Big Brussels is watching you!
„EU-Papier: NetzDG soll europäisch werden, Provider sollen sogar Vorabzensur einführen“, berichtet Heise [1] unter der durchaus passenden Überschrift „Zensurfilter sollen über Europa kommen“. Unter anderem geht aus dem Artikel hervor: „So wird den Providern von der Kommission sogar die Anwendung von proaktiven Filterungstechnologien empfohlen, um Inhalte noch vor der Kenntnisnahme zu löschen.“ Super. Wenn wir jetzt noch die Leute einsperren, bevor sie das schreiben, was sie zukünftig falsch denken, dann haben wir eine schöne Mischung aus „1984“ und „Minority Report“.
Zwar versteigt sich der Autor auch zu dem seltsamen Kommentar, das „Gesetzesvorhaben dürfte Wasser auf die Mühlen EU-kritischer populistischer Parteien sein“ (unter normalen Umständen sollte so eine Idee jegliche Partei in nackte Panik versetzen!), aber er ist kein Dummer und weiß als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht durchaus, was er da schreibt. Und ich denke, wir wissen auch alle, was mit „empfohlen“ gemeint ist. Wenn man das #NetzDG als Vorlage nimmt, dürften die Strafandrohungen so lächerlich hoch sein, dass die Provider schon aus reinem Überlebenstrieb „gerne“ dieser Empfehlung vorauseilend folgen werden.
Endlich zeigt die EU ganz unverhohlen ihr wahres Gesicht. Das wurde auch Zeit. Ob es daran liegt, dass das „Internet für uns alle noch Neuland ist“ (zumindest bei Frau Merkel), weiß ich nicht, aber das ist auch wurscht. Denn die Idee, zunächst die öffentliche Meinung (Medien) zu kontrollieren und dann die Kommunikationskanäle der Opposition zu zerschlagen, bevor es ans Eingemachte geht, ist damit zwar grundsätzlich gemäß dem Diktatur-Handbuch in der korrekten Reihenfolge abgearbeitet, aber: Die EU ist ein bisschen sehr spät dran damit. Die Büchse der Pandora ist doch schon längst sperrangelweit offen!
Hier sieht man eindrucksvoll, wie wichtig das richtige Timing ist. Knapp daneben, auch wenn es nur zehn oder zwanzig Jahre sind, ist eben trotzdem vorbei. Und auch die alte Filmerkenntnis, dass es wenig hilfreich ist, als Oberschurke noch mal eben in aller Ausführlichkeit den Master-Plan für die Weltherrschaft zu erläutern, damit der vermeintlich besiegte Held ausreichend Zeit hat, sich seine Geheimwaffe aus der Arschritze zu pfriemeln… nun, wir wissen alle, wie das gewöhnlich endet. Keine gute Idee. Entweder labern oder machen.
Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass sie jetzt auf die Idee kommen, das Feuer mit Benzin zu löschen. Das macht die ganze Sache so unendlich viel einfacher. Nun kann ich mir die blumigen Metaphern sparen — es ist nicht mehr „wie in 1984“, es ist 1984. Nur schlimmer. Und das Datum stimmt nicht. Egal. Diese (zum Glück) reichlich verspäteten, ebenso hilflosen wie unverhältnismäßigen Versuche, die garstigen Meinungen noch irgendwie unter Kontrolle zu bekommen, dürften ausreichend viele Kollateralschäden verursachen, damit es auch dem letzten Schlafschaf dämmert. Ja, es ist tatsächlich exakt das, wonach es aussieht.
Der Grund, warum ich über diese dramatische Entwicklung so locker flockig schreibe, liegt darin, dass sich die EU dabei genau so dämlich anstellt, wie man es ihr zutraut. Mein Provider beispielsweise hat keinen blassen Schimmer, welche Nullen und Einsen er in dem Datensalat zensieren sollte, den er zu sehen bekommt. Klar, sie könnten natürlich noch auf die glorreiche Idee kommen, sprichwörtlich das Internet abzuschalten. Das wird aber spätestens dann interessant, wenn Brüssel anfängt, amerikanische und russische Satelliten abzuschießen…
Das ist keineswegs eine Entwarnung; es entbindet den Einzelnen nicht von der Aufgabe, sich technisch und moralisch für den denkbar schlimmsten Fall zu wappnen. Ich habe keine Ahnung, wie unappetitlich diese Geschichte noch wird (und ich habe schon Einige gesehen, da ist noch Luft nach unten), aber mal unter uns: Brüssel steht gerade mit heruntergelassenen Hosen da. Zeit, Lupe und Pinzette auszupacken und mal kräftig an den Nüsschen zu rütteln!
[1] https://www.heise.de/tp/news/Zensurfilter-sollen-ueber-Europa-kommen-3849140.html