1967 | Die Globale Linke und der Sechstagekrieg
Jeffrey Herf, Anfangs April 2017, Fathom
Jeffrey Herf ist distinguierter Universitätsprofessor in der Abteilung für Geschichte an der Universität von Maryland, College Park, USA. Er veröffentlichte im Jahr 2016 Undeclared Wars with Israel: East Germany and the West German Far Left, 1967-1989 (Cambridge University Press). In dieser Sonderausgabe für 1967 untersucht er die Reaktionen der Westdeutschen Linken und des kommunistischen Regimes in Ostdeutschland auf den Sieg Israels im Jahre 1967. Beide zeigten ‚eine Art von Vergesslichkeit gegenüber den Ähnlichkeiten zwischen älteren antisemitischen Stereotypen böser und mächtiger Juden und den Angriffen auf den Zionismus und Israel als inhärent aggressiv, rassistisch und sogar genozidal‘.
DEFINITION DER ‘INTERNATIONALEN LINKEN’
Beim Reflektieren über die Art und Weise, wie der Sechstagekrieg auf die Sicht der internationalen Linken auf Israel eingewirkt hat, ist es notwendig, Begriffe zu definieren. Im Jahre 1967 bezog sich der Ausdruck „internationale Linke“ auf vier Phänomene: die Sowjetunion, ihre Warschauer Pakt-Verbündeten und die kommunistischen Parteien auf der ganzen Welt, die in Moskau nach Führung suchten; das maoistische China und die maoistischen Gruppen, die es inspiriert hat; Linke Regierungen und Bewegungen in dem, was damals „die dritte Welt“ genannt wurde; Und die globale „Neue Linke“ am stärksten in Westeuropa, Japan und den USA. Mitte der 1950er Jahre hatten die ersten drei breiten Strömungen der internationalen Linken ihre Feindseligkeit gegenüber Israel vollkommen klar gemacht. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten hatten begonnen, die arabischen Staaten in den 1950er Jahren zu bewaffnen. Maos China eröffnete 1965 in Peking ein Büro der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Die „blockfreien“ Nationen in der UNO hatten Israel schon lange vor dem Krieg auf der falschen Seite der globalen Kluft zwischen Imperialismus und Antiimperialismus platziert. Für diese drei Strömungen, die die Mehrheit der Menschen und Organisationen der internationalen Linken darstellten, änderte der Krieg ihre Ansichten über Israel nicht. Vielmehr gab er die Gelegenheit, kräftig schon lange gehegte Ansichten und Politik auszuspechen. Es war nur in der Neuen Linken in Europa und den USA, wo der Krieg einen Bruch verursachte von der vergangenen linken Empathie und Unterstützung für Israel zu einer Ära des Antagonismus, die bis zur Gegenwart besteht. Die Reaktionen des ostdeutschen kommunistischen Regimes und die der Westdeutschen Neuen Linken auf den Sechstagekrieg verdeutlichen diese globale Entwicklung.
