Mittendrin: Wasser, nicht schweres Wasser, ist Irans dringendstes Bedürfnis
Martin Sherman, 27.8.2015, Jerusalem Post
Iran steht vor einer beispiellosen Wasserknappheit, so stark, dass grosse Teile des Landes unbewohnbar und Millionen zur Emigration gezwungen werden könnten.
Unser Hauptproblem [die Wasserkrise], die uns droht, ist gefährlicher als Israel, Amerika oder politische Kämpfe, ist die Frage des Lebens in Iran. Es ist, das, dass die iranischen Hochebene unbewohnbar wird
– Isa Kalantari, Iranischer Agrikulturminister (1989-98) unter der Präsidentschaft der Ayatollahs Rafsanjani and Khatami, zitiert in “Iran wird ‘unbewohnbar,” Al-Monitor, 9. Juli, 2013
… Wenn der Iran nicht radikal seinen Wasserverbrauch verändert, werden 50 Millionen Menschen – 70 Prozent der Iraner – keine andere Wahl haben, als das Land zu verlassen
– Thomas Friedman, “Für den mittleren Osten ist immer noch 1979,” The New York Times, 29. Juli 2015
Iran steuert auf eine Wasserknappheit epischen Ausmasses zu, und es wird wenig getan, um einen jahrzehntelangen Trend, der die Wasservorräte des Landes zur Krisenstufe reduziert hat, umzukehren … Wissenschaftler warnen, dass das bereits trockene Land Gefahr läuft, zu einer riesigen Wüste zu werden.
– Jason Rezaian, “Irans Wasserkrise ist das Produkt jahrzehntelanger schlechter Planung,” TheWashington Post, 2. Juli 2014
Gerade einmal 10 Tage nach der Veröffentlichung des Artikels in der Washington Post wurde Jason Rezaian, der Bürochef der Zeitung in Teheran, in seinem Haus aufgrund nicht näher definierter Vorwürfe verhaftet. Nach fast 10 Monaten Haft klagten ihn die iranischen Behörden an wegen „Spionage“ und „Propaganda gegen das Establishment.“
Sein Gerichtsverfahren, das am 26. Mai begann, ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich (NYT, 26. Mai) und wird geleitet von einem Richter, der auf einer schwarzen Liste der EU für Menschenrechtsverletzungen figuriert (Der Atlantik, 22. Juli), und endete Anfang dieses Monats (BBC, 10. August). Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Zeilen wartet Rezaian – der die US-Staatsbürgerschaft besitzt – auf das Urteil des Gerichts, das bis zu 20 Jahren Haft verhängen könnte.
Dies alles geschah unter dem Regime der angeblich „pragmatischen und progressiven“ Herrschaft von Präsident Hassan Rohani.
Eine brennende Demütigung für die USA – es sei denn, …
Wäre ich ein US-Steuerzahler, so würde ich mich ernsthaft ärgern darüber, dass die Obama-Regierung meine hart verdienten Dollar dermassen hoffnungslos ineffizient einsetzt.
Schliesslich hat die US-Regierung eine erstaunliche Menge an Ressourcen zur Verfügung – $ 3 Trillionen – $ 3,5 Trillionen werden ihr von der arbeitenden Bevölkerung jedes Jahr zur Verfügung gestellt. Doch mit all dieser Macht in der Hand, führte sie sich fast wie ein kriechender Bittsteller auf bei den Verhandlungen mit der Islamischen Republik über ihr Atomprogramm, das in einer brennende Demütigung für Washington gipfelte.
Wie sonst müsste man ein Geschäft nennen, das:
- Eine Verhöhnung der zuvor unmissverständlich erklärt US-Ziele ist, wie zum Beispiel den Iran zu zwingen, „sein Atomprogramm aufzugeben“ (Barack Obama, Oktober 2012), oder zu veranlassen, dass der Iran „sein Atomprogramm demontiert“ (John Kerry, Dezember 2013);
- Nicht nur dem Iran gleiche Rechte neben den USA in der Gemeinsamen Kommission zuerkennt, der Körperschaft, die die Umsetzung des Abkommens überwachen soll, ihm aber ein effektives Vetorecht gibt über die meisten ihrer Entscheidungen, die „im Konsens getroffen werden, sofern nicht anders vereinbart“;
- US-Inspektoren von der Überprüfung der iranischen Einhaltung ausschliesst;
- Dem Iran ermöglicht, verdächtige Orte mit eigenem Personal selbst zu überprüfen;
- Zugeständnisse an den Iran in nichtnuklearen Themen macht (wie zB Raketentechnologie und konventionellen Waffen), aber keine gegenseitige Zugeständnisse des Irans in nichtnuklearen Fragen verlangt (wie Terrorismus und Menschenrechte);
- Prüfungsverfahren definiert, die so mühsam sind, dass sie leicht absichtlich ersonnen worden sein könnten, damit iranische Verstösse unentdeckt bleiben; und
- Dem Iran erlaubt, alle seine Ziele, die er sich selbst gesetzt hat (wenn auch möglicherweise etwas verlangsamt), zu erreichen, und das verhindert, dass die USA eines ihrer eigenen erreichen können – es sei denn, die US-Öffentlichkeit wurde ernsthaft über die Natur dieser Ziele in die Irre geführt.
