Kontinent, so Vance, sei jemals zur Wahlurne gegangen, „um die Schleusen für Millionen ungeprüfter Einwanderer zu öffnen“. Tatsächlich seien sie nie nach ihrer Meinung über die Weisheit einer solchen Politik gefragt worden. Die Menschen in Davos waren der Ansicht, dass die Meinungen der Massen zu einem solchen Thema keine Aufmerksamkeit verdienen. In Anspielung auf Elon Musks Unterstützung der Alternative für Deutschland – die breite öffentliche Unterstützung genießt, während die Führer anderer Parteien sich bemühen, ihr eine Stimme im Bundestag zu verwehren – sagte Vance: „Wenn die amerikanische Demokratie zehn Jahre Schelte von Greta Thunberg überstehen kann, könnt ihr auch ein paar Monate mit Elon Musk überstehen.“ Das war ein Scherz. Vance verkaufte es als Scherz. Aber es gab kein Gelächter – kein einziges.
Es war eine Rede für die Ewigkeit, von einem Mann, der von allen Mitgliedern von Trumps Dreamteam vielleicht das beeindruckendste ist. Doch das Publikum aus europäischen Eliten aus Politik, Medien und Militär war ein Albtraum. Diese Leute wollten nichts von islamistischem Terrorismus hören. Sie wollten nichts von Einwanderung hören. Sie wollten nichts von Meinungsfreiheit hören. Wie die demokratischen Führer in Washington reden sie unaufhörlich davon, wie wichtig es sei, „unsere Demokratie“ zu verteidigen, während sie gleichzeitig ihr Bestes tun, die Demokratie in eine Herrschaft der Eliten zu verwandeln – durch sie selbst. Als ich mir die Rede ansah und die mangelnde Begeisterung des Publikums wahrnahm, musste ich nicht zum ersten Mal an eine Gelegenheit vor vielen Jahren in Washington, D.C. denken, als ich vor einer Versammlung von Diplomaten aus den USA und verschiedenen amerikanischen Verbündeten sprach. Es war eine Konferenz über die Zukunft Europas, ein Thema, bei dem alle Anwesenden Feuer und Flamme waren – tatsächlich sahen sie Europas Zukunft als viel rosiger als die Amerikas. Ich war die einzige Ausnahme und warnte ausführlich vor der Islamisierung des Kontinents und was sie bedeuten würde. Ich erhielt dieselbe Antwort wie Vance: Totenstille. Anders als Vance nahm ich Fragen entgegen. Die meisten davon waren keine wirklichen Fragen – es waren Angriffe. Und sie waren brutal. Das Motto war immer dasselbe: Wer zum Teufel war ich, dass ich die Party verderben wollte? Die vielen Vorfälle, die ich als Anlass zur Sorge angeführt hatte, wurden von diesen selbstgefälligen, hochmütigen Besserwissern kurzerhand als bloße anekdotische Beweise abgetan.
Nun ja. Ich hatte recht. Sie hatten unrecht. Dasselbe hier. Zu den Größen, die während Vances Rede still dasaßen, gehörte auch EU-Außenministerin Kaja Kallas, die beklagte, die USA wollten „Streit mit uns anfangen, und wir wollen keinen Streit mit unseren Freunden“. Die westlichen Verbündeten, sagte sie, sollten sich auf größere Bedrohungen konzentrieren als die, die Vance anführte, etwa die russische Aggression. Die Deutschen im Publikum brachten ihre Wut besonders lautstark zum Ausdruck. Boris Pistorius, der deutsche Verteidigungsminister, donnerte in seiner eigenen Rede in München, es sei „inakzeptabel“, dass Vance europäische Länder als autoritär bezeichne. Anders als alles andere in Vances Rede erntete Pistorius‘ Verwendung des Wortes „inakzeptabel“ riesigen Applaus. Wie mehrere pro-Trump-Beobachter kommentierten, lieferte Pistorius, indem er Vances Bemerkungen als „inakzeptabel“ beurteilte, selbst ein perfektes Beispiel für die Art von Intoleranz gegenüber unterschiedlichen Ansichten, von der Vance gesprochen hatte. Der deutsche Bundeskanzler Olav Scholz, der ebenfalls auf der Konferenz sprach, behielt sich seiner Regierung das Recht vor, „Hassreden“ der „extremen Rechten“ zu verbieten. Kurz gesagt: Wir, die Eliten, werden Freiheit und die Grenzen der freien Meinungsäußerung definieren. Und in den News der DW bezeichnete eine Reporterin in München Vances Kommentare zur Einwanderung als „Verschwörungsideologie“ („so etwas wie eine massenhafte, unkontrollierte Einwanderung auf den europäischen Kontinent“ gebe es nicht, behauptete sie). Sie sagte, viele der Konferenzteilnehmer, mit denen sie gesprochen hatte, sähen Vances Rede sowohl als Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Europas als auch als Versuch, den europäischen Völkern amerikanische Politik aufzuzwingen.