DIE KONTINUITÄT DER ANTI-ISRAEL-POLITIK IN OSTDEUTSCHLAND
Im Juni 1967 stellte die ostdeutsche Regierung, bekannt als die Deutsche Demokratische Republik (im folgenden Ostdeutschland genannt) klar, dass sie ein leidenschaftlicher Anhänger der arabischen Staaten und ein bitterer Feind des Staates Israel war. Damit setzte sie, zusammen mit ihren Verbündeten des Warschauer Paktes, eine Politik fort, die 1949 begonnen hatte. Im Zuge der „antikosmopolitischen Säuberungen“ von 1949 bis 1956 im Sowjet-Block verurteilte die ostdeutsche Führung Israel als Zweig Des westlichen und besonders des amerikanischen Imperialismus. Jene Kommunisten, die dachten, enge Beziehungen zu Israel seien das logische Ergebnis des kommunistischen Antifaschismus, wurden gesäubert und als Werkzeug einer internationalen zionistischen und amerikanischen Verschwörung denunziert. Die Säuberungen definierten den Sinn des Antifaschismus im sowjetischen Block neu. Wie die Unterstützung des sowjetischen Außenministers Andrej Gromyko für den UNO-Partitionsplan im Jahre 1947 beweist, führte der sowjetische Antifaschismus während des Zweiten Weltkrieges und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren zu einer kurzen Zeit des sowjetischen Zionismus und zur Unterstützung eines jüdischen Staates in Palästina. Während des Slansky-Prozesses in Prag und dann in den Säuberungen in Ost-Berlin im Winter 1952-1953 stellten Stalin und Stalinisten die Sprache des Antifaschismus und des Antiimperialismus in den Dienst der Angriffe auf den Zionismus und Israel. Der Bruch von der Kriegs-Solidarität mit den Juden Europas zum Nachkriegs-Antagonismus zum Zionismus und Israel war eine vollkommene Tatsache, wie die Hinrichtungen in Prag von Slansky und 10 anderen und die Verhaftungen von pro-israelischen Kommunisten in Ost-Berlin Ende 1952 gezeigt haben.
Ab Mitte der 1950er Jahre wurden die Sowjetunion und ihre Warschauer Pakt-Verbündeten zum primären militärischen Lieferanten der arabischen Staaten im Krieg mit Israel. Laut den Berichten der Central Intelligence Agency lieferte Ostdeutschland mit einer Bevölkerung von nur 17 Millionen Menschen und einer sehr kleinen Rüstungsindustrie von den 1950er und 1970er Jahren nur 3 Prozent der sowjetischen Militärlieferungen in den Nahen Osten. Doch die Tatsache, dass eine deutsche Regierung so bald nach dem Holocaust eine einzige Kugel an Staaten und Organisationen, die im Krieg mit Israel waren, schickte, war eine bemerkenswerte und zu oft übersehene Entwicklung. Dass diese Hilfe für jene, die den jüdischen Staat angreifen, unter dem Banner des Antifaschismus stattfand, war eine bittere Ironie. Darüber hinaus hatte die ostdeutsche Regierung nie diplomatische Beziehungen zu Israel. Sie verurteilte die westdeutschen Reparationszahlungen an die Überlebenden des Holocaust als zynische Bemühung, bei der Wiederherstellung des westdeutschen Kapitalismus zu helfen. Im Einklang mit der Politik des langjährigen Antagonismus gegenüber Israel und der Partisanenschaft für die arabischen Staaten schickte die DDR Waffen nach Ägypten, geführt von Gamal Abdul Nasser und dem von Baathisten regierten Syrien, geführt von Hafez al-Assad seit 1970. Anfangs April 1967 hatte Ostdeutschland 20 MiG-17F Kampfjets nach Ägypten geschickt. Im Juli schickte es 30 weitere. Allein im Juni 1967 umfaßten die ostdeutschen Lieferungen nach Ägypten: 35 sowjetische T-34/85 Panzer; 5.000 Kalashnikov 7,62 Millimeter Maschinengewehre mit 600.000 Kugeln; 6.000 MPi 41 Kalashnikov Maschinengewehre; 3.500 Kalashnikov Maschinengewehre, sowie weitere 11 Millionen 7,62 Millimeter Kugeln und fünf Millionen 7,9 Millimeter Patronen.