Obama: Der Iran versteht, dass sie uns nicht bekämpfen können …
Der überproportionale Gewinn des Iran und die Kapitulation der USA auf nahezu jedem ihrer Grundsatzpunkte, in der bei weitem nicht erschöpfenden Liste oben reflektiert, sind sogar noch unangemessener, wenn man die grundlegenden Parameter der beiden Nationen vergleicht.
Das US-BIP übersteigt das der Iran um einen Faktor von mehr als 40, der Pro-Kopf-BIP ist 10-mal höher, die USA haben mehr als das Vierfache der Bevölkerung des Iran und ist sechs Mal so gross.
Aber vielleicht der wichtigste Vergleich betrifft die militärischen Fähigkeiten.
Diese massive Ungleichheit wurde im Interview von Barack Obama mit dem New York Times-Kolumnisten Tom Friedman am 5. April widergegeben – als die Art der Zugeständnisse, die im Juli abgeschlossen wurden, noch undenkbar war … oder zumindest unerwähnbar.
Bei den Ausführungen zu seiner Art der Annäherung an den Iran erklärte Obama: „Irans Verteidigungshaushalt ist 30 Mrd. US $. Unsere Verteidigungshaushalt ist näher an $ 600 Milliarden. Der Iran versteht, dass sie uns nicht bekämpfen können…“
Es scheint, dass der US-Oberbefehlshaber das militärische Ungleichgewicht zwischen den USA und dem Iran stark untertrieben hat – man hofft, dass es nicht deshalb war, weil er dermassen uninformiert war.
Weil die meisten veröffentlichten Schätzungen den iranischen Verteidigungshaushalt zwischen $ 14 Mrd. und $ Mrd. beziffern – oder 2% bis 3% des US-Verteidigungshaushalts, den Obama in etwa korrekt beziffert hatte.
Als Reaktion auf Friedmans Frage: „Glauben Sie sie [die Iraner] sind unabschreckbar,“ erwiderte Obama: „Das ist schlicht nicht der Fall.“
Alternative für den Iran: ‘Wirtschaftliche Steinzeit’
Dementsprechend kann bei mehr als 40-mal mehr dem Militär gewidmeten Ressourcen als Iran, klingt die Behauptung, dass die für die USA die einzige Alternative zu diesem Deal Krieg sei, entschieden Hohl – wenn nicht manipulativ verlogen.
Angesichts der jüngsten eigenen Einschätzung Obamas, dass der Iran nicht „unabschreckbar“ ist und „versteht, dass sie uns nicht bekämpfen können…“, wie könnte es dann irgendwie anders klingen? Schliesslich ist die Seite, die tatsächlich mit „keiner Alternative“ konfrontiert ist, nicht die USA und ihre wohlhabenden, mächtigen Verbündeten, sondern der wirtschaftlich abgemagerte und Dürre-verwüstete Iran.
Die verzweifelte Situation seines Landes wiederspiegelnd berichtete die New York Times (23. Juli), dass Präsident Hassan Rohani in einer landesweiten Fernsehsendung vermutete, „…dass die Alternative [zum Deal] eine wirtschaftliche ‚Steinzeit‘ sei“. Diese mürrische Einschätzung wurde flankiert von Isa Kalantari, ehemaliger Landwirtschaftsminister und derzeit ein hochgestellter Berater der Regierung, der die gewaltigen Herausforderungen gegenüber Rouhani beklagte. Als er in einem Interview kurz nach Rouhanis Wahl zum Präsidenten im Juni 2013 über den Zustand der Wirtschaft des Iran gefragt wurde, antwortete er: „Gott helfe Rouhani.“
Kalantari zählte die verheerenden Auswirkungen internationaler Sanktionen auf: „Leider wird Rohani das Land mit leeren Lagerhallen, einer leeren Schatzkammer, leeren Häfen und einer leeren Zentralbank erben.“
Dies ist ein unwahrscheinliches Porträt eines Feindes, der so furchtbar ist, dass er nahezu alle seine Forderungen der gesamten industriellen Welt, die von den USA als einzige unbestrittene Supermacht auf dem Planeten angeführt werden, verhängen kann, weil angeblich die einzige Alternative Krieg ist, von dem seltsamerweise gemäss Obama der Iran genau weiss, dass er ihn nicht führen kann.
