Haj Amin al-Husseini und Antisemitismus in der arabischen Welt
Sarah Levin, 24. 10. 2015, Times of Israel Blogs
In der vergangenen Woche sind wir von irrelevanten Streitereien über die Richtigkeit der jüngsten Kommentare von Benjamin Netanjahu zu Palästinenserführer Mohammed Amin al-Husseini überwältigt worden. Während Husseini wenig Einfluss auf die Shoah in Europa gehabt haben mag, als bezahlter Propagandist für die Achsenmächte ist er für die Aussaat und die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda und Antisemitismus im Nahen Osten, die heute noch gesund und munter sind, verantwortlich. Während einer Übertragung von Radio Berlin auf Arabisch erklärte er am 1. März 1944: „Steht auf, Söhne Arabiens. Kämpft für eure heiligen Rechte. Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet. Ihr vergossenes Blut gefällt Gott, der Geschichte und der Religion. Das wird unsere Ehre retten.“ Haj Amin al-Husseins Rolle als arabischer Führer hat viele Entwicklungsschritte durchgemacht, aber ein konsequenter Aspekt seiner politischen Plattform war sein virulenter Hass auf Juden und sein Wunsch, sie entrechtet und tot zu sehen. Seine Verbreitung von toxischer Nazi-Propaganda und Ideologie hat zur absoluten Zerstörung des jüdischen Lebens im Nahen Osten und Nordafrika beigetragen. Dafür ist er verantwortlich.
1941 fegte das antijüdische Pogrom, das als Farhud bekannt wurde, durch Bagdad, den Irak und markierte den Anfang vom Ende des jüdischen Lebens im Irak. Das jüdische Viertel von Bagdad wurde völlig zerstört und mehr als 200 Juden wurden brutal massakriert. Der Farhud ist als die „Reichskristallnacht“ des Nahen Ostens bezeichnet worden, da die Aufrührer von Nazi-Propaganda aufgestachelt wurden, die im Irak durch Mohammed Amin al-Husseini und seine Nazi-Kumpane eifrig verbreitet wurde. Zu der Zeit war Bagdad 40% jüdisch.
Im selben Jahr 1941 verfügte die nordafrikanische Stadt Tripoli, Libyen, über 40 Synagogen und ihre jüdische Gemeinde umfasste fast 30% der Gesamtbevölkerung der Stadt. Im Jahr 1942 besetzte Deutschland Gebiete Libyens und schickte jüdische Männer und Frauen in Arbeitslager, die in Nordafrika aufgebaut wurden, vor allem ins Giado Camp, das 45 Meilen südlich von Tripolis entfernt lag. Im Jahr 1945 führte der Aufstieg des arabischen Nationalismus in Verbindung mit dem Einfluss der Nazi-Propaganda zum schlimmsten antijüdischen Pogrom in der nordafrikanischen Geschichte. Jede Synagoge in Tripolis wurde zerstört, Tausende von Unternehmen in jüdischem Besitz wurden geplündert, mehr als 150 Juden getötet und mehr als 4’000 Juden wurden obdachlos.
Der Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie, Propaganda und Führung in Nordafrika und im Nahen Osten trugen zur Zerstörung des jüdischen Lebens nicht nur in Tripolis und Bagdad, sondern auch in anderen arabischen Ländern bei. Im Jahre 1942 besetzte die deutsche Armee Tunesien und marschierte mit einer SS-Einheit ein, die für die Umsetzung antijüdischer Politik verantwortlich zeichnete. Juden in der Hauptstadt Tunis wurden gezwungen, einen Judenrat zu etablieren, dem befohlen wurde, rund 5’000 Juden zur Deportation zur Zwangsarbeit auszuwählen. Unter französischer Vichy-Herrschaft wurden die Juden Algeriens Judenstatusgesetzen unterworfen, die Juden ihrer Rechte beraubten und sie zwang, Erkennungszeichen zu tragen und ihnen verbot, am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Wenn Juden über die Schrecken des Holocaust und anderer „Nakbas“ oder Katastrophen reflektieren, die unserem Volk im Laufe der Geschichte widerfahren sind, befassen wir uns nicht immer mit den langfristigen Folgen dieser Ereignisse auf die verursachenden Parteien, ihre Anhänger und ihre Verstorbenen. Nirgendwo ist dies wahrer als im Nahen Osten. Die Propaganda der Nazis über die Grenzen Europas zu verbreiten löste heftige Wellen arabischen Antisemitismus aus, die bis zum heutigen Tag weiter anwachsen.