Die Kontinuität und Leidenschaft des ostdeutschen Anti-Zionismus und des Antagonismus gegenüber Israel war in einer Rede von Walter Ulbricht, dem Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei und dem Führer des Regimes in Leipzig am 15 Juni 1967 klar ersichtlich. Ulbricht verurteilte Israel und unterstützte die arabischen Staaten. Er behauptete, dass Israel vor dem Krieg von keinen militärischen Bedrohungen konfrontiert gewesen sei – dies trotz des Aufmarsches der arabischen Armeen an den Grenzen Israels, der Entscheidung Nassers, die Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt zu schließen, und der verbalen Drohungen der arabischen Hauptstädte in den Wochen vor dem Krieg, die Juden ins Meer zu treiben. Vielmehr bestand Ulbricht darauf, dass der Krieg ein Ergebnis der „globalen Strategie des US-Imperialismus“ und seines willigen Werkzeugs Israel war – dies trotz der Tatsache, dass Israel den Krieg vor allem mit Waffen aus Frankreich kämpfte. Es war während des Krieges, dass die Sowjetunion sich zuallererst in das verwickelte, was der verstorbene israelische Historiker Robert Wistrich „Holocaust-Inversion“ nannte, nämlich den Vorwurf zu machen, dass Israel sich wie Nazi-Deutschland verhielt. Bei der UNO in New York hatte der sowjetische Botschafter Jakow Malik Israels Überraschungsangriff, der den Sechstagekrieg begonnen hatte, mit dem Krieg der Nazis an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg verglichen.
Ulbricht bot seinen eigenen Vergleich zwischen Israel und Nazi-Deutschland an. Mit Anspielungen auf das Nazi-Protektorat in der Tschechoslowakei und an die Generalregierung des besetzten Polen, sagte er, dass die ‚Welt nicht akzeptieren könne, dass ein Vierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg der Angreifer Israel und seine Hintermänner ein Sinai-Protektorat oder eine Generalregierung für Jordanien zum Zweck der erneuten kolonialen Unterdrückung der arabischen Völker bildeten.‘ In den folgenden Jahrzehnten blieb die Assoziierung Israels mit Nazi-Deutschland ein dauerhaftes Element der kommunistischen, arabischen, palästinensischen und westdeutschen und westlichen europäischen linken anti-israelischen Propaganda. Doch die kommunistische Propaganda des Kalten Krieges von den 1960er Jahren bis 1989 ging darüber hinaus, Israel zu beschuldigen, Teil des imperialistischen Systems zu sein. Für die Sowjetunion und ihre Verbündeten, einschließlich der DDR, wurde Israel anzugreifen, sowohl verbal als auch durch Unterstützung derjenigen, die es militärisch angriffen, zu wesentlichen Aspekten der neuen Bedeutung des Antifaschismus.
Der Sechstagekrieg änderte die Sicht Ostdeutschlands auf Israel nicht. Allerdings legte die Intensivierung der diplomatischen, propagandamässigen und militärischen Unterstützung des kommunistischen Regimes für die arabischen Staaten während des Krieges den Grundstein für einen der größten außenpolitischen Erfolge seiner 40-jährigen Geschichte. Es erleichterte die Transformation Ostdeutschlands von einer isolierten, verachteten Diktatur in ein beliebtes Regime mit Unterstützung einer wachsenden Zahl von Staaten, die vom linken Nationalismus inspiriert wurden, was zur Entscheidung des Irak, Syriens, Ägyptens und des Sudans führte, diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Bis dahin hatten sich die Länder außerhalb des sowjetischen Blocks angesichts der „Hallstein-Doktrin“ der Westdeutschen, die diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen abzubrechen drohten, falls sie es täten. In allen Kommuniqués, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen begleiteten, stimmten die Ostdeutschen ihren neuen arabischen staatlichen Partnern zu, dass Israel ein rassistischer, imperialistischer und aggressiver Staat sei. Marxistisch-leninistische Ideologie und die konventionelle Verfolgung des nationalen Interesses wurden sich gegenseitig verstärkende Faktoren. Das Spielen der anti-israelischen Karte öffnete die Tür zur diplomatischen Anerkennung im Nahen Osten. Es versetzte auch Westdeutschland in den arabischen Staaten in die Defensive, die alle diplomatischen Beziehungen abbrachen, als die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen mit Israel aufnahme im Jahre 1965.
