Gemeinschaft Versus Gesellschaft in Europa
Kenan Malik, April 2015, Foreign Affairs
Vor dreissig Jahren sahen viele Europäer Multikulturalismus – die Umarmung einer integrativen, vielfältigen Gesellschaft – als eine Antwort auf Europas soziale Probleme. Heute betrachten ihn viele als deren Ursache. Diese Wahrnehmung hat einige Mainstream-Politiker, darunter der britische Premierminister David Cameron und Bundeskanzlerin Angela Merkel, dazu gebracht, öffentlich den Multikulturalismus anzuprangern und sich gegen seine Gefahren auszusprechen. Es hat den Erfolg der rechtsextremen Parteien und populistischen Politiker in ganz Europa, von der Partei für die Freiheit in den Niederlanden bis zum Front National in Frankreich angeheizt. Und in den extremsten Fällen hat er obszöne Akte der Gewalt, wie Anders Behring Breiviks mörderischen Amoklauf auf der norwegischen Insel Utoya im Juli 2011, inspiriert.
Hie kam es zu diesem Wandel? Nach den Kritikern des Multikulturalismus hat Europa übermässige Zuwanderung zugelassen, ohne genug Integration zu fordern – ein Missverhältnis, das den sozialen Zusammenhalt ausgehöhlt hat, nationale Identitäten untergraben, und das Vertrauen der Öffentlichkeit abgebaut. Die Befürworter der Multikulturalität hingegen entgegnen, dass das Problem nicht zuviel Vielfalt sei, sondern zuviel Rassismus. Weiterlesen →