Warum die kulturelle Elite Chanukka so richtig verachtet
Ari Lamm, 9.12.2020, NYPost.com
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
Der unbeliebteste jüdische Feiertag unserer kulturellen Eliten ist da: Chanukka, natürlich.
Warum hat Chanukka jeden verärgert, vom verstorbenen Christopher Hitchens, der ihn als „Feier der jüdischen Rückständigkeit“ verspottete, bis zur Autorin Sarah Prager, die kürzlich auf den Seiten der New York Times erklärte, dass sie ihren Kindern nichts darüber beibringen wird?
Nun, der Grund ist der, dass Chanukka so wenig mit dem zeitgenössischen Elitenkonsens übereinstimmt, wie eine religiöse Tradition nur kann.
Falls Sie die Geschichte schon länger nicht mehr gelesen haben, hier ist sie. Eines schönen Tages im Jahr 167 v. Chr. versammelte sich eine Menge von Juden auf dem Stadtplatz von Modi’in, einem Vorort von Jerusalem.
Sie waren dort, weil das Seleukidenreich – die Nachfolger der expansiven Dynastie Alexanders des Großen – kürzlich in die Stadt eingezogen war. Die Eroberer glaubten, dass ihre griechische Kultur der einzige Weg zur Erleuchtung sei. Die Seleukiden hatten sich vorgenommen, dieses eigenartig sture Volk, die Juden, zu hellenisieren, und sie suchten nach der richtigen Art von jüdischen Kollaborateuren – Sie wissen schon, solche, die nicht zu bärtig oder zu seltsam waren – um den Rest der Einheimischen davon zu überzeugen, ihren rückständigen Berggott und ihre primitiven Gesetze aufzugeben.
Und dann, gerade als einer dieser hellenisierenden Juden auftrat, um dem allmächtigen Zeus zu opfern, trat ein Priester namens Mattathias aus der Menge hervor. Da er keinerlei Geduld für Götzendienst hatte, tötete der feurige Eiferer nicht nur den jüdischen Kollaborateur, sondern auch den seleukidischen Gouverneur. Mattathias löste damit einen Krieg aus – teils ein innerjüdischer Konflikt, teils eine Rebellion gegen die griechische kaiserliche Macht – der mit dem viel beachteten Sieg des Priesters und seiner Söhne, den Makkabäern, endete, unterstützt von einem wundersamen Bottich Öl.
Worum geht es also bei Chanukka wirklich?
Ganz einfach: Es geht um die Verwurzelung der Tradition gegen den Imperialismus des Kosmopolitismus. Wenn man zu dieser Zeit Jude war, hatte man im Grunde zwei Möglichkeiten: Man konnte die Schönheit seines angestammten Erbes lieben und es lieben, egal was passiert, oder man konnte zusehen, wie die herrschende Klasse versuchte, die soziale Ordnung nach ihrem eigenen universalistischen Bild neu zu erschaffen — und hoffen, dass seine Akzeptanz durch die Mächtigen irgendwie den Verlust von Familie, Gemeinschaft und Tradition ersetzen würde.
Plus ça change… Das ist der Grund, warum die Geschichte von Chanukka immer noch so vielen Menschen, vor allem in elitären, technokratischen Kreisen, ein Unbehagen bereitet. Im Gegensatz zu anderen jüdischen Feiertagen, wie etwa Pessach, lässt sich dieses Fest nicht auf eine abgespeckte Feier bürgerlicher, liberaler Werte reduzieren: „Es geht darum, auf lange Reisen der Selbstentdeckung zu gehen!“ „Es geht um die unendliche Suche nach Toleranz und Inklusion!“
Chanukka ist eine Geschichte über nationales und religiöses Streben, über die Schönheit, die aus der Zugehörigkeit zu etwas Bestimmtem entsteht. Und wie die Weigerung, den leeren Pfründen der herrschenden Klasse jener Zeit zu folgen, das jüdische Volk zusammenhielt. Es ist eine Geschichte, die die Mandarine der liberalen Moderne in Schrecken versetzt. Doch sie sollte den Rest von uns beruhigen.
Erinnern Sie sich doch daran, dass die größten Momente in der amerikanischen Geschichte nicht dann gekommen sind, wenn wir uns von unseren traditionellen Quellen abgetrennt haben, sondern wenn wir sie gesegnet haben. Denken Sie an Abraham Lincoln, der die Unabhängigkeitserklärung eher als Anspruch denn als Tatsachenbeschreibung neu interpretierte, oder an Martin Luther King Jr., der die Geschichte von Moses für eine Nation, die immer noch in der Vergötterung des Rassismus verstrickt war, neu erzählte.
Machen wir uns nichts vor: Der amerikanische Kulturkrieg geht nirgendwohin, und er ist zunehmend kein Krieg zwischen links und rechts, Demokraten und Republikanern, den Küsten und dem Kernland. Vielmehr stehen wir zwei radikal unterschiedlichen Visionen der Gesellschaft gegenüber. Die eine sieht die Idee der Verwurzelung als Hemmschuh für Fortschritt und Wohlstand. Sie betrachtet Tradition bestenfalls als einen weiteren amüsanten Zeitvertreib wie Vogelbeobachtung oder Online-Gaming, den man beim ersten Anzeichen von Unannehmlichkeiten einfach wegwirft – schlimmstenfalls als den Feind wahrer menschlicher Erfüllung, die von uns verlangt, dass wir uns von aller überlieferten Weisheit und allen ererbten Verpflichtungen befreien.
Aber es gibt auch diejenigen von uns, die die Lektion von Chanukka gelernt haben. Wir erkennen, dass die Eile, unsere alten Traditionen zu denunzieren, bedeutet, das größte gesellschaftliche Gut zu vergeuden, das wir haben. Denn gerade wenn wir verstehen, dass wir von irgendwoher kommen – dass unsere Vergangenheit uns in der Gegenwart Verpflichtungen auferlegt – werden wir dazu beitragen, eine amerikanische Zukunft zu schaffen, die nicht nur großartig, sondern gut ist.
Frohes Chanukka.
Rabbi Ari Lamm ist Geschäftsführer von Bnai Zion und Gründer von The Joshua Project.
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