In der Tat, wenn der Deal nicht gemacht worden wäre, so wäre die einzige Alternative nicht Krieg für die USA und ihre Verbündeten, sondern wie Rouhani gut verstanden hatte, eine wirtschaftliche Steinzeit für den Iran.
Und doch…
‘Gefährlicher als Israel und die USA’
Doch der Iran erscheint noch fragiler als selbst die wagemutigste wirtschaftliche Statistik andeutet.
Nach Kalantari ist das ernsteste Problem, vor dem der Iran steht, weder seine marode Wirtschaft noch Druck aus dem Ausland, sondern der chronische und kritische Wassermangel, ein Problem, das er charakterisiert als „gefährlicher als Israel, und die USA und politischen Auseinandersetzungen…“
Er sieht die Krise als so stark an, dass „Wenn die Situation nicht korrigiert wird, der Iran in 30 Jahren eine Geisternation sein wird.“
Die Schuld bei Fahrlässigkeit und Nachlässigkeit sehend, warnt Kalantari in einer englischsprachigen iranischen Publikation (die Financial Tribune, 25. Mai), „Wir sind jetzt an der Bewältigung der Folgen des Nichthandelns“, und wenn der Verbrauchstrend sich fortsetzt, fast 70 Prozent der Bevölkerung (50 Millionen Menschen), „aus dem Iran auswandern müssen, um zu überleben … Das ist eine Katastrophe von epischen Proportionen.“
Ähnlich äusserte sich im zuvor zitierten Artikel vom derzeit inhaftierten Washington Post Korrespondenten Jason Rezaian, der warnte, dass „Iran auf eine Wasserknappheit von epischen Proportionen zusteuert, und dass wenig getan wird, um einen jahrzehntelangen Trend umzukehren, der die Wasserversorgung des Landes bis auf Krisenstufe reduziert hat…
Überall im Iran werden Landschaften transformiert, während Wissenschaftler warnen, dass das bereits trockene Land Gefahr läuft, zu einer riesigen Wüste zu werden.“
‘…Wir machen Leben in der Zukunft unmöglich’
Rezaian beschrieb, wie iranische Quellen von Oberflächenwasser rasch verschwinden: „Der Urmia-See, ein Salzsee im iranischen Nordwesten, einst der grösste im Nahen Osten, ist bis auf 5 Prozent seines ehemaligen Volumens in nur zwei Jahrzehnten aufgebraucht worden. Der Fluss Zayandeh, der durch das iranische Kernland geflossen ist, ist meistens ein trockenes Bett, nachdem er umgeleitet und aufgestaut wurde, um die Bewässerung für landwirtschaftliche Betriebe zu schaffen.“
Unter Berufung auf einen in Europa ansässigen iranischen physischen Klimatologen schreibt Rezaian, dass nicht nachhaltige Praktiken „das Leben in der Zukunft verunmöglichen.“
Für viele im Iran hat der Wassermangel das Leben bereits unmöglich gemacht.
Deshalb hat die Financial Times einen deutlichen Bericht veröffentlicht (21. August 2014) von der Verwüstung, die die Wasserkrise für Millionen im ganzen Land anrichtet. Dramatisch mit dem Titel „Iran: Ausgetrocknet“ beschreibt er, wie die Austrocknung des Flusses Zayandeh rund 2 Millionen Menschen (40% der Bevölkerung der Region), die auf die Landwirtschaft angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt gebracht hat. Unter Berufung auf einen Wasserbeamten, der nicht genannt werden wollte, informierte die Zeitung ihre Leser: „Mindestens ein Dutzend der 31 Provinzen des Landes müssen in den nächsten 20 Jahren evakuiert werden, es sei denn, das Problem wird angegangen und gelöst.“
Inzwischen sind Tausende von Dörfern im ganzen Land gezwungen, sich auf die Lieferungen von Wasser per Tanklastwagen zu verlassen, während Geschäftsleute beklagen, Lieferengpässe seien eine tägliche Belastung in den Fabriken der Umgebung von Teheran.
