Jamaika bröckelt vor dem Start
Wie diese lustige Flickentruppe aus Union, FDP und Grünen die nächsten vier Jahre im Bundestag gemeinsam überstehen will, falls sie überhaupt eine Koalition auf die Reihe bekommt, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Die realistische Antwort lautet vermutlich: Gar nicht. So viel Gras können die Grünen unmöglich beschaffen.
Denn was für Außenstehende wie „die rennen doch alle in die selbe, falsche Richtung, nur eben unterschiedlich schnell“ aussieht, bereitet den Beteiligten offenbar schlaflose Nächte, noch bevor die Tinte hergestellt wurde, die möglicherweise auf einem unterschriebenen Koalitionsvertrag irgendwann trocknen könnte. So torpediert beispielsweise Grünen-Altlast Jürgen Trittin genüsslich das langsam sinkende Boot der Union und schwingt sich zum Religionsexperten auf:
In der Rheinischen Post, schreibt die WELT dort ab, kritisiert er die Unionsforderung nach weiterer Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge. „Dabei habe sich die CSU durchgesetzt, die ‚dauerhaft den Familiennachzug unterbinden‘ wolle. […] Dies laufe nicht nur allen Integrationsbemühungen entgegen, sondern sei auch eine ‚Verleugnung urchristlicher Werte‘.“ [1]
Also. „Du sollst möglichst viele Muslime ansiedeln“ ist kein urchristlicher Wert. Ich habe extra noch mal in der Bibel nachgeschaut, weil ich mir da selbst nicht ganz sicher war (immerhin stehen da jede Menge wunderliche Geschichten drin). Wohlgemerkt, es geht hier um Asyl und subsidiären Schutz, nicht etwa um Einwanderung. Selbstredend sind dabei „Integrationsbemühungen“ hinderlich, immerhin sollen die Leute ja schnellstmöglich wieder nach Hause gehen und nicht hier Wurzeln schlagen!
Mal davon abgesehen, was haben CDU und CSU mit dem Christentum zu tun? Das wäre genauso absurd, als würde sich die SPD plötzlich mit sozialen Themen beschäftigen… Immerhin, dies hat Herr Trittin zutreffend erkannt: „Die von CDU und CSU geplanten sogenannten Entscheidungs- und Rückführungszentren seien zudem ’nichts anderes als die Abschiebezentren‘.“ Stimmt. Im Gegensatz zu seiner Partei möchte die Union das nächste Jahrzehnt politisch überleben. Wird ohnehin schwierig.
„CDU und CSU hatten sich darauf geeinigt, dass die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen bei 200.000 pro Jahr liegen soll, das Recht auf Asyl aber unangetastet bleibt. Das Wort ‚Obergrenze‘ kommt in dem Beschluss nicht vor“, heißt es weiter in der WELT, der dieser Umstand scheinbar überhaupt nicht verdächtig vorkommt. Übrigens, die 200.000 pro Jahr sind eine AfD-Forderung (genau wie das von der FDP geklaute Einwanderungsgesetz). Allerdings Minuszuwanderung! Bleiben humane Schulden in Höhe von 400.000. Pro Jahr.
Übrigens, die FDP hat bei aller Unfähigkeit doch Humor: „FDP und Grüne seien nicht ‚dazu da, Mehrheiten herzustellen für Überlegungen der Union‘, sagte Kubicki im Rundfunk Berlin-Brandenburg.“ Nee, ist klar, die CDU redet mit diesen Kleinstparteien, weil sie sich nach jemandem sehnt, mit dem sie auf Augenhöhe verhandeln kann. Parteien mit Rückgrat, die nicht mit jedem in die Kiste steigen. Wie die FDP.
Damit diese Geschichte doch noch ein christliches Ende findet, meldet sich der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Marx, zu Wort (wurde der auch zu den Koalitionsgesprächen eingeladen?): „Wer auf Dauer in Deutschland bleibe oder geduldet sei, müsse seine engsten Familienangehörigen zu sich holen können.“
Warum? Zunächst mal ist dieser Aufenthalt ja nicht auf Dauer angelegt. Sollten die Familienangehörigen ebenfalls ein Asylverfahren erfolgreich durchlaufen, weil gute Gründe dafür vorliegen, macht es sicherlich Sinn, alle Beteiligen möglichst zusammenzuführen. Selbstverständlich. Aber so läuft das ja nicht. Da kommen Leute „einfach so“, ohne Not, ohne Verfahren, die sind dann einfach da und tauchen in keiner Flüchtlingsstatistik auf.
Die absolute Mindestforderung, wenn man sich überhaupt auf dieses Gedankenexperiment einlassen will, müsste also konsequent lauten: Die Familienangehörigen dürfen auch einen Asylantrag stellen, meinetwegen sogar mit Priorität. Sollte sich dabei allerdings herausstellen, dass kein Anspruch besteht, weil die Familie gar nicht verfolgt wird oder anderweitig in Gefahr ist, böte sich dann konsequenterweise eine Zusammenführung außerhalb Deutschlands an.
Scheint so, dass wir uns bis zu den vorgezogenen Neuwahlen damit zufrieden geben müssen, nach und nach von unseren klügeren Nachbarstaaten eingemauert zu werden. Vielleicht ist es ganz gut so. Das Schwarz-Gelb-Grüne Experiment zeigt jedenfalls eindrucksvoll, dass es tatsächlich egal ist, wen man wählt: Man bekommt immer die selbe Politik in verschiedenen Nuancen. Außer man wählt AfD.