DIE WESTDEUTSCHE LINKE NACH DEM SECHSTAGEKRIEG
Im Gegensatz zur Kontinuität der anti-israelischen Politik in Ostdeutschland war Veränderung das vorherrschende Merkmal der Reaktion auf den Sechstagekrieg in der Westdeutschen Neuen Linken. Bis Ende der 1960er Jahre war Empathie und Unterstützung für Israel eine entscheidende Komponente der linken Politik in Westdeutschland. Die Sozialdemokratische Vereinigung (SDS) begünstigte die westdeutschen diplomatischen Beziehungen zu Israel und die Reparationszahlungen an Einzelpersonen und den Staat Israel. 1957 wurde an der Freien Universität Berlin die erste „Deutsch-Israelische Studiengruppe“ (DIS) gegründet, und 1962 initiierte DIS eine Kampagne zur Unterstützung der Gründung diplomatischer Beziehungen zu Israel. Westdeutsche Liberale und Linke äusserten sich klar und deutlich in ihrer Kritik an der Entscheidung der ägyptischen Regierung, etwa 500 westdeutsche Raketeningenieure und Wissenschaftler zu beschäftigen, von denen viele an den V2-Raketenprogrammen für das Nazi-Regime gearbeitet hatten, um Raketen auf Israel zu richten. Als Konrad Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard 1965 diplomatische Beziehungen zu Israel aufnahm, tat er dies mit starker Unterstützung im gesamten politischen Spektrum der Bundesrepublik. Bis zum Sechstagekrieg blieb die grundsätzliche Haltung der pro-israelischen, westdeutschen nichtkommunistischen Linken intakt. Die Sympathie für Israel schien wie die selbstverständliche und logische Antwort auf die Verbrechen des Nazi-Regimes und gegen die Rückstände widerständlerischen Antisemitismus im Nachkriegsdeutschland und Europa zu sein.
Zwischen Juni und September 1967 verstärkten SDS und damit die westdeutschen Neuen Linken die Bedeutung des Antifaschismus, ersetzten Empathie durch Feindseligkeit gegen Israel und wurden Partisanen der arabischen Staaten, aber noch mehr der palästinensischen bewaffneten Organisationen, die den Krieg gegen Israel führen. Dabei echote es eine ähnliche Transformation in der globalen Neuen Linken. Doch das Tempo und die Intensität der Transformation hatten viel mit der lokalen Politik zu tun. Eine Konjunktur von zwei gleichzeitigen, aber kausal nicht zusammenhängenden Episoden der internationalen und lokalen Politik im Juni 1967 – Krieg im Nahen Osten und der Tod eines Studentendemonstranten durch einen Schuss der Polizei in Westberlin – präzipierte und beschleunigte die Verschiebung der Stimmung gegen Israel. Am 2. Juni wurde eine Demonstration gegen den Besuch des Schah von Iran in West-Berlin zu einer heftigen Konfrontation zwischen Polizei und Demonstranten, in deren Verlauf ein West-Berliner Polizist, Karl-Heinz Kurras, den 26-jährigen Benno Ohnesorg, Student an der Freien Universität Berlin, erschossen und getötet hat. Der Schuss verstärkte den Glauben der Neuen Linken, dass die westdeutsche Regierung ein autoritäres oder gar faschistisches Regime war. Die Forschung in den Akten des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) hat nachträglich festgestellt, dass Kurras seit 1955 als Agent der Stasi tätig war. Bisher ist kein Beweis dafür aufgetaucht, dass Kurras befohlen worden wäre, einen der Demonstranten umzubringen, um den ostdeutschen und sowjetischen Anschuldigungen über die „neofaschistische“ Natur der westdeutschen Regierung Glaubwürdigkeit zu verleihen und damit die linken Studenten in der Bundesrepublik zu radikalisieren. Der Schuss hatte die Wirkung, diese Überzeugungen zu verstärken. Wären Kurras‘ Verbindungen zur Stasi damals bekannt gewesen, hätten die politischen Ergebnisse wahrscheinlich dramatisch anders ausgesehen, da das die Aufmerksamkeit auf die kommunistischen Bemühungen gelegt hätte, die westdeutsche Demokratie zu untergraben, indem sie sie fälschlicherweise als neofaschistisches Regime darstellte. Stattdessen wurde ein Mord, der von einem Agenten der ostdeutschen Geheimdienste durchgeführt wurde, für die westdeutschen Linken zum schlüssigen Beweise dafür, dass die westdeutsche Regierung und die sozialdemokratische Regierung Westberlins faschistische, autoritäre Regime waren. Eine der drei großen linksgerichteten Terrororganisationen der 1970er Jahre beschloss, sich „die Bewegung des 2. Juni“ zu nennen, die für das Datum benannt wurde, als Kurras Ohnesorg erschossen hatte.
