Frage: Warum stechen Tibeter nicht auf Chinesen ein?
Yosef Hartuf, 12. November 2015, Love-of-the-Land Blog
…Relative Deprivation kann Menschen zu Reaktionen anstacheln, aber ob sie konstruktiv oder destruktiv reagieren ist durchaus ihre eigene Entscheidung. Palästinenser hätten sich entscheiden können, amerikanische Bürgerrechtler nachzumachen und konstruktiv auf ihre relative Deprivation zu reagieren – beispielsweise durch die Annahme eines von Israel wiederholten Angeboten von Eigenstaatlichkeit. Dass sie sich stattdessen entschieden haben, mit wiederholten Ausbrüchen von bösartiger Gewalt zu reagieren, hat überhaupt nichts zu tun mit irgendetwas, was Israel getan hat, und alles mit ihrer eigenen Kultur und Führung.
Evelyn Gordon
Analyse aus Israel
11. November 2015
Die Idee, dass die jüngste Welle von palästinensischem Terror eine verständliche (wenn auch verwerfliche) Reaktion auf israelische Aktionen ist, scheint Glaubwürdigkeit zu gewinnen unter linken Juden. Nachdem Peter Beinart ein Laienversion dieser Theorie letzte Woche in einer Rede in Los Angeles vortrug, kleidete sie Soziologie-Professor Samuel Heilman in akademischen Jargon für einen Haaretz Leitartikel in dieser Woche. Die Theorie hat viele Probleme, und Jonathan Tobin diskutiert einige davon in seinem Beitrag am Dienstag. Aber ich möchte noch hinzufügen: Sie schlägt komplett fehl, um zu erklären, warum andere ethnische Gruppen in vergleichbaren Situationen nicht mit periodischen Ausbrüchen von bösartiger Gewalt reagieren. Die Tatsache, dass diese palästinensische Antwort bei weitem nicht universell ist, begründet, dass sie nicht von ihrer „relativen Deprivation“ stammt, um Heilmans gelernten Begriff zu zitieren, sondern von etwas, das spezifisch ist für die palästinensische Kultur und Haltungen.
Wo das Argument zusammenbricht, ist, mit seiner Behauptung, dass diese Frustration sie ganz natürlich zum „explodieren und einschlagen auf alles, was die jüdische Strasse entlang läuft“ bringt. Oder wie Beinart es ausdrückte, dass „der heutige palästinensische Terrorismus eine monströse, wahnsinnige Reaktion auf Israels Verneinung grundlegender Rechte der Palästinenser sei.“ Denn wenn das wahr ist, dann sollten vergleichbare Sachverhalte anderswo auf der Welt zu vergleichbaren Ausbrüchen von Gewalt geführt haben. Doch das haben sie nicht.
Nehmen wir zum Beispiel Tibet, das von China seit 1951 besetzt ist – länger als Israel die Westbank kontrolliert. Die Besetzung hat sicherlich nicht zum Wohlstand in Tibet geführt, welches die höchste Armutsrate in China hat. Darüber hinaus hat sich Peking bemüht, die tibetische Kultur und Religion auszurotten, ein Prozess, der seinen Höhepunkt erreichte, als die Regierung das Recht, den nächsten Panchen Lama auszuwählen, beanspruchte, der zweithöchste Posten in der religiösen Hierarchie des tibetischen Buddhismus. Im Kontrast dazu respektiert Israel dagegen gewissenhaft die palästinensische Religionsfreiheit. Schliesslich hat der Zustrom von Han-chinesischen Siedlern nach Tibet dazu geführt, dass ethnische Tibeter nun eine Minderheit in „Gross-Tibet“ sind, während die Palästinenser trotz der gross gehypten Siedlertätigkeit Israels, weiterhin eine überwältigende Mehrheit in der Westbank bleiben.