Die Nazis stiessen im Nahen Osten auf fruchtbaren Boden, um ihre Propaganda zu verbreiten, teilweise wegen der antisemitischen Einstellungen und Richtlinien, die dort seit Jahrhunderten existierten. Antisemitismus in der arabischen Welt stammt aus den gewalttätigen arabischen Eroberungen und der Schaffung von Dhimmi-Gesetzen, die Juden in den arabischen Ländern auf einen minderwertigen Status zweiter Klasse degradieren. Zwar mag es zutreffen, dass es Juden unter islamischer Lehre in der arabischen Welt besser ging als unter der christlichen Lehre in Europa – die Tatsache bleibt, dass die Juden in den arabischen Ländern Bürger zweiter Klasse waren, die dem Willen und der Gnade des damals jeweils herrschenden arabischen Führers ausgesetzt waren. Juden in den arabischen Ländern und dem Iran waren nie frei und sie waren sicherlich nicht gleich.
Während Kritiker sagen mögen, dass arabische Führer wie Mohammed Amin al-Husseini sich an den Deutschen ausrichteten in ihrem rechtmässigen Streben, die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft zu gewinnen – so gibt es absolut keine Rechtfertigung für ihre Verkündung der antisemitischen Propaganda und der Verbreitung des antisemitischen Hasses. Diese arabischen Führer und ihre Vorfahren lebten seit Jahrhunderten Seite an Seite mit jüdischen Gemeinden, lange vor der europäischen Kolonialherrschaft, und ihr Hass auf Juden darf niemals unter keinem Kontext gerechtfertigt werden. Die arabische Welt muss die volle Verantwortung übernehmen für die Geschichte des Antisemitismus und die Vertreibung einiger 850’000 Juden, die in der arabischen Welt über 2’500 Jahre gelebt hatten, und die als mittelloser Flüchtlinge aus dem Land gezwungen wurden.
Viele im Nahen Osten verehren immer noch Mohammed Amin al-Husseinis Ideologien und seine Rolle als Gründer der Palästinensischen Befreiungsbewegung. Seine Verbreitung von Nazi-Propaganda beeinflusst weiter die höchsten Ränge der arabischen Führung. Mit 16 Jahren begann Jassir Arafat mit der Durchführung von Terror-Operationen unter Husseinis Führung und betrachtete ihn als primären Mentor. Gamel el Nasser, der die Kontrolle über Ägypten im Jahre 1956 übernahm, stellte Nazi-Funktionären einen Zufluchtsort, von denen einige angeblich halfen bei der Entwicklung antiisraelischer Propaganda. In der Zeit nach dem Krieg mit Israel 1967, wurden unter Nassers Befehl ägyptische jüdische Männer zusammengetrieben und in ägyptische Konzentrationslager geschickt. Erst letzte Woche hielt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas das Vermächtnis Husseinis lebendig, indem er öffentlich „jeden Tropfen Blut in Jerusalem begrüsst, der verschüttet wird.“
Antisemitismus in der arabischen Welt wächst weiter und in den letzten Wochen sind wir schmerzlich daran erinnert worden, wie verachtet und gehasst unsere alte und aktuelle Präsenz im Nahen Osten ist. Während die UNO eine Resolution verabschiedet, unterstützt von Algerien, Ägypten, Kuwait, Marokko, Tunesien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die die Höhle der Patriarchen und Rahels‘ Grab als muslimische Stätten bezeichnet, müssen wir weiterhin mit Schrecken zuschauen, wie junge, einer Gehirnwäsche unterzogene Palästinenser gewaltsam auf israelische Bürger einstechen – die Medien scheinen einzig besessen zu sein von Benjamin Netanjahus Aussagen über Palästinenserführer Mohammed Amin al-Husseini.
Statt Benjamin Netanyahu zu kritisieren und zu verurteilen für seine Kommentare über Mohammed Amin al-Husseini, ist dies eine Gelegenheit für die führenden Politiker der Welt und für die Medien, um das viel wichtigere und allgegenwärtige Problem des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit in der arabischen Welt anzusprechen und sie damit zu konfrontieren. Eine solche Stellungnahme kann der Öffentlichkeit dabei helfen, unser Verständnis des unvorstellbaren Masses an Antisemitismus zu verbreitern und zu vertiefen, das den Nahen Osten und Nordafrika plagt, und die laufende strukturelle und physische Gewalt, die gegen Israel gerichtet ist. Während die Schaffung des Staates Israel als die ultimative Erlösung für die Shoah und die ethnische Säuberung und Vertreibung der Juden aus arabischen Ländern gesehen wird, ist sie zu oft zu Unrecht als die Wurzel des Antisemitismus in der arabischen Welt angesehen und dafür verantwortlich gemacht worden. Was für eine unpräzise Einschätzung das doch ist.