Ein zweiter Aspekt des Zusammentreffens in West-Berlin und Westdeutschland betraf die Zeitungen der konservativen Axel-Springer-Presse, vor allem ihrer Boulevardzeitung Bild, die eine führende Rolle bei der Anprangerung der Neuen Linken einnahm. Doch die Springer-Zeitungen waren im westdeutschen Journalismus auch führende Stimmen der Unterstützung Israels. Nach dem Prinzip, dass der Freund meines Feindes mein Feind ist, zog die Wende der Jungen Linken gegen Israel weitere emotionale Energie aus der Kombination der Unterstützung der Springer-Presse für Israel, ihrer Kritik an der Neuen Linken und der Erschießung von Ohnesorg. Für die junge Linke hatte die Gleichzeitigkeit des Sechstagekrieges und der Ohnesorg-Erschießung die Wirkung, Israel mit ihren westdeutschen konservativen Gegenspielern zu assoziieren.
Auf einer SDS-Sitzung am 4.-9. September 1967 auf dem Campus der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt am Main verabschiedeten die Delegierten eine Resolution, die die Wendung des SDS gegen Israel kodifizierte. Sie drückte die Mélange aus Neomarxismus, Marxismus-Leninismus und der radikalen Begeisterung über Dritte-Welt-Revolutionen aus, die zu einer definierenden Eigenschaft der Neuen Linken rund um die Welt geworden war. Wie ihre Kollegen anderenorts waren die westdeutschen SDS-Führer auf den Vietnamkrieg fokussiert. Doch die Nazi-Vergangenheit, die geographische Nähe des Nahen Ostens, die „besondere Beziehung“ der westdeutschen Regierung und die diplomatischen Beziehungen zu Israel und ihre eigenen Kontakte und Diskussionen mit arabischen Studenten in Westdeutschland machten den Nahen Osten zu einem bedeutungsvolleren Thema der Neuen Linken in Westdeutschland als in anderen Zentren des Neuen Linken Radikalismus im Jahre 1967.
Die SDS-Resolution verdeutlichte die Verschiebung vom Antifaschismus der 1940er Jahre zum „Antiimperialismus“ einer „Dritt-Weltlichen“ Linken in den späten 1960er Jahren. Es war eine Transformation, die während der anti-kosmopolitischen Säuberungen der frühen 1950er Jahre im sowjetischen Block stattgefunden hatte. Die SDS-Resolution stellte fest, dass der Sechstagekrieg nur vor dem Hintergrund des antiimperialistischen Kampfes der arabischen Völker gegen ihre Unterdrückung durch den anglo-amerikanischen Imperialismus analysiert werden könnte. Die Resolution forderte die „Rehabilitation von Hunderttausenden arabischer Flüchtlinge zurück in ihr Mutterland“. Die September-Resolution kritisierte Israel für eine „Politik der Vertreibung und Unterdrückung der palästinensischen Araber“. SDS beruhigte die Juden, dass sie ein Recht hätten, in Palästina zu existieren, aber nicht einen eigenen Staat zu haben, d.h. Israel. Das Problem würde durch eine „revolutionäre sozialistische Bewegung“ gelöst werden, die den Imperialismus überwindet und die Einheit zwischen den Sozialisten in den arabischen Ländern und dem „sozialistischen Israel“ schafft.