Daher würde man nach dem Heilman / Beinart-Standard erwarten, dass Tibeter auf ihre relative Deprivation mit periodischen Wellen von bösartiger Gewalt gegen die Chinesen reagieren. Doch das ist nicht geschehen. Stattdessen gab es eine Welle von Selbstverbrennungen, und selbst diese waren dünn gesät. Nach Angaben der International Kampagne für Tibet haben sich 143 Tibeter als ein Akt des Protestes angezündet seit Februar 2009 – eine erschreckende Zahl, aber auf fast sieben Jahre verteilt. Im Vergleich dazu gab es 65 palästinensische Messerstecherangriffe allein in den letzten sechs Wochen.
Kurz gesagt, etwas in Tibets Kultur oder Führung sorgte dafür, dass Tibeter sehr unterschiedlich auf „relative Deprivation“ reagieren, als Palästinenser.
Betrachten wir einmal die amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Amerikanische Schwarze in der Mitte des 20. Jahrhunderts haben zweifellos unter relativer Deprivation gelitten. Trotzdem sie US-Bürger waren, wurden Schwarzen aus dem Süden oft grundlegende Rechte verweigert, wie das Recht zu wählen, und sie mussten getrennte Busse, Schule, Parks und Brunnen benutzen, und natürlich waren sie auch weit ärmer als Weisse. Somit würde man gemäss dem Heilman / Beinart-Standard erwartet haben, dass sie mit periodischen Wellen von bösartiger Gewalt gegen amerikanische Weisse reagieren.
Doch das ist nicht geschehen. Gelegentlich gab es gewalttätige Ausschreitungen, aber es gab keine massenhaften Wellen von Messerstechereien, Schiessereien oder Selbstmordattentate von Schwarzen. Stattdessen entschied sich die Bürgerrechtsbewegung für gewaltfreien zivilen Ungehorsam. Etwas in der amerikanjischen schwarzen Kultur von Mitte des 20. Jahrhunderts, oder ihrer Führung, sorgte dafür, dass amerikanische Schwarze ganz anders reagierten, als Palästinenser reagiert haben.
Noch ist es schwierig, herauszufinden, was dieses „etwas“ ist. Der verehrte spirituelle Führer der Tibeter, der Dalai Lama, predigt unermüdlich Gewaltlosigkeit. Schwarze Bürgerrechtler, von Martin Luther King, Jr. angeführt, haben ebenfalls unermüdlich Gewaltlosigkeit gepredigt. Und diese Nachricht wurde auch von anderen Institutionen der Zivilgesellschaft, vor allem von tibetischen Klöstern und schwarzen Kirchen verstärkt.
Im Gegensatz dazu ist die palästinensische Kultur durchtränkt von der Unterstützung der Gewalt und des Hasses auf Juden und Israelis, wie Daniel Polisar hingewiesen hat in einer umfassenden Analyse palästinensischer Meinungsumfragen für das Mosaik-Magazin diesen Monat. Palästinensische Kleriker, politische Beamte und Medien verunglimpfen Juden routinemässig als „Affen und Schweine“, verherrlichen Terroranschläge (siehe zum Beispiel hier, hier und hier) und stacheln aktiv zur Gewalt auf (siehe zum Beispiel hier oder hier). Und das in der „moderaten“ palästinensischen Autonomiebehörde. Hamas, unnötig zu sagen, ist noch schlimmer (wie der Gaza Kleriker, der junge Palästinenser dringend dazu aufgefordert hat, „Juden in Körperteile zu stechen“).
Relative Deprivation kann Menschen zu Reaktionen anstacheln, aber ob sie konstruktiv oder destruktiv reagieren ist durchaus ihre eigene Entscheidung. Palästinenser hätten sich entscheiden können, amerikanische Bürgerrechtler nachzumachen und konstruktiv auf ihre relative Deprivation zu reagieren – beispielsweise durch die Annahme eines von Israel wiederholten Angeboten von Eigenstaatlichkeit. Dass sie sich stattdessen entschieden haben, mit wiederholten Ausbrüchen von bösartiger Gewalt zu reagieren, hat überhaupt nichts zu tun mit irgendetwas, was Israel getan hat, und alles mit ihrer eigenen Kultur und Führung.
Link: http://evelyncgordon.com/why-arent-tibetans-knifing-chinese/
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