Ein iranischer Traum: „Warum kann ich nicht tanzen?“
Majid Rafizadeh, 18.8.2018, Gatestone Institute
aus dem Englischen von Daniel Heiniger
- Für Menschen im Westen mag es unmöglich erscheinen, dass Tanzen zu einem Verbrechen wird. Doch wenn die Scharia Gesetze auferlegt werden, kann jeder unschuldige Akt von „Spaß“ plötzlich zu einem Verbrechen werden.
- Maedeh Hojabri hat Videoclips von sich selbst auf Instagram gepostet. Für dieses „Verbrechen“ wurde die 19-jährige Frau verhaftet, ohne Gerichtsverfahren und ohne Gelegenheit zur Selbstverteidigung ins Gefängnis geworfen und öffentlich mit einem im Fernsehen übertragenen Geständnis ihres „Verbrechens“ beschämt.
- Wen wird die Moralpolizei als Nächstes abholen?
Eine muslimische Mutter im von der Scharia regierten Land Iran sprach über ihre 10-jährige Tochter: „Sie fragte mich: Warum kann ich nicht tanzen? Wir tanzen, weil wir glücklich sind. Wie kann Glück falsch sein? Warum ist Tanzen ein Verbrechen?'“ Sie sprach über die Verwirrung in den Augen ihrer Tochter. „Es ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann.“
Das Leben ihrer Tochter habe sich verändert, sagte sie, als sie hörte, dass eine 19-jährige Frau namens Maedeh Hojabri zur Zielscheibe der islamistischen „Moral“-Polizei des Iran geworden sei. Ihr Verbrechen? Video-Clips von sich selbst beim Tanzen auf beliebten weltweiten Social Media-Sites, wie Instagram, zu posten. Die Folgen für eine solche Tat sind gravierend. Wie andere junge Frauen, die Videoclips von sich selbst beim Tanzen posteten, wurde Hojabri verhaftet, ohne ein ordentliches Verfahren und ohne die Möglichkeit, sich zu verteidigen, ins Gefängnis gesteckt und öffentlich mit einem im Fernsehen übertragenen Geständnis ihres „Verbrechens“ beschämt.
Hojabris Tanzvideos auf Instagram machten sie zu einer beliebten Figur auf Instagram im Iran, und sie gewann Hunderttausende von Anhängern auf der Social Media Plattform. Stell dir vor, wie sie behandelt werden würde, wenn sie im Westen leben würde. Sie wäre wahrscheinlich als talentiert angesehen worden, ihr wären Chancen nur so zugeflogen, sie wäre in populäre Shows eingeladen und für Radio- und Fernsehprogramme gesponsert worden.
Doch in einem von der Scharia regierten Staat wie der Islamischen Republik Iran halten die Behörden Menschen wie Hojabri für schändliche Kriminelle. Die Ironie ist, dass es viele der extremistischen Führer ihres Landes – ein staatlicher Terrorismussponsor – sind, die als Kriminelle betrachtet werden sollten. Das sind die Männer, die Hojabri und andere wie sie – die einfach nur Freude verbreiten wollen – als eine unerträgliche Gefahr für ihr Land ansehen.
Heiterkeit und Tanz können das Leben eines Volkes, das mit wirtschaftlichen Kämpfen, politischen Unruhen, Zensur und allgemeiner Not konfrontiert ist, zum Positiven verändern. Im Iran jedoch werden diese einfachen Sonnenstrahlen durch Einschüchterung, Scharia-Gerichte und Haft vergolten. Das Ergebnis sind allzu oft erzwungene Geständnisse, die die Islamistische Republik Iran ausstrahlt, um ihre Bedenken zu bestätigen und jeden zu bedrohen, der nach dem Betrachten dieser Videos in Erwägung zieht, selbst zu tanzen.
Das bringt uns zurück zur Frage des 10-jährigen Mädchens: „Warum kann ich nicht tanzen? Warum ist Tanzen ein Verbrechen?“
So schwierig es auch sein mag, sich vorzustellen, wie das Tanzen zu einer Verhaftung führen könnte, so schwierig ist es für ein Kind, sich der Welt um es herum bewusst zu werden, das jetzt befürchtet, dass es von der islamistischen Moralpolizei hinweggefegt werden könnte, nur weil es Freude ausdrückt.