Von 1967 bis 1970 führte die Radikalisierung der Westdeutschen Neuen Linken zur Unterstützung des „bewaffneten Kampfes der PLO“ gegen die Existenz Israels. In diesen Jahren begannen Kontakte zwischen westdeutschen Linken und arabischen und palästinensischen Studenten, die in Westdeutschland studierten, zu materialisieren, Kontakte, die später zur Zusammenarbeit der westdeutschen Linken Terrororganisationen mit vergleichbaren palästinensischen Organisationen führten, vor allem der Volksfront für die Befreiung von Palästina.
Obwohl es die PLO war, mehr als die arabischen Staaten, die die Phantasie der westdeutschen Linken eroberten, ist es wichtig, daran zu erinnern, dass die Westdeutschen Linken-Gruppen, die Solidarität mit der PLO aussprachen, ihre Unterstützung für ihre Charta von 1968 bekräftigen. Die PLO-Charta bezeichnete ein geographisches Gebiet namens Palästina, das das gesamte damals existierende Israel umfasste, als „Heimat des arabischen palästinensischen Volkes“. Das „palästinensische Volk“ hatte ein „legales Recht“ in diesem Gebiet. Artikel Sechs erklärte, dass die Juden, die in Palästina bis zum Beginn der zionistischen Invasion lebten, als Palästinenser gelten würden. Das Datum des Beginns dieser „Invasion“ war eine Quelle der Ungewissheit. Wenn, wie oft argumentiert wurde, die „Invasion“ im Jahre 1917 mit der Unterzeichnung der Balfour-Erklärung begann, dann würden nur 60.000 der etwa 2,5 Millionen Juden, die 1968 in Israel lebten, als Palästinenser betrachtet. Wenn die „Invasion“ auf 1947 datiert würde, dann würden etwa 700.000 Juden so definiert und könnten so im entstehenden palästinensischen Staat bleiben. Der Rest würde nicht als „Palästinenser“ in einem neuen Staat betrachtet und damit vermutlich ausgeschlossen werden. Artikel Acht besagte, dass im „nationalen Kampf für die Befreiung Palästinas“ die „in der nationalen Heimat oder in der Diaspora“ im Nahen Osten und in Europa lebenden eine „nationale Front“ bildeten für die Wiedererlangung Palästinas und seiner Befreiung durch den bewaffneten Kampf“. Artikel Neun erklärte, dass „bewaffneter Kampf der einzige Weg sei, um Palästina zu befreien. Das ist die Gesamtstrategie, nicht nur eine taktische Phase. Nach Artikel 10 bilden „Kommando-Aktionen den Kern des palästinensischen Volksbefreiungskrieges“.
Artikel 22 war die Eröffnungssalve in einer Propagandakampagne, die sieben Jahre später, im November 1975, als die UNO-Generalversammlung erklärte, dass der Zionismus „rassistisch und fanatisch in seiner Natur, aggressiv, expansionistisch und kolonial in seinen Zielen und faschistisch in seinen Methoden [ist]. Israel ist das Instrument der zionistischen Bewegung und die geographische Basis für den Weltimperialismus, die strategisch inmitten der arabischen Heimat gesetzt wurde, um die Hoffnungen der arabischen Nation auf Befreiung, Einheit und Fortschritt zu bekämpfen‘. Der große Propagandasieg der PLO war, zwei Lügen Teil der weltpolitischen Kultur zu machen. Die erste war, dass der Zionismus eine Form von Rassismus sei. Die zweite war, dass die Charta der PLO kein rassistisches Dokument sei, denn jede sorgfältige Lesung würde darauf hindeuten, dass sie, wenn sie umgesetzt würde, die Vertreibung der überwiegenden Mehrheit der jüdischen Staatsbürger des Staates Israel verlangte. Bemerkenswerterweise ist das rassistische Element der PLO nie ein wichtiges Thema der Weltpolitik geworden, während Jahrzehnte der Bemühungen der israelischen Botschafter der UNO, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, erfolglos waren.