Unterdessen schrieb in Frankreich Le Monde, es gebe inzwischen „zwei Schlüsseldaten in der Geschichte der Münchner Sicherheitskonferenz: 2007 und 2025“. 2007 habe Putin „den Westen mit einer äußerst aggressiven Rede gegen die Vereinigten Staaten schockiert“; dieses Mal habe sich Amerika „gegen seine Partner gewandt und den Westen gespalten“ mit „einer bösartigen Schmährede gegen die europäischen Demokratien“. Le Figaro pflichtete dem bei: „Es war, als sei innerhalb eines Monats das Bündnis der westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, das während der vierzig Jahre des Kalten Krieges gefestigt worden war, zerbrochen.“ In Spanien beklagte sich El Mundo, Vance habe seine „Predigt“ genutzt, um „die EU mit der UdSSR zu vergleichen, rechtsextreme Parteien zu verteidigen und Russland als Bedrohung herunterzuspielen“, während El Pais Vance als jemanden beschrieb, der verlange, dass die Europäer mehr auf die extreme Rechte hören. In den Niederlanden verglich De Trouw Vances „feurige Anklage gegen die westlichen Demokratien“ mit der Putins.
In Norwegen nannte Zofia Paszkiewicz, Korrespondentin des verlässlich linken staatlichen Fernsehsenders NRK, Vances Rede verblüffenderweise „sehr religiös“. Bei einer NRK-Diskussionsrunde bezeichnete der Auslandsredakteur Sigurd Falkenberg Mikkelsen sie als „reaktionär“ und verglich sie mit einer amerikanischen Wahlkampfrede. Die Vorsitzende der Konservativen Partei und ehemalige Premierministerin Erna Solberg warf Vance und Trump vor, sie repräsentierten „die extremeren Elemente der Republikanischen Partei“. Anders Romarheim, Professor für Politikwissenschaft, verhöhnte Vance und Trump, weil sie es wagten, irgendjemandem Vorträge über das Wesen der Demokratie zu halten, und sagte, Vance habe „maktarroganse“ („arrogantes und eigensinniges Verhalten, das mit einer Machtposition verbunden ist“) an den Tag gelegt und der europäischen Öffentlichkeit brutal eine amerikanische politische Debatte aufgezwungen und damit „die transatlantische Gemeinschaft … in eine Krise“ gestürzt. Der NRK-Moderator fragte sich laut, ob Vances Rede ein weiteres Zeichen dafür sei, dass Amerika in eine undemokratische Zukunft steuert. In Großbritannien nannte der Diplomatieredakteur des Guardian, Patrick Wintour, Vances Rede „beißend und konfrontativ“, einen „brutalen ideologischen Angriff“, und sagte, sie sei vom Publikum „schockiert“ worden, da sie darin einen „gesellschaftlichen Bruch“ zwischen den USA und Europa „in Bezug auf Werte und das Wesen der Demokratie“ sähe.
Diese unverschämten, abwechselnd unsensiblen und verlogenen Reaktionen auf ein paar Minuten offene Rede eines amerikanischen Vizepräsidenten über die Natur der Freiheit waren ziemlich ärgerlich, wenn man bedenkt, wie herablassend diese Politiker, Journalisten und Akademiker regelmäßig über das amerikanische Volk und seine Führer sprechen, obwohl sie unsere Sicherheitsgarantie für selbstverständlich halten. Es sind Leute, die sich vorsichtig um muslimische Führer herumschleichen und die, ja, regelmäßig Kritik am Islam zum Schweigen bringen, ihre eigenen Bürger ins Gefängnis werfen, weil sie ihre Meinung sagen, während sie Muslime für Gewaltverbrechen ungeschoren lassen. Dass diese europäischen Führer Vances Rede als religiös bezeichnen konnten oder als Drohung, die US-Unterstützung für die NATO zurückzuziehen, oder als unangemessenen Versuch, amerikanische politische Debatten nach Europa zu bringen, oder als Zeichen dafür, dass Trumps Amerika die Freiheit aufgibt – anstatt für sie einzutreten – zeigt nur, wie groß die Kluft zwischen der Mentalität der linksgerichteten europäischen Eliten und der der amerikanischen Wählerschaft ist.
Man darf allerdings nicht vergessen, dass das amerikanische Volk und sein Präsident zwar Gott sei Dank wieder im Einklang sind, die Eliten, die Europa regieren, jedoch zunehmend ideologisch im Widerspruch zu ihrem eigenen Volk stehen. Das zeigen die alternativen Medien, in denen am Wochenende sehr viele Europäer, die Trumps Agenda begrüßen, Vances Rede energisch unterstützten. In Großbritannien gab Ben Habib, Co-Vorsitzender der Reformpartei, ihr grünes Licht. Der Westminster-Medienveteran Gawain Towler sagte, Vance habe trotz der deutschen Empörung recht gehabt, genauso wie Trump in seiner ersten Amtszeit recht gehabt habe, als er die Deutschen (die mit Spott reagierten) davor warnte, sich bei der Stromversorgung auf Russland zu verlassen. und in Norwegen lobte Ole Asbjørn Ness, Herausgeber der alternativen Nachrichten-Website iNyheter, Vance für seine „vernünftige, intelligente Rede“ über Europas fortschreitende Selbstzerstörung durch Zensur und Masseneinwanderung und verurteilte die Kommentatoren des NRK für ihre groben Falschdarstellungen seiner dringend wichtigen Botschaft – Falschdarstellungen, die, wie er anmerkte, nur dazu dienten, die Aussagen in Vances Rede zu bestätigen, die, so Ness, „in die Geschichtsbücher eingehen werden“. Hört, hört. Fazit: Was nach dem Debakel vom Freitag in München klarer ist denn je, ist, dass die Menschen in Westeuropa – mehr noch als die Amerikaner Trump brauchen – ihre eigenen Trump-Kollegen dringend auf die Fahrersitze drängen müssen, bevor die Clownautos über die Klippe fliegen.
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