Was hat es mit dem Tanzen auf sich, das viele islamische Religionsführer so beunruhigt und erschreckt? Warum wird von islamistischen Gruppen so viel Wert darauf gelegt, dass Mädchen gehirngewaschen werden, zu glauben, dass Tanzen eine unverzeihliche Sünde sei?
Es wird zum Teil ein Versuch sein, das sexuelle Verlangen zu unterdrücken, welches Tanzen oder beim Tanzen zuschauen erregen kann, und zum Teil der Wunsch, Frauen unter dem Vorwand, sie „rein“ und scheinbar frei von sexuellem Verlangen zu halten, zu kontrollieren, einzuschränken und zu unterwerfen.
Die Kontrolle des Körpers einer Frau war schon immer eine zentrale Säule des Scharia-Rechts im Iran. Wie auch die Verhängung des Scharia-Rechts im Iran gezeigt hat, haben islamistische Gesetze die Überwachung und Kontrolle aller Aspekte des täglichen und privaten Lebens eines jeden Bürgers Priorität. Dieses Maß an Überwachung und Bestrafung scheint darauf angelegt, eine Atmosphäre der Angst in der gesamten Gesellschaft zu schaffen: Die Menschen sind sich immer bewusst, dass sie beobachtet werden.
Darüber hinaus ist für radikale und extremistische Muslime alles verboten, was als „Spaß“ bezeichnet werden kann. Nicht nur aus religiösen Gründen, sondern vor allem aus politischen Gründen. Für fundamentalistische islamische Führer werden Menschen, die sich an Spaß-Aktivitäten wie Tanzen und Partys beteiligen, weniger ängstlich. Das hat zur Folge, dass weniger ängstliche Menschen eher die vom Scharia-Staat gesetzten Grenzen überschreiten und gegen den Staat rebellieren. Dies wird als Bedrohung für die Macht angesehen, die islamistische Führer über ihr Volk ausüben.
Aus der Sicht extremistischer Muslime könnte eine Frau, wenn sie tun darf, was sie will, anfangen, für ihre Rechte einzutreten, „Unreinheit“ riskieren, finanzielle Unabhängigkeit erlangen und ermutigt werden, den Status eines unterwürfigen und zweitklassigen Bürgers abzulehnen, der ihr von den religiösen Behörden bei ihrer Geburt verliehen wurde.
Doch wie zu erwarten ist, schafft eine solche Verhängung der Scharia auch Widerstand, besonders bei Frauen und Mädchen, die, wie so viele von uns, Freiheit suchen. Deshalb, nachdem Mädchen wie Maedeh Hojabri verhaftet wurden, beginnen mutige Frauen, sich der gleichen Sache anzuschließen, indem sie ihre eigenen Tanzvideos veröffentlichen und Hojabris Tänze imitieren.
Die Lehre des Scharia-Rechts sollte in Moscheen, Schulen und in der ganzen Gesellschaft aufmerksam beobachtet werden. Für die Menschen im Westen mag es unmöglich erscheinen, dass Tanzen zu einem Verbrechen wird. Doch wenn die Scharia-Gesetze auferlegt werden, kann jede unschuldige „Spaß“-Handlung plötzlich zu einem Verbrechen werden.
Vorerst kann das 10-jährige Mädchen nur auf eine Zeit hoffen, in der es frei tanzen kann, während ihre Mutter weiter nach Antworten suchen muss. In den meisten Teilen der Welt können Mädchen hüpfen, sich drehen und vor Freude schreien – aber für viele Mädchen wird der kleinste Hüpfer als Verbrechen angesehen. Wen wird die Moralpolizei als Nächstes abholen?
Dr. Majid Rafizadeh ist ein in Harvard ausgebildeter Wissenschaftler, Geschäftsmann, Politikwissenschaftler, Vorstandsmitglied der Harvard International Review und Präsident des International American Council on the Middle East. Er ist Autor mehrerer Bücher über den Islam und die US-Außenpolitik. Er ist erreichbar unter Dr.Rafizadeh@Post.Harvard.Edu
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Erstveröffentlichung hier. Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des Gatestone Instituts.
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