Wenn irgendjemand in der westdeutschen Neuen Linken in diesen Jahren „Solidarität“ mit der PLO äußerte, dann unterstützte er effektiv diese sehr öffentlichen, sehr klaren Positionen, die eine Kriegserklärung darstellten, deren Ziel die Zerstörung des Staates Israel war, und zwar durch den Einsatz von Waffen. Obwohl die PLO-Charta alle „allmählichen und friedlichen Kräfte“ auf der ganzen Welt anrief, traf sie in der westdeutschen radikalen Linken einen Nerv, weil die Rhetorik des „Antifaschismus“ und „Antiimperialismus“ eine andere Befreiung von den Belastungen der deutschen Geschichte nach dem Holocaust anbot. Im postnazistischen Deutschland führte es auch zu einer bizarren Beschreibung Israels, die die antisemitischen Anschuldigungen, die Jahrhunderte lang gegen die Juden Europas geschleudert wurden, widerhallen liess. Ein auffälliges Merkmal sowohl des ostdeutschen kommunistischen Regimes als auch der westdeutschen radikalen Linken war eine Art von Blindheit gegenüber den Ähnlichkeiten zwischen älteren antisemitischen Stereotypen böser und mächtiger Juden und den Angriffen auf den Zionismus und Israel als inhärent aggressiv, rassistisch und sogar genozidal.
Ein sehr ernstes Problem, dass Israels Sieg für die westdeutsche und westeuropäische Linke darstellte, war, dass der jüdische Staat einen Krieg entscheidend gewonnen hatte. Während die Nachkriegs-Westdeutschen die harte Macht der Staaten, die sie mit Nazi-Deutschland verknüpften, verschmähten, waren die Lehren, die Juden und Bürger Israels aus dem Holocaust gelernt hatten, genau das Gegenteil, nämlich dass jene ohne Staat und seine harte Macht der Gnade von denen ausgeliefert waren, die sie vielleicht ermorden wollten. Israels Sieg im Jahre 1967 paßte nicht in die linken Kategorien des »Imperialismus« und des »Antiimperialismus«, doch da die Kategorien für die radikalen Linken jener Jahre zur Verfügung standen, benutzte die radikalisierende Neue Linke sie, um das Ergebnis des Krieges in dieses unangemessene Paradigma zu verlegen: Israel war jetzt der „Imperialist“.
Im November 1969 platzierten radikale Linke eine Bombe im Jüdischen Gemeindezentrum in West-Berlin, die nicht explodierte. Eine Broschüre mit dem Titel „Shalom und Napalm“ wurde in Agit 883 verteilt, einer Zeitschrift, die in der West-Berliner Linken-Szene weithin gelesen wurde. Neben der Unterstützung des palästinensischen „bewaffneten Kampfes“ gegen Israel forderte er die westdeutschen „Antiimperialisten“ auf, eine aktive Rolle im Kampf gegen die Unterstützer Israels in Westdeutschland zu spielen, d.h. sich bei Angriffen auf Juden in Westdeutschland zu engagieren, vor allem auf jene, die Israel öffentlich unterstützten.