Wenn ich über die Macht der Propaganda und des Antisemitismus nachdenke, kann ich mir nicht helfen, mich zu fragen, wo denn eigentlich die Reporter, Journalisten, Kommentatoren und linken Aktivisten bleiben, die bereit sind, einen unvoreingenommenen und kritischen Blick auf den tödlichen Hass zu richten, den Teile des Nahen Ostens heute ausspeichen? Wenn unsere Medien nicht bereit sind, die wirklichen Probleme des tief gesäten Antisemitismus, den alte und neue arabische politische Führer hegen, anzugehen, die Weigerung der Arabischen Liga, den jüdischen Staat Israel anzuerkennen, eine UNO, entschlossen, Israel zu untergraben, indem sie Palästinenser zu Wohlfahrtsgefangenen der eigenen arabischen Brüder macht, und eine Region geplagt von schweren Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen, Journalisten, LGBT-Communities, und gegen religiöse Minderheiten, sind sie dann mitschuldig?
Während Deutschland sich weiter um den Abschluss der schmerzhaften Geschichte des Antisemitismus des Landes bemüht, fährt die arabische Welt damit fort, Israel die Schuld zu geben, und standardmässig den Juden, für das Leiden ihres Volkes. Es gibt zu viele arabische Führer, die weiterhin Nazi-Propaganda verbreiten und Stolz nach dem Tod von Juden, wo immer sie gefunden werden, rufen. Sie fahren fort, die arabischen Führer zu verteidigen, die sich mehr auf die Vernichtung von Juden konzentrieren, denn auf das Wohlergehen des eigenen Volkes. Bis sie in der Lage sind, sich mit ihrem eigenen Hass abzufinden, wird ihre Selbstzerstörung weitergehen.
Grossartiger Artikel, klug die Hintergründe benannt und die Zusammenhänge erläutert. Es ist traurig das gerade die Linke progressive Eurpäische Jugend nicht auf der Seite Israels gegen den Hass auftritt. Ganz so negativ wie die Autorin möchte ich es aber nicht sehen, viele gute Menschen gerade Gewerkschafter und Linke stehen zu Israel, gegen Antisemitismus und Terror. Die Solidarität mit Israel wird einem durch Männer wie Netanjau nicht gerade leichter gemacht, denn mach ein dummer Spruch und mache Provokation blieb besser ungesagt oder besser noch ungedacht, um den Frieden zu ermöglichen wie schwierig es auch sein mag.
Mir gefällt dieser Artikel von Frau Levin ebenfalls sehr gut. Nur bei einigen Stellen, die Netanyahu betreffen, wird sie seltsam unscharf. Was hat Netanyahu denn so Kritikwürdiges gesagt? Dass er die aktive Zuarbeit hervorgehoben hat, die al-Husseini bei der Vernichtung der europäischen Juden innehatte, entspricht den Tatsachen. Dass Hitler auch ohne diesen arabischen Antisemiten seine entsprechenden Pläne umgesetzt hätte wurde von N. keineswegs bestritten. Wenn jemand konkrete Aussagen von N. anführen kann, die das Gegenteil belegen, bitte ich um präzise Angaben.
Mir scheint es, dass Netanyahu etwas sagt und fast ausnahmslos alle suchen nach einer Möglichkeit, ihm das Wort herumzudrehen und arbeiten sofort mit den üblichen Unterstellungen. Ich habe schon einige Vorträge von ihm gelesen und keine Aussagen gefunden, die den gerne kolportierten Verdacht stützen, bei ihm handle es sich um einen tumben „Rechtsradikalen“. Im Gegenteil. Aber bei konservativen Israelis fügt man quasi automatisch die Attribute rechts, rechtsradikal usw. an um nicht zuletzt die wohlfeile eigene „Progressivität“ ins rechte Licht stellen zu können.
@ Horst Schmitzberger
Ich würde Ihren Optimismus sehr gerne teilen. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass es gerade Linke sind, die heute eine aktive und verheerende Rolle innehaben, wenn es um die Diffamierung Israels und um antisemitische Positionierung geht. Ausnahme gibt es sicher, doch handelt es sich dabei um eine kleine Minderheit, die sich dessen zweifellos bewusst ist.