Könnte Wasser die Flammen der Revolte entzünden?
Es gab wiederholt Berichte über wachsende öffentliche Wut über den Mangel an Wasser.
Zum Beispiel hat Al-Monitor zwei Berichte solcher Ereignisse veröffentlicht: „Wasserunruhen brechen aus in Iran“ (28. Februar 2013) und „Dürre löst Proteste in Iran aus“ (10. September 2014).
Der erstere berichtet, dass die Landwirte in der östlichen Provinz Esfahan mit Spezialeinheiten der Polizei zusammenstiessen, die geschickt worden waren, um die Sicherheit der Reparatur einer Wasserleitung, zu gewährleisten, die in einem heftigen Wasserstreit zerstört worden war. Weit verbreitete Gewalt, Brandstiftung und sogar fünf Todesfälle wurden gemeldet, nachdem der Ärger über monatelange Beschwerden, die unbeachtet geblieben waren, übergekocht war.
Der letztere beschrieb, wie Tausende von Bewohnern von Isfahan und der kleineren Städte und Dörfer in der Nähe demonstrierten, im Protest gegen die Austrocknung des Zayanderood [Zayandeh-Flusses] und der amtlichen Untätigkeit im Umgang mit dem Problem. Der Artikel warnt: „Die Wasserkrise des Zayanderood wird schreckliche Folgen haben, einschliesslich der Zerstörung des Ökosystems des Flusses, dem Verlust der verschiedenen Lebensformen und Zerstörung von Brunnen und Bächen. Sie wird auch die Landwirtschaft um den Fluss herum zerstören, und auch die Industrie wird schwer beeinträchtigt werden.“
Interessant ist, dass selbst starke Befürworter des Iraner Atomabkommens sich sehr wohl bewusst zu sein scheinen, wie sehr Wasserknappheit die Stabilität eines Regimes untergraben kann.
So fragte in einem Interview von 2014 für die TV-Serie Jahre in der Hölle mit Obamas Nationaler Sicherheitsberaterin Susan Rice, Tom Friedman, sich auf die entsetzliche Wassersituation in Irans Nachbarland Syrien beziehend: „Kann es wirklich einen Zusammenhang zwischen einer Dürre und einem Bürgerkrieg geben?“ Worauf Rice antwortete: …Dürre, Überschwemmungen, Nahrungsmittelknappheit, Wasserknappheit, all dies führt zu erhöhter menschlicher Unsicherheit, Armut und kann zu Konflikten beitragen.
Worauf Friedman zustimmend antwortete: Mit anderen Worten, wenn eine Dürre schlimm genug ist, kann es helfen, eine bereits überdehnte Gesellschaft zu zerreissen.
Sicherlich gilt, was für Syrien gilt, auch für den Iran?
Wasser, nicht schweres Wasser
Irans Wasserprobleme sind weitgehend Hausgemacht und der Umgang damit verlangt umfassende landesweite Reformen, die sich über Jahrhunderte alte Traditionen und Praktiken hinwegsetzen müssen.
Doch wie die Financial Times in ihrem bereits zitierten Bericht bereits ausführte, der knapp ein Jahr vor dem Deal zwischen der Obama-Regierung und Teheran geschrieben worden war: „…die Reformen benötigen Geld und die Wirtschaft des Iran kämpft unter dem Gewicht der internationalen Sanktionen, die wegen seines Atomprogramms verhängt worden sind. „Es ist klar, dass mit laufenden Sanktionen die dringend benötigten Reformen unwahrscheinlich sind.
Wenn also das nächste Mal einige sycophantische Obama-phile versuchen, die fadenscheinige Linie zu verkaufen, dass „die einzige Alternative zum schändlichen Deal Krieg war“, bitte mit der Verachtung ablehnen, die sie reichlich verdient hat.
Letztlich gibt es mit erweiterten Sanktionen und einer glaubwürdigen Androhung einer militärischen Aktion reichlich Grund zu der Annahme, dass das Regime in Teheran gezwungen gewesen wäre, seine Suche nach schwerem Wasser zu verlassen und nach Wegen zu suchen, das iranische Volk mit dem zu versorgen, was es wirklich braucht: Wasser.
Martin Sherman ist Gründer und Exekutivdirektor des israelischen Institutes für strategische Studien.
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