‚Shalom und Napalm‘ beinhaltete auch einen Angriff auf die westdeutsche Tradition der Vergangenheitsbewältigung. Dabei wiederholten sie Argumente, die in den 1950er Jahren von der ostdeutschen Regierung gemacht wurden. Sie verurteilten die westdeutschen Reparationszahlungen und die Entwicklungshilfe als Beitrag zum zionistischen Verteidigungshaushalt. „Unter dem schuldbewussten Vorwand, sich mit den faschistischen Gräueltaten gegen die Juden auseinanderzusetzen, leisten sie [die westdeutsche Regierung und Industrie] einen entscheidenden Beitrag zu den faschistischen Gräueltaten Israels gegen die palästinensischen Araber.“ Die Autoren der Broschüre übernahmen die Verantwortung für die Platzierung einer Bombe im jüdischen Gemeindezentrum und erklärten der Bundesrepublik Deutschland den Krieg. Die Neufassung des Antifaschismus, die im sowjetischen Block stattgefunden hatte, trat nun in der westdeutschen Linken auf. Die Autoren schrieben, dass der wahre Antifaschismus der klare und einfache Ausdruck der Solidarität mit den Fedayeen (den Kämpfenden) ist, … die Juden, die vom Faschismus vertrieben wurden, sind selbst zu Faschisten geworden, die in Zusammenarbeit mit amerikanischem Kapital das palästinensische Volk ausrotten wollen. „Shalom und Napalm“ war die erste von einer Reihe von Aussagen der Holocaust-Inversion von der westdeutschen Linksaussen, die die westdeutschen linken Terrororganisationen dazu inspirierten, mit gleichgesinnten palästinensischen Gruppen zusammenzuarbeiten – am bekanntesten in der Entführung und dann der Trennung von israelischn und nicht-israelischen Geiseln am Flughafen in Entebbe, Uganda im Jahr 1976.
Ein besonderes Merkmal des säkularen linken Antagonismus gegenüber Israel, zuerst im sowjetischen Block und dann in der globalen Neuen Linken, war seine entrüstete Behauptung, dass es absolut nichts mit Antisemitismus zu tun habe. Doch der Eifer, mit dem sich die Feinde Israels über die rassistische Natur des Zionismus verbreiteten und bereit waren, den jüdischen Staat mit Nazi-Deutschland zu vergleichen, wies darauf hin, dass tatsächlich ein Element des Antisemitismus in der internationalen Linken arbeitete, als sie im Juni 1967 auf den Sieg Israels reagierte. Für die Sowjetunion war es ärgerlich und peinlich zu sehen, wie ihre arabischen Klienten so elendiglich scheiterten. Es war ein schwerer Schlag für ihre Bemühungen, den westlichen Einfluss im Nahen Osten zu verringern und die Kontrolle über die Ölversorgung zu bekommen, die für die Weltwirtschaft so wichtig ist. Dennoch bestand die linke Holocaust-Inversion auf sehr alten und falschen Attributionen von enormer Macht und großem Übel, die religiöse und weltliche Antisemiten den Juden in Europa zugeschrieben hatten. Anstatt zu erkennen, dass die Juden, wie jede andere Nation mit einem eigenen Staat, sich gegen eine echte Bedrohung verteidigt und einen Krieg gewonnen hatten, haben die Kommunisten und die radikale Linke die negativen Attribute, die einst auf die Juden Europas angewandt wurden, auf den Staat Israel angewandt. Während Antisemiten vor 1945 die Juden als Mittelpunkt einer mächtigen internationalen Verschwörung beschrieben hatten, beschrieben die Anti-Zionisten des Kalten Krieges Israel als Speerspitze im Nahen Osten, eine von den USA geführte und von Westdeutschland unterstützte Verschwörung. Anstatt den Krieg für das, was er war, zu sehen, ein Krieg der Selbstverteidigung angesichts ernsthafter Bedrohungen, versuchten Israels linke Gegenspieler während und nach 1967, ihren Sieg als Akt der Aggression zu delegitimieren. Nach dem Sechstagekrieg nahm die Idee des mächtigen und bösen Juden, der in der Geschichte des europäischen Antisemitismus so vertraut war, eine neue Form eines mächtigen und bösen Israels an. Die Kommunisten und die radikale Linke im Westen blendeten sich mit solchem Hass, dass sie nicht verstehen konnten, warum und wie ein Volk, das zuvor von der Zerstörung bedroht war, weniger als ein Vierteljahrhundert nach dem Holocaust wider alle Erwartungen einen Krieg kämpfen und gewinnen